Weihnachtsausstellung Centre Pasquart Biel 2010

Der gute Ruf steht auf dem Spiel

 www.annelisezwez.ch      Annelise Zwez in Bieler Tagblatt vom 4. Dezemer 2010

Vielerorten als „Pflichtübung“ verschrien, sind dieJahresausstellungen der mit einer Region verbundenen Kunstschaffenden beim Publikum nichtsdestotrotz beliebt. In Biel steht heuer freilich der gute Ruf auf dem Spiel.

41 Kunstschaffende von  Lis Aeberhard über Chri Frautschi bis Daniel Zahner bestreiten mit ihren Werken die diesjährige Weihnachtsausstellung im Museum Pasquart. Es ist unter qualitativen Auspizien eine der weniger überzeugenden Ausstellungen der letzten Jahre. Was nicht heisst, dass man nicht trotzdem Überraschendes entdecken kann.

Verantwortlich für Konzept, Auswahl und Hängung ist, wie immer, der Kunstverein Biel.  Um der Tradition Lebendigkeit zu verleihen, sucht der Vorstand immer wieder neue Auswahl-Methoden. Dass dabei auch mal eine Idee scheitern kann, liegt in der Natur der Sache.  Leider ist das heuer der Fall. Die Grundüberlegung war sympathisch. Man wollte die über 1000 Vereinsmitglieder als kompetente Kunstliebhaber ansprechen und erklärte sie zur Jury. Im Zeitalter des Internet sollten sie aus elektronisch eingegangenen Dossiers 40 Kunstschaffende auswählen, die anschliessend in Eigenveranwortung eine Gruppe von Werken ins Kunsthaus bringen. Obwohl seitens der Künstlerschaft früh von „Vetterliwirtschaft“ die Rede war, standen letztlich 137 Auswahlmöglichkeiten – das sind rund 20 Eingaben mehr als in früheren Jahren – zur Verfügung. Aber: Der Kunstverein überschätzte die Fähigkeit und die Lust ihrer Mitglieder, sich als interaktiv Jurierende zu betätigen. Nur gerade 139 oder 14% nahmen ihre Aufgabe war.  Und clickten vor allem ihnen bekannte Namen an und – dies eine Behauptung –  seltener künstlerisch ausgewiesene Werke. Mag sein, dass auch Lobby-Arbeit geleistet wurde.

Fazit: Gesamt gesehen sind zu viele Werke versammelt, die eine überregionale Fachjury mit neutralem Blick wohl kaum angenommen hätte. Das macht die Ausstellung sehr lokal und vergrössert möglicherweise die Unlust überregional bedeutender Künstler und Künstlerinnen, die mit Biel verbunden sind, fortan mit von der Partie zu sein; noch mehr als bereits bis anhin.

Es kommt hinzu, dass viel zu wenige der Ausgewählten die Chance der „carte blanche“ gepackt haben und – da ihnen niemand drein redet – das zeigen, was sie einer Jury vielleicht nicht vorgelegt hätten. So wie zum Beispiel d&f Cartier, die nach Jahren experimenteller Fotografie eine Wand-Installation mit verführerischen Glanzstücken präsentieren und damit die Erinnerung an frühe Arbeiten von Françoise C. aktivieren. Oder Pat Noser, die auf einer saftig grünen Wandmalerei eine Vielzahl fleischlich-lüsternerner Miniaturen platziert hat. Zu nennen sind hier sicher auch die einem schauderlich wirbelnden Lebens- und Toten-Tanz“ entsprechende Raum-Installation von Monsignore Dies respektive die comic-nähere Version des Hard-Rock-Themas in der Wandinstallation von Christophe Lambert.

Es gibt auch Leiseres, das positiv auffällt – etwa Michéle Dilliers allererstes Video, das Aufscheinen und Abtauchen fast unbemerkt vorüberziehen lässt oder die schwarze langarmige Wand-zu-Wand-Skulptur von Aurélie Jossen. Die junge Romande erhielt für ihre Körperlichkeit subtil umsetzende Werkgruppe verdientermassen den diesjährigen Prix Kunstverein in Höhe von 1000 Franken.  Überraschend sind des weiteren die an Gedankenformen erinnernden Verknüpfungen von Verena Lafargue Rimann und die Wolf und Skelett kombinierenden Fotografien von Chantal Demierre (geb. 1982), eine der wenigen unbekannten Namen im Register der diesjährigen Ausstellung.

