Ruedy Schwyn Willi Mueller Christiane Hamacher KUNSTwerkRAUM Ins 2009

Wie lange sind die Äpfel noch gelb und rot;

 

www.annelisezwez.ch    Annelise Zwez in Bieler Tagblatt vom 25. August 2009

Im „kunstwerkraum“ Ins laden Ruedi Schwyn, Willi Müller und Christiane Hamacher zum Bildgespräch über rote Äpfel und dunkle Wolken in bedrohtem Land.

Im Frühling, im Sommer und im Herbst lädt Marlise Oechslin zu Bildgesprächen in den „kunstwerkraum“, gleich hinter dem Bahnhof Ins. Von Oktober bis April sei es  zu feucht in den unbeheizten Räumen der einstigen Elektro-Werkstatt und überhaupt müsse man realistisch sein, was eine Galerie in Ins weitab von Biel und Zürich betreffe, sagt Lebenspartner Thomas Oechslin, Direktor der Musikschule Biel.

Jetzt, im Spätsommer, präsentiert sich die karge, mit einem Doppel-Raum und drei „Zellen“ respektabel grosse Galerie jedoch von ihrer angenehmsten Seite; abseits, still, Nachdenken zulassend.

So ist denn die aktuelle Kombination von Werken von Ruedi Schwyn, Willi Müller und Christiane Hamacher  auch nicht einfach ein Potpourri. Eingeladen hat Marlise Oechslin den allseits geschätzten Bieler Künstler Ruedi Schwyn. Dieser sagte zu, wollte jedoch mehr als sich selbst – vielleicht auch die eigene Kunst durch andere Positionen erweitern, ergänzen, verdeutlichen. Das ist ihm gelungen.

Ruedi Schwyn ist von seiner Bildsprache her immer wieder für Überraschungen gut, möglicherweise sogar irrtierende. Auch jetzt ist der Wechsel zu figurativen Themen, zu Landschaften, Stilleben, Porträts nach Jahren stark reduzierter, oft abstrakter Gestaltungsweise zunächst einmal verwirrend.  Obwohl es in die Bilder eingeschobene Versatzstücke gibt, die aufzeigen, dass es um Diskurse geht und nicht um Abbilder. 


Da ist zum Beispiel – grossformatig –  ein ruinenähnlicher Beton-Kubus mit Fenster in einer kahlen, farblosen Landschaft. „Si vende“ steht darauf.  Das gemalte,  dennoch fotografieverwandte Motiv  wird von zwei orangefarbenen Rechtecken und  einer Staffel kleiner, dunkler „Ufos“ bedrängt. Ähnliches ist auch in anderen Bildern zu beobachten. Schwyn verweist so darauf, dass er eine Diskussion um Landschaft und Verfall auslösen möchte. „Ich habe gemerkt, dass meine früheren, reduzierten Bildwerke es vielen zu einfach machte, die Inhalte beiseite zu schieben“, sagt er. Darum sei er zum Figurativen zurückgekehrt; mit Lust, wie er betont.

Als künstlerische Demarche ist das nicht unproblematisch, entwickelt sich Kunst doch gängigerweise aus dem Bildnerischen selbst heraus. Hier verweist sie ganz einfach auf Ruedy Schwyn, der Kunst  schon immer als Vehikel zur Diskussion über die Probleme der Welt und der Menschen in und auf ihr versteht.

Entsprechend ist die Ausweitung der Ausstellung um Malerei, Grafik und Fotografie von Christiane Hamacher – wie Schwyn Dozentin an der Schule für Gestaltung in Biel – und Willi Müller (Maler in Nidau und Lehrer in Zürich) primär eine inhaltliche Vision. Hamacher befasst sich seit langem mit Explosionen. Diese können ebenso dynamisch wie bedrohlich wirken, ebenso Feuerwerk wie Landschaft aus dunklen Wolken sein, ebenso als Video wie als Malerei oder Aqua- respektive Mezzotintos visualisiert sein. Dass sie in Ins auch „Gletscher“ integriert, verdeutlicht die Hintergründigkeit der Thematik; ein gewichtiger Akzent.

Willi Müllers Malerei wirkt im Diskurs mit den wenig emotionalen Arbeiten Schwyns und den verhalten-radikalen Formulierungen Hamachers wie  eine Liebeserklärung an die Sinnlichkeit der Malerei. Die Gelb, die Rot, die Blau schwingen sich  zum Appell, das Lebendige, Haptische, Kreatürliche zu bewahren; in einem Apfelzweig ebenso wie in grossen Zusammenhängen.

Das Kräftefeld der drei Bildsprachen in einer wandfüllenden Assemblage direkt aufeinandertreffen zu lassen, ist gewagt. Sie fordert  von den Betrachtenden Zeit, um zum differenzierten, je eigenen Alphabeth zu werden, aus dem sich die Inhaltlichkeit der Ausstellung formuliert. Weil Ruedy Schwyn, für einmal Künstler und Kurator in einem, solche nachdrücklich intendiert,  ist die dicht gehängte „Salon“-Wand indes ein wichtiges Element des Ausstellungskonzeptes.

Info: Kunstwerkraum Ins, Müntschemiergasse 4c, bis 13. September. Offen: Fr 17-19, Sa/So 13 – 18 Uhr. Kontakt: 079/ 439 77 21 oder marlise.oechslin@bluewin.ch

Bildlegende:

Ruedy Schwyn, Christiane Hamacher, Willi Müller: Ausschnitt aus der Inser „Salon“-Wand. Bild: azw