Béatrice Gysin Saur Lexikon Leipzig, 2010

www.annelisezwez.ch      Originaltext für Saur Leipzig, Lexikon aller Künstler aller Zeiten, geschrieben  Dezember 2009

Béatrice Gysin (geb. Kaufmann), Schweizer Zeichnerin, Objektkünstlerin, Grafikerin, Fotokünstlerin. * 2. Februar 1947 in Zürich.

Wächst in mittelständischen Verhältnissen auf. Der Vater ist Tiefbautechniker, Mutter und Grossmutter betreuen den Haushalt. Prägend sind die Stunden mit Grossvater Kaufmann, der sie in die Geheimnisse der Natur einweiht. Sie stickt und zeichnet viel. Das Gymnasium wird ihr verwehrt. 1964-1968 absolviert sie in Zürich eine Berufslehre als Grafikdesignerin und Farbgestalterin. Die Welt der Werbung lehnt sie in der Folge ab, aber das Erlernen präzisen Umgangs mit Stift und Pinsel ist wegweisend.

Freundschaftliche Kontakte weiten den Bildungshorizont. Auf der Suche nach sich selbst fährt sie 1968 nach Paris, lebt da mit Unterbrüchen bis 1975, allein, dann mit Hardi Gysin. 1974 Geburt von Sarah. Arbeitet in Agentur, sucht eigenen Weg in der Illustration. Ab 1975 in Bern. 1977 Geburt von Yves. Depression. Zeichnet nachts; die Natur wird zentrales Motiv: ihre Bedrohung, ihre Symbolik, aber auch ihre Wandlungsmöglichkeiten im Medium Kunst. Naturalistische Pinselzeichnungen mit surrealem Einschlag  stehen im Mittelpunkt der ersten Ausstellung, 1978 auf Schloss Jegenstorf. Arbeitet als selbständige Grafikerin.

Ab 1979 Mitglied der GSMBA (später Visarte).  Zu Beginn der 1980er-Jahre „wissenschaftliche“ Gegenstandsversammlungen, auf Papier gemalt oder kleinformatig in Holz, Speckstein und andere Materialien geschnitzt;  Präsentation als Assemblagen in Vitrinen. Persönliche Erfahrungen als Frau und alleinerziehende Mutter, Politisches im Zeichen breiter Umweltdiskussionen sowie die Stil-Tendenz der „Spurensicherung“ spiegeln sich; Baumstrünke, Blattwerk, Kleintiere, Federn, Fundstücke bilden den Fundus der minimal verfremdeten Darstellungen und Objekte von unaufdringlicher, subtiler Ästhetik.


Ab 1982 Dozentin an der Schule für Gestaltung, später der Hochschule der Künste in Bern (Teilzeit). Zahlreiche Einzel- und Gruppenausstellungen. Duo-Arbeiten mit Manuela Stähli-Legnazzi. Werkbeiträge von Stadt und Kanton Bern. 1992/94 löst BG Schweizer Militärmäntel in ihre Bestandteile auf und bestickt sie mit Staubsauger, Bügeleisen, Waschzeinen etc. Die metallenen Stiche sollen Motive und Trägermaterial, Frau und Mann, postfeministisch „versöhnen“. „Miserere“ nennt sie die Publikation dazu. Gleichzeitig weiten die zeichnerischen „Mutationen“ ihre Erscheinung, werden Skulptur, Wandzeichnung, Objekt mit Metall, Graphit, Silikon und mehr.

Mikrokosmische Vergrösserungen führen zu Ornamentik und Abstraktion. Ab 1995 Architekturprojekte u.a. für Teo Jakob AG, Bern. 1999/2000 Aufenthalte in der Cité Internationale des Arts in Paris.  Ab 1999 vermehrt Installationen, die Sicht- und Arbeitsweisen, Mikro- und Makropositionen, neu auch Fotografie, an der Wand und im Raum inszenieren. Ab 2000 Teilpensum als Dozentin an der Schule für Gestaltung in Biel. Ab 2001Farbgestaltungs-Aufträge u.a. für die Zahnmedizinische Klinik der Universität Bern.  Atelier in den Vidmarhallen (2002-2009). Öffentliche Ankäufe durch Stadt und Kanton Bern, Stadt Biel. 

