Katrin Freisager Galerie Staffelbach ZH 2009

My sister never sleeps

 

www.annelisezwez.ch     Annelise Zwez in Kunstbulletin September 2009

„My sister never sleeps“ überschreibt die  Künstlerin die bisher 10-teilige, neue Reihe aufwendig inszenierter Fotografien, die sie bei Elisabeth Staffelbach in Zürich erstmals zeigt.  Das White Cube-Studio  hat sie hiefür mit einer sattgrünen Naturbühne in sumpfigem Niemandsland vertauscht.

„My sister never slept“ ist der erste Satz eines Romans der US-Autorin Beth Nugent. Der Einstieg faszinierte Katrin Freisager (geb. 1960) so sehr, dass sie das zufällig entdeckte Taschenbuch sogleich erwarb. Die sinnliche Beschreibung der Schlaflosen wurde ihr zum Bild der eigenen Wachheit jenseits des Tages. Darum transferierte sie den Satz für sich ins Präsens. Deutlicher als in früheren Serien – von „Seventh Generation“ (1995) über „Living Dolls“ (2000) bis „Las Meninas“ (2004/2007) – verweist die Fotokünstlerin mit dem Titel auf die subjektive Spiegelung der eigenen Tag-, Nacht- und Alptraumwelt in ihren minutiös vorbereiteten Fotografien.

Wie schon bei „Color of Skin“ (1998) kombiniert Freisager in „My sister never sleeps“, Motive mit und ohne Figuren in derselben Umgebung. War damals in New York ein Hotelzimmer Ort des Geschehens, so ist es nun ein geographisch nicht lokalisierbares, waldiges Feucht-Biotop, das der Künstlerin als Bühne dient. Hier wie dort geht es um die Verdoppelung des Blicks von aussen nach innen und von innen nach aussen; das Erzählerische wird im Wandel zum Bild seiner selbst.

Konkret huscht in der neuen Serie ein mit einem weiten, langen, weissen Rock bekleidetes Kind durchs Unterholz, hält inne, zieht sich, vielleicht zum Schutz vor dem Habicht, der zur Serie gehört, mitten im Wald in sein Iglu  zurück. Wo es sich befindet, ist unbekannt – in einem Jenseits, wo sich Tag und Nacht, hell und dunkel zu jeder Zeit zu begegnen scheinen. Katrin Freisager hat „ihr“ Waldtheater x-mal besucht, mit dem Licht des Morgen, des Mittags, der Abendstunden „gesprochen“, bis sich die vagen Bilder zwischen Geborgenheits- und Bedrohungsgefühlen zur Vorstellung der neuen Aufnahmen verdichteten.

Dann ist sie mit ihrem Assistenten, der schweren Studio-Kamera, eventuell Requisiten und Schauspielern, aufgebrochen, um Ort und Vision zum fotografischen Bild zu verschmelzen. „Im Studio kann ich alles bestimmen“, sagt Freisager, „aber in der Natur ‚schreibt’ immer etwas Unberechenbares mit. Paradoxerweise wird dadurch das Fiktionale verstärkt.“ Die Künstlerin arbeitet mit einer analogen Kamera, bearbeitet jedoch die Scans (mit Bruno Jericke) bis sie jene atmosphärisch-geheimnisvolle Ausstrahlung erreichen, die ihr vorschwebt oder, umgekehrt, von der Natur suggeriert wird. Mit der installativen Hängung der figürlichen und der reinen Natur-Motive sowie einer selektiven Gewichtung durch unterschiedliche Formate hebt die Künstlerin deren Trennung konzeptuell und emotional auf.

Þ Galerie Hufschmid/Staffelbach, 26. 8. bis 3. 10.

Þ Gleichzeitig bei Hufschmid: Heidi Langauer.

Þ www. galeriehufschmidstaffelbach.ch

Bildlegende:

Katrin Freisager: Aus der Serie „My sister never sleeps“, C-Print auf Acrylglas, 2009 .