Eine besondere Note gibt der Schau das Video von Yvan Kohler, der die mit dem Tod vieler alter Bäume verbundene Erneuerung der Seevorstadt in einer emotional Anteil nehmenden Dokumentation festgehalten hat.

Angesichts der heterogenen Qualität war es für Hannah Külling schwierig, eine stimmige Ausstellung zu inszenieren; die Präsentation kommt denn auch nicht über eine  gewöhnliche Gruppenausstellung hinaus.

Ein von der Jahresausstellung unabhängiges Highlight ist die Installation von Luc Mattenberger (geb. 1980) in der Salle Poma. Der Genfer Künstler hat den vom Kunstverein ausgeschriebenen und von Dolores Denaro jurierten  „xmas+“ –Wettbewerb gewonnen. Obwohl mit 5000 Franken dotiert, gingen leider nur zehn Vorschläge ein, aber was soll’s, wenn ein Konzept mit dabei ist wie dasjenige Mattenbergers. Es schreibt ein neues Kapitel in die Verwandlungen des Saales. Eine übereck installierte, vom Boden bis zur Decke reichende Kautschuk-Membran setzt den Akzent. Über ein den Raum diagonal teilendes Drahtseil, das einen an der Membran befestigten Metall-Deckel mit einer motorbetriebenen Spule verbindet, atmet die weiche, schwarze Wand kontinuierlich ein und aus. Es ist als wäre die Architektur des Raumes auf einmal ein lebendiger Organismus. Faszinierend.

 Bis 2. Januar 2011

 

Anderfuhren-Preise für Hofer und Freymond

Hauptpreisträgerin der diesjährigen Vergabungen der Stiftung Ernst Anderfuhren ist Sophie Hofer (geb. 1981). Die Preissumme beträgt 10 000 Franken. Die in Tschugg lebende und in Zürich das Master-Studium im Bereich „Bilden&Vermitteln“ absolvierende Künstlerin wird für  den „stringenten konzeptuellen Ansatz“ ihres „partizipatorischen“ Schaffens auszeichnet.

Das kann konkret heissen: Die Künstlerin sammelt in Tschugg Fäden und näht mit dem Rosshaar, der Zahnseide, den Woll- und Seidenfäden einen Dorfplan mit den Häusern, in denen sie Fäden erhielt. Und macht daraus einen Adventskalender, das heisst das Bild wandert im Dezember 2009 von Haus-Nummer zu Haus-Nummer und die Bewohner öffnen an „ihrem“ Tag ihre Türen.

Das kann aber auch heissen: Sie übergibt der Gemeinde Vaduz (Juni 2010) mit einer brillant vorgetragenen Rede eine lebendige Skulptur, ein in Kunststoff gegossenes „Stehaufmännchen“, in dem ihr Künstlerkollege Simon Kindle (temporär) sitzt.

Sophie Hofer vertritt mit ihrer Haltung einen aktuellen künstlerischen Trend, der geschlossene Ausstellungsräume meidet und sich dem Dialog mit Menschen widmet. Ihr Raum im Museum Pasquart im Rahmen der Jahresausstellung erzählt in vielleicht fast zu unspektakulärer Weise von  diesen spannenden Aktionen. Wer die im Raum Biel unter anderem als Mitinitiantin des Kunstmuseums Bözingen in Erscheinung getretene Künstlerin kennen lernen möchte, hat dazu Gelegenheit an einer „Persönlichen Präsentation“ am Sonntag, 19. Dezember 16.30 Uhr.

