timeless – Themeausstellung Kunsthaus Grenchen 2010

Welche Zeit hat die Seele?

www.annelisezwez.ch         Annelise Zwez in Bieler Tagblatt vom 8. September 2010

Es ist nahe liegend sich in Grenchen mit der Zeit zu befassen, sagt Kunsthaus-Direktorin Eva Inversini. „timeless“ heisst die Ausstellung, in der sie 10 meist jüngere Schweizer Positionen zeigt.

 

Die Zeit ist eines der meistbearbeiteten Themen von Kunstausstellungen. „Yesterday will be better“ im Aargauer Kunsthaus beschäftigt sich ebenso damit wie „timeless“  im Kunsthaus Grenchen. Es hängt von den Kuratierenden ab, ob das, was sie zeigen, ein Aufguss ist oder eigenen Charakter hat.

Eva Inversini beweist zunächst, dass es nicht zwingend eine internationale Jet-Set-Künstlerschaft braucht, um das Thema einzukreisen. Sie zeigt Fotografien, Malerei, Videos, Objekte, Installationen sowie eine Audio-Arbeit von zehn  Schweizer Kunstschaffenden: Judith Albert, Eberli/Mantel, Saskia Edens, Lena Eriksson, Esther Ernst, Sarah Hugentobler, Sara Rohner, Roman Signer, Jules Spinatsch und René Zäch.

Die beiden Einzelobjekte von Roman Signer und René Zäch befassen sich unmittelbar mit der Zeit. Signer hat einer Wanduhr mit einem Revolver den kleinen Zeiger weggeschossen und die Zeit damit „tot geschlagen“. Bei  Zächs Wanduhr sind die Zeiger eingefräst, die angegebene Zeit hängt somit davon ab, wie man sie aufhängt. Es ist spannend, die Objekte der beiden derselben Generation angehörenden bekannten Schweizer Künstler erstmals nebeneinander zu sehen; provokativ das eine, still und hintergründig das andere, humorvoll beide.

Auch das köstliche, eine Art „ Lebenshilfe“ im Umgang mit Zeit thematisierende Video von Sarah Hugentobler (geb. 1981, Bern) fokussiert das Thema direkt.  Die übrigen Werke sind nicht als Zeit-Kunstwerke konzipiert, werden aber aufgrund ihrer künstlerischen Inhalte zu solchen, sobald sie von einer Kuratorin in einen entsprechenden Kontext gestellt werden.

An diesem Punkt zeigt sich über die Kunstwerke hinaus, ob eine Themenausstellung stringent ist oder auch nicht.

Eva Inversini hat ihrer Annäherung an die Zeit den Titel „timeless“, zeitlos, gegeben; sie versucht sie vorab dort zu greifen, wo sie uns fassungslos macht, weil wir die Unmöglichkeit spüren, sie als rationalen Faktor in unser Leben einzuordnen. In Kombination mit einer Werkauswahl von sehr persönlichem Charakter holt sie das grosse Thema hinunter auf Alltägliches und dennoch Existentielles; das gibt der Ausstellung mehrheitlich etwas Berührendes wohltuend Bescheidenes.

Da ist etwa eine raumgreifende Fotografie von Andrea Mantel und Simone Eberli (geb. 1966/72, Zürich), welche eine alte Frau mit ihrem Urenkel auf dem Schoss in Lebensgrösse zeigt und uns die Zeit im Rhythmus der Generationen spüren lässt. Und da ist das installativ in den Raum gehängte „Tagebuch“ von Esther Ernst  (geb. 1977, Basel/Berlin), das zufällig gewählte Postkarten aus aller Welt und aus verschiedenen Zeiten mit persönlichen Notizen und Zeichnungen zu einem nicht mehr verortbaren Lebenslauf  fügt. 

Nur scheinbar auf einer rationaleren Ebene sind die drei Arbeiten von Judith Albert (geb. 1969, Zürich), die drei Videos von einer Minute Länge in ihre je 1500 Einzelbilder dekonstruieren und ausgedruckt als Buch-Objekte zum Blättern präsentieren. Zeit und Bildfülle werden zu einem irritierenden, weil nicht mehr fassbaren Phänomen. Einen vergleichbaren Ansatz verfolgt  die 4000teilige Panorama-Foto einer Parlamentssitzung von Jules Spinatsch (geb. 1964,Zürich), welche die Gleichzeitigkeit von Web-Cam-Bildern aus unterschiedlichen Blick-Winkeln zu einem verwirrenden Puzzle fügt.

Der Fragen sind viele. Zum Beispiel auch jene nach der Zeit in den immateriellen Bildwelten unseres Weltempfindens. Inversini zeigt hiezu unter anderem Arbeiten von Sara Rohner (geb. 1964, Baden/La Neuveville). In „Seelenraum“  respektive kleinformatigen „Seelenkarten“ ummalt die im Seeland aufgewachsene Künstlerin Figuren aus Zeitungsfotos mit fiktiven, architektonischen Räumen, so dass sie zu schwebenden, nachdenklichen, scheinbar aus Raum und Zeit hinaus schauenden Gestalten werden.  Weitet sich hier das Zeitlose nachhaltig, bleibt es anderswo anekdotisch; etwa im „Märzangebot“ von Saskia Edens (geb. 1975, Basel), das in Form eines Videos in einem Goldrahmen exotische Früchte im Schnee zeigt.

Bis 31. Oktober 2010. Offen: Mi – Sa 14 –  17, So 11 – 17 Uhr.

Als Rahmenprogramm bietet „timeless“  unter anderem „Zeitreise Suprise“ an, eine kombinierte Führung durch die Ausstellung und anschliessend durch die Produktionsstätten der Uhrenfirma „ETA“.

Daten: 24. Sept., 6./8./20. Oktober, je 13.45 – 16.15 Uhr.

Anmeldung: info@kunsthausgrenchen.ch oder 032/ 652 50 22.

Grenchner Kulturnacht: Samstag, 25. September ab 16 Uhr.

Link: www.kunsthausgrenchen.ch

Bildlegenden:

Buch-Objekt „Voyage“ von Judith Albert. Bild: zvg

 „Seelenkarte“ von Sara Rohner, Eitempera auf Zeitungspapier, 10 x 15 cm, 2010. Bild: zvg