Impression – Jahresausstellung Kunsthaus Grenchen 2010

Methoden machen Ausstellungen

www.annelisezwez.ch    Annelise Zwez in Bieler Tagblatt vom 8. Dezember 2010

Das Kunsthaus Grenchen zeigt zum dritten Mal „Impression – Ausstellung für Druckgrafik“. Dank einer geschickten Balance zwischen Wettbewerb und Auswahl ist ein spannendes Ensemble entstanden.

65 Kunstschaffende, die ihre Werke in irgendeiner Form drucken, haben sich um einen Platz in der Jahresausstellung in Grenchen beworben. Bedingung für das Einreichen eines Dossiers war eine Tätigkeit im Mittelland oder die Herkunft aus der diesjährigen Gast-Region, will heissen der Innerschweiz. Die Fach-Jury mit Christoph Lichtin, Anja Sitter und Marcel Peltier hat 18 Positionen ausgewählt. Das entspricht dem Prozentsatz  bei vergleichbaren Auswahl-Prozeduren. So kamen zum Beispiel Arbeiten von Adrien Jutard, Patricia Schneider, Jörg Mollet, Lex Vögtli und Katrin Hotz in die Ausstellung.

Doch das ist nur die eine Seite. Grenchen räumt der Jury die Freiheit ein, parallel zu den Bewerbungen Künstler und Künstlerinnen aus den vorgegebenen Regionen einzuladen, die ihrer Ansicht nach Spannendes im Bereich „Druck“ zu zeigen haben. Nicht weniger als 19 lud das diesjährige Gremium ein und 18 von ihnen haben zugesagt, was für Direktorin Eva Inversini die schönste Legitimation für den von ihr entwickelten Ausstellungsmodus bedeutet.

Über diesen Weg kamen unter anderem Werkgruppen von Ian Anüll, Raffaella Chiara, Rolf Winnewisser, Christoph Rütimann, Vaclav Pozarek, Annelies Strba in die „Impression“.

Diese doppelte Strategie sichert eine qualitativ gute Mischung von weniger bekannten oder noch sehr jungen Positionen bis zu national bedeutsamen. Man ist versucht zu sagen: Methoden machen Ausstellungen.

Ganz spezifisch für dieses Jahr ist die Haltung der Jury gegenüber der Definition von Druckgrafik, die dank entsprechenden Eingaben so offen, ja sogar provokativ interpretiert wird wie nie zuvor. Die Druckgrafik ist im Umbruch, so hat man den Eindruck. Insbesondere die Schnittstelle zur Fotografie wird angeritzt, in dem am Bildschirm überlagerte oder anderswie bearbeitete Fotografien, die in einer limitierten Edition als Injekt-Prints, Pigment-Plots oder ähnlichen Verfahren gedruckt werden, als Grafik präsentiert werden. Dann gibt es neben bekannten Verfahren wie Lithographie, Serigraphie, Holzdruck aber auch Hinter-Folien-Drucke, Photopolymerclichés, Hektografien und Aquatintas auf Digitaldruck auf Büttenpapier auf Aluminum. Auffallend sind ferner eine Vielzahl von Mischtechniken, zum Beispiel die Kombination von Aquarell und Linoldruck oder Siebdruck und Zeichnung auf Holz. Den Vogel schiesst aber Anselm Stalder ab, der vier (fast) gleiche Aquarelle in einem Rahmen zeigt und so den Begriff von Unikat und Vervielfältigung zur Diskussion stellt.

Die Ausstellung ist indes mitnichten eine Schau der Techniken. Die Jury suchte erfolgreich jene Positionen, die sowohl technisch wie inhaltlich spannend sind, wobei die Grenze zur Illustration offensichtlich sehr eng gezogen wurde. Da sind zum Beispiel als eine Art Druck-Umkehr-Variante zwei „Wandflächen“ von Eva Maria Martin und Anna-Sabina Zürrer, die Werbedrucke abgeschliffen haben; das Farbpulver steht in einem Labor-Gläschen dabei. Dann nahmen sie eine Zeitung und rieben einzelne Bildfragmente durch, sodass das einstige Plakat nun Spuren einer ganz anderen Erzählung zeigt.

Geradezu einen Assoziationswirbel lösen die drei Kleinformate von Haus am Gern (Biel) aus. Dass man die gepixelten Hektografien mit 3D-Brillen betrachten muss, gibt ihnen etwas Kinohaftes. Zu sehen ist ein Hemd, ein Apfel und ein Hemd mit einem Apfel vor der Brust. Vom Big Apple über das Mac-Signet bis zu Wilhelm Tell liegt alles an Ideen drin; wer will kann sogar an die Morddrohungen gegenüber Wikileaks-Chef Julian Assange denken.

Gleichsam eine Bieler Überraschung bieten die „Inkjet-Transfer auf Baumwolle“ von Lorenzo le kou Meyr, der Landschafts-Abbildungen mit einer oder mehreren kartographischen Strukturen überlagert und so verschiedene Seh-Weisen kombiniert.

Dass sich selbst Druckgrafik und Installation nicht  widersprechen, zeigt „The last bad one“ von Manuel Burgener. Der wandfüllende, schwarz-weisse Laserdruck mit rückseitiger Metall-Stütze zeigt in verblüffenden Überlagerungen und Bild-Umkehrungen eine götzenartige Gestalt auf einem fiktiven Schafott. In A4-Blätter dekonstruiert ist die Arbeit auch als „Buch“ zu haben. Wer’s subtiler und leiser vorzieht beachte den Plot „Weder Schaf noch Vogel“ von Sonja Kretz oder die seriellen, geometrischen Abfolgen von Peter Gysi. Und damit das Lachen nicht zu kurz kommt, gibt’s da auch noch die „bellenden“ Hunde-Monotypien von Jill Wäber.

Traditionell versteht sich „Impression“ auch als Plattform für Hochschulen, an welchen Druck-Techniken zum Ausbildungsprogramm gehören. Dieses Jahr hat  die Hochschule der Künste in Luzern eine Werkstätte mit breiter Palette eingerichtet.

Bis 23. Januar. Mi-Sa 14 – 17, So 11 – 17 Uhr. 24./25./26./31. Dez. + 1./2. Jan. geschl.

Bildlegenden:

„The last bad one“, Installation von Manuel Burgener

„Vertigo“ – Inkjet-Print auf Baumwolle – Lorenzo lekou Meyr