Erbschaft Bruno Meier an Pasquart 2010

Fand in Biel eine Verbündete

 www.annelisezwez.ch     Annelise Zwez in Bieler Tagblatt vom 3. März 2010

Die Stiftung Sammlung Pasquart erbt von Alice Meier (1914-2009) nicht nur den gesamten Nachlass ihres Künstlergatten Bruno Meier (1905-1967), sondern auch einen Geldbetrag in Höhe von 850’00 Franken.

„Wir, die wir ihn kennen, wir sind Verbündete“, sagte „Frau Bruno Meier“ – wie sich die Witwe des Künstlers nannte – anlässlich der Ausstellung  zum 100sten Geburtstag von Bruno Meier im Kunsthaus Pasquart, 2005. Mit ihrem Testament macht die  sich seit Jahrzehnten für das künstlerische Vermächtnis ihres Gatten Einsetzende nun klar, dass das Pasquart die entscheidende Verbündete ist. Das war nicht immer klar, denn für die Öffentlichkeit wieder entdeckt wurde das Werk des meditativen Spät-Kubisten 1983 von Peter Killer in seiner Ära als Direktor des Kunstmuseums Olten.

Doch weil Bruno Meier in den 1940er-Jahren in Biel lebte und hier die wichtigsten künstlerischen Entwicklungsschritte vollzog, gab Alice Meier schliesslich Andreas Meier, damals Direktor des Kunsthaus Pasquart, den Vorzug.  Im Rahmen der zweiten Ausstellung mit Werken Bruno Meiers im Pasquart kam es 1997 zu einem 230 Zeichnungen und 70 Ölbilder umfassenden Deponatsvertrag, verbunden mit einer Geldsumme in Höhe von 50 000 Franken für die Betreuung in den folgenden zehn Jahren.

Nun werden diese Werke sowie zahlreiche weitere, die sich noch im Besitz von Alice Meier befanden, Eigentum der von Heidi Schwab präsidierten Stiftung Sammlung Pasquart. Doch damit nicht genug. Die Sammlung erhält zusätzlich das gesamte Finanzportfeuille der 2009 ohne direkte Nachkommen verstorbenen Künstlerwitwe in Höhe von rund 850 000 Franken. Alice Meier wäre  nicht eine der schillernden Künstlerwitwen gewesen – man denke an Annelies Itten, an Charlotte Kerr (die Witwe Dürrenmatts) an Madeleine Kemeny – wenn sie nicht bis zum Schluss ein Geheimnisse gehütet hätte, nämlich die an die Erbschaft geknüpften Bedingungen, insbesondere jene der Geldmittel.

So wurde erst mit dem Testament bekannt, dass die Erbin die 1989/90 gegründete  Stiftung Sammlung Pasquart ist und nicht das Kunsthaus. Das mag für Aussenstehende spitzfindig sein, ist aber relevant, denn damit ist klar, dass das Geld nicht für den Ausstellungsbetrieb, sondern zum Beispiel für die dringend notwendige Inventarisierung der Sammlung zur Verfügung steht. Präzise heisst es in den Bestimmungen, dass das als „Fonds Bruno Meier“ bezeichnete Vermögen für Aktivitäten, die in einem weit gefassten Sinn mit dem Werk Bruno Meiers zu tun haben, direkt angetastet werden darf. Für Eigenaktivitäten der  Stiftung Sammlung Pasquart – vor allem Ankäufe – steht der Erlös aus allfälligen Verkäufen von Werken Bruno Meiers sowie die Vermögenserträge zur Disposition. Das grosse Kaufen steht also nicht an, aber es öffnen sich der finanziell in einem engen Korsett arbeitenden Stiftung  dennoch klar neue Horizonte. Umsomehr als der Testamentsvollstrecker – der  in Biel aufgewachsene Zuger Notar Markus Neuenschwander – bereit ist den Spielraum des Testaments grosszügig zu interpretieren.

Der im Dezember mit  Werken von Markus Rätz neu eröffnete erste Sammlungsraum im 1. Obergeschoss des Altbaus war bereits ein Zeichen des Aufbruchs.  Bis 2011 hofft die Stiftung, zwei weitere Räume eröffnen zu können, um der Sammlung im Pasquart-Betrieb wieder jene Bedeutung zu geben, die sie einst unter Andreas Meier hatte.

Aus aktuellem Anlass ist der Sammlungsraum nun neu dem Werk Bruno Meiers gewidmet. Gezeigt wird eine kleine Übersicht, die sowohl das Ehepaar Meier wie auch die Entwicklung des künstlerischen Oeuvres  seit den 1940er-Jahren greifbar werden lässt.

Die kleine Schau stellt – nicht zum ersten Mal – die Frage nach der Relevanz  von Bruno Meiers Kunstschaffen.  Stilistisch ist Meier mit seinen zwischen 1940 und 1967 in der Nachfolge von Cézanne erarbeiteten Porträts, Landschaften und Stilleben klar verspätet.  Aber gerade aus zeitlicher Distanz ist dies nicht das einzige Kriterium. Das die spirituellen Werte Cézannes stärker  als die formalen Aspekte betonende Werk Meiers kann heute durchaus als individuelle Vision interpretiert werden.  Vielleicht sogar als Utopie der Versöhnung von gegenständlichem Motiv und abstrakter Universalität. So betrachtet käme es dem Geist der amerikanischen Kunst der 50er- und 60er-Jahre plötzlich nahe. 


Es kommt hinzu, dass Bruno Meier für das lokale Biel in den 1940er-Jahren eine besondere Bedeutung hatte, war die „Moderne“ damals doch noch kaum im Seeland angekommen. 1941 fand in der Cécil-Bar die erste Ausstellung statt. Es folgten weitere 1958 (Sélection Biel), 1976  im Kunsthauskeller und 1980 in der Alten Krone. 1984 folgt der ersten Ankauf durch die Stadt Biel, danach erste Schenkungen, 1992 der erste Auftritt im Pasquart. So betrachtet ist es ein Gewinn für Biel, dieses singuläre Werk zu besitzen. Umsomehr als das Abseits des Künstlers zu Lebzeiten dafür gesorgt hat, dass „Nachlass“ in diesem Fall nicht „Rest“ bedeutet, sondern rund die Hälfte des Gesamtschaffens ausmacht.

 

Bruno Meier

1905 in Zürich geboren. Lehre als Automechaniker.

1930-35 besucht Abendkurse an der Kunstgewerbeschule Zürich

1936/37 Entschluss als freier Maler zu leben. Kurse an der Accademia in Florenz und der „Grande Chaumière“ in Paris.

1941-48 Wohnsitz in Biel. Alice Meier arbeitet als Lehrerin.

1948 Umzug nach Zürich. Übernimmt das Atelier von Heinrich Müller, der Lehrer an der Kunstgewerbeschule Biel wird.

1967 Retrospektive im Helmhaus Zürich

1983 Retrospektive im Kunstmuseum Olten. Erscheinen der bisher einzigen Monographie.

1992/97/2005 Ausstellungen im Kunsthaus Pasquart

1997 Deponatsvertrag

2010 Die Stiftung Sammlung Pasquart erbt den gesamten Nachlass