Fünf Berner Fotografen Photoforum Biel 2009

Voirol_Jacquemet_Schweizer_Andrey_Rihs

www.annelisezwez.ch    Annelise Zwez in Bieler Tagblatt vom 10. Okt. 2009


Spuren einstiger Hippies, Momente entlang der Aare – das Photoforum Pasquart schickte zum 25-Jahr-Jubiläum fünf Fotografen auf Erkundungstour im Kanton Bern.


Es mag zunächst irritieren, dass das seit seinen Anfängen national-regional ausgerichtete Photoforum zu seinem 25-Jahr-Jubiläum fünf Berner Fotografen und Fotografinnen aussendet, um „Spuren der Entwicklung des sozialen, kulturellen, wirtschaftlichen, geographischen oder politischen Lebens im Kanton Bern bildlich festzuhalten“. Einerseits weil das Projekt „Spuren“ der Bieler Museen vor einigen Jahren nicht sonderlich erfolgreich war, andererseits weil Auftragsarbeiten im Bereich Fotografie oft nicht über die Reportage hinaus kommen.

Die Ausstellung kann die Vorab-Skepsis nur teilweise Lügen strafen, zum Beispiel mit Xavier Voirols herausragendem „Porträt“  von Haltung, Geist und Atmosphäre unter heutigen Sangliers im französischsprachigen Berner Jura. Zwei Momente wirken im Hintergrund. Zum einen ist da der finanzielle Anreiz des Amtes für Kultur des Kantons Bern, der den fünf in einem Auswahlverfahren bestimmten Fotoschaffenden je 5000 Franken zusprach, um ihr Projekt zu verwirklichen. Das ist für eine mit bescheidenem Budget agierende Foto-Plattform ein Konzept-Angebot, das  zu wagen ist.  Zum andern ist Zusammenarbeit mit Gremien und Organisationen mit korrespondierenden Interessen eine alte Tradition des Photoforums.  Man erinnere sich aus neuerer Zeit zum Beispiel des Stelldicheins der grossen Schweizer Fotografie-Institutionen im „Hinterland“ der Bieler Arteplage von 2002.

Den Zuschlag für den Auftrag, den Kanton Bern mit dem Mittel der Fotografie zu hinterfragen, erhielten neben dem bereits erwähnen Xavier Voirol, Nadine Andrey (geb. 1979), Alexander Jaquement (geb. 1978), Daniel Rihs (geb. 1966) und Beat Schweizer (geb. 1982). Wie sich nun in den fünf Räumen des Photoforums ablesen lässt, sind ihre Ansätze wie die medialen Umsetzungen teils ähnlich, teils sehr verschieden. Daniel Rihs zum Beispiel spürt der Zeit seiner Jugend nach – der Zeit der Hippies; im Kanton Bern träumte man mit etwas Verspätung, so um 1970, von  der grossen Freiheit in einer neuen, besseren Welt. Knapp ein Dutzend, die in ihrer Erscheinung heute noch die damaligen Ideale ausdrücken, porträtierte Rihs und zeigt ihre Gesichter in stark kontrastierenden Hell-Dunkel-Tönen. Warum er ihnen durchwegs die Stirne „abschneidet“ und als „Farbe“ ein altertümelndes Sepia wählt, ist nicht ganz nachvollziehbar. 1970 ist doch nicht 1930 und die Hippie-Zeit überdies eine ausgesprochen farbige. Was das Portfolio nichtsdestotrotz spannend macht, ist der noch heute sichtbar die Welt hinterfragende, kritisch-eigenwillige Blick der Porträtierten zwischen 60 und 70 Jahren.

Der Erlacher Alexandre Jacquemet folgte der Aare von ihrem Ursprung bis zur Einmündung in den Bielersee; nicht zu Fuss und nicht mit dem öffentlichen Verkehr, sondern mit einem langsamen, sperrigen Landwirtschaftsgefährt, einem sogenannten „Rapid“. Er spricht vom Versuch einer „entschleunigten Reise“. Was er mit der Kamera einfing, hat dokumentarischen Charakter; qualitativ überzeugend, weil es ihm gelang, Landschaft, Architektur und Alltagsleben in unserem Land, im Kanton Bern,  so zu spiegeln, dass einem beim Betrachten fast automatisch ein „Ja, so ist es“ entfährt.

Auch Nadine Andrey hat eine Wegstrecke gewählt, von Bern nach Schwarzenburg, wobei sie teils aus dem Zug aus fotografierte, teils auf Erkundungstouren mit dem Velo, teils am Tag, teils bei Nacht. Sie präsentiert die Fotos in satt-farbigen Ausdrucken in  Querblöcken auf Forexplatten. Die strickt beobachtende Haltung, die sie einnimmt, betont das Dokumentarische zu Lasten emotionaler „Spuren“.


Beat Schweizer wählte die Welt der Shopping-Zentren als Thema, oder, träfer, ihre Ränder, die Nacht, die Zeit der Aufräumequipen. Die vielfach überbelichteten Aufnahmen hinter Plexiglas betonen die Künstlichkeit, die Austauschbarkeit, in die auch Menschen nur wenig Persönliches einbringen können. Schweizers Ansatz versucht ein klares Profil einzubringen, bleibt nach unserer Ansicht aber doch allzu blass, um den Betrachter wirklich zu fesseln.

Die fünf Positionen sind – gerade weil  sie einen vergleichbaren Ansatz haben – eine gute Schule der Wahrnehmung von Fotografie. Wenn in unserem Empfinden die Sangliers von Xavier Voirol obenaus schwingen, so weil es ihm eindrücklich gelingt, die Verbundenheit der meist einzeln in der Landschaft fotografierten Protagonisten mit ihrer Heimat auszudrücken und zugleich die potentielle Gefahr der Intoleranz, des Besitzanspruchs fühlbar zu machen.

Die Ausstellung dauert bis zum 22. November.

Bildlegenden:

Der Kanton Bern als Thema: Beispiel aus der Serie der „Sangliers“ von Xavier Voirol, aus dem Portfolio „Vom Land“  von Nadine Andrey, aus der Reportage „Willkommen“ von Beat Schweizer (v.o.n.u.) Bilder: zvg