Der Anerkennungspreis in Höhe von 2000 Franken sprach die Jury unter dem Vorsitz von Betty Stocker dem 27-jährigen Bieler Maler Marcel Freymond zu. Der Absolvent der Bieler Schule für Gestaltung fiel schon seit einigen Jahren durch ebenso grosszügige wie persönliche Bleistift-Zeichnungen auf. Auch nach der Akzentverschiebung auf Malerei überzeugt  er durch die „konstante Recherche nach der Zusammenführung von Bildinhalt und Technik“. Konkret übernimmt er das Fliessende der Farbe in den „Fluss“ der Landschaft, die so in Bewegung gerät, was ebenso romantische wie bedrohliche Assoziationen auslösen kann.

Erstaunlich und nicht ganz begreiflich ist, dass der Jury heuer lediglich elf Bewerbungen vorlagen. An der Qualität der Vergabungen ändert das freilich nichts.

 

The City proudly presents

Es war die verlockende Zahl 007, welche die Kunstkommission der Stadt Biel auf die Idee brachte, die Werkankäufe der letzten vier Jahre einem Film gleich zu präsentieren, mit Kapiteln wie Maskeraden, Kulissen, Szenen und Fiktionen. Daher auch der englische Titel „The City of Biel proudly presents“. Das mag etwas aufgesetzt sein, gibt der schwierigen Aufgabe, aus verschiedensten Kontexten für die Sammlung der Stadt Biel angekaufte Werke zu präsentieren, aber eine Struktur und das ist gut so.  Unter Kulissen zeigt Kuratorin Catherine Kohler  zum Beispiel die immer noch begeisternde Dia-Sammlung, die Taiyo Onorato&Nico Krebs 2008 im Rahmen der Bieler Fototagen zeigten, unter Maskerade drei maskierte Selbstporträts von Pat Noser, unter Fiktionen drei dichte Kugelschreiber-Zeichnungen von Matthias Wyss und unter Szenen unter anderem ein Stilleben auf Papier von Gian Pedretti.

Im direkten Nebeneinander schwieriger nachzuvollziehen ist der im Sammlungskonzept angelegte Widerspruch zwischen dem Medium Fotografie, das national/international gesammelt wird, während bei allen übrigen Medien ein Regionalbezug notwendig ist. Nichtsdestotrotz geht aus der Ausstellung klar hervor, dass die Stadt Biel eine bedeutende Kunstsammlung besitzt und diese mit einem Budget von 100 000 Franken im Sinne einer gezielten Kunstförderung auch kontinuierlich äufnet. Ganz wesentlich ist dabei, dass die Bieler Kunstsammlung nicht nur ausschnittweise sondern als Ganzes im Internet zugänglich ist und so der Kunstgeschichte, Kuratoren und weiteren Interessierten jederzeit zur Verfügung steht.

Link: www.biel-bienne.ch/ww/de/pub/aktiv/kultur/kunstsammlung.cfm

 

Die letzte ihrer Art?

Es ist möglich, dass die Bieler Weihnachtausstellung 2010 die letzte ihrer Art ist.

Auf Initiative von Fanni Fetzer (Langenthal) und Helen Hirsch (Thun) laufen zurzeit  Diskussionen die sieben lokalen Berner Jahresausstellungen in ein Netz von „Regionalen“ nach Basler Muster überzuführen.

Im Raum Basel werden aktuell an neun Orten von Basel-Stadt über Riehen und Liestal bis Hegenheim und Freiburg i. Br. Werke von Kunstschaffenden aus dem Dreiländer-Eck gezeigt.

Die Institutionen wählen dabei aus einem überregionalen Dossier-Pool aus, welche Werke von welchen Künstler und Künstlerinnen sie unter welchem Thema zeigen möchten.

Im Kanton Bern entstünde damit eine die einzelnen Regionen übergreifende Gemeinschaft von Interlaken bis Moutier;  eine Art gesamtbernische Kunstlandschaft.

Noch ist nichts definitiv beschlossen.                              

 

 

 Bildlegenden:

Blick in die Ausstellung  (im Vordergrund ein Werk von Suzanne Castelberg).

Blick in die Installation von Musiker, Künstler, Kurator Monsignore Dies
Kunstvereinspräsidentin Judith Luks stellt die Trägerin des Prix Kunstverein vor (Aurélie Jossen). Von der Decke hängen die „Brüste“ von Franziska Beck.
Sophie Hofer anlässlich der Performance in Vaduz im Juni 2010