2004 Umzug nach Biel. Es wächst die Skepsis gegenüber der Sichtbarkeit der Dinge; Unschärfe wird Gestaltungsmittel, Gegenständliches verschwindet. Die Oberflächen münden in vibrierende Magnetfelder, floatende Strich-Flüsse, hautähnliche „Landschaften“. Die Materialien stehen als „Realität“ dem „Nichtwissen“ gegenüber, unter anderem als modellierte Alabasterplatten oder raumfüllende Wandzeichnungen. Die aufwändigen Techniken sind bewusst gesuchte Langsamkeit. Parallel entstehen Fotografie-Bearbeitungen, Heliogravuren und Negativ-Prints, u.a. von Haut und Haar ausgehend. 2005  Berner Frauenkunstpreis. 2007 Buch-Publikations-Preis des Kantons Bern, 2009 Verlegung des Ateliers nach Biel.

Werke des Künstlers mit Standortnamen: BERN Sammlungen Stadt und Kanton; Psychiatrische Universitätsklinik Waldau; Kindergarten Spitalacker; Kantonale Liegenschaftsverwaltung. GRENCHEN Kunsthaus-Sammlung BIEL Sammlung der Stadt

Ausstellungen

E:  1978 Jegenstorf Schloss. 1981/83/85 Bern Zähringer Galerie; 1996 Berner Münster (Installation); 2002/03 Junkerngasse 14; 2007 Galerie Bis Heute; 2008 Galerie Beatrice Brunner. 1982 GrenchenGalerie Toni Brechbühl. 1987 Burgdorf Galerie H Margit Haldemann; 1999 Kunstraum. 1987 Interlaken Galerie am Höheweg. 1990/92/94 Basel Galerie Simone Cogniat. 2006 Muntelier La Cabane. 2009 Biel Espace libre, Centre Pasquart. G: 1980 Biel Kulturaustausch Bern/Biel; 2004/05/06/07/08 Centre Pasquart. 1980 Bern Kunstmuseum (Weisser Saal); 1990/92,2000/02/04 Kunsthalle. 1982/87 Burgdorf Galerie H. 1986 Bonn Frauenmuseum (Kat.). 1988 Langnau Gemeindehaus (Theater- und Kunstverein). 1991 Brugg Galerie im Zimmermannshaus. 2005 Moutier Musée Jurassien des Arts. 2005/06 Vinelz  „Soft Factor“, Galerie Vinelz, auch Bahlingen (D), Villa Schüpbach, Steffisburg (Kat.) 2009 Solothurn  Künstlerhaus S11.

Bibliographie:

Eigenpublikationen: 1989 „Lilien, Hoffnungsgefässe“,  Kat. Zeichnungen 1988/89. 1994, „Miserere“ – Silberfaden auf Feldgrau, eine Trauerarbeit. Mappe. Texte: BG, Carola Meier-Seethaler.

Veröffentlichungen:

Text/Zeichnungen in „Emanzipation“ Juli/August 1984. Fred Zaugg in Der Bund (Bern) Nr. 270, November 1985. mbf in Der Bund (Bern) Nr. 61, März 1987. Franziska Müller in Berner Zeitung, 14. 3. 1987. Jürg Welter in „Blutspur“, Mappe zur Kunstmeditation im Berner Münster, 8.11.1996. mgt. in „Burgdorfer Tagblatt“, 23.4.1999. tb. in „Murtenbieter“ vom 9.6.05. Annelise Zwez in Kunst-Bulletin (Zürich) 7/8 2006; Bieler Tagblatt 19.11.2009. Andreas Meyer, Lisa Schmuckli, Anna Stüssi, Patrick Savolainen, Annelise Zwez in „Béatrice Gysin“, Verlag Nimbus Kunst und Bücher, Wädenswil, 2008. Dominik Imhof in „ensuite“, Jan. 09, Seite 17.

Internet:

Website: www.beatricegysin.ch