www.annelisezwez.ch     Annelise Zwez in Bieler Tagblatt vo 23. Juli 2011rpk-tramplin

Die Bieler Fototage feiern heuer Jubiläum. Im September gehen sie zum 15ten Mal über die Bühne. 37 Fotoschaffende zeigen an 12 Orten 25 Foto-Essays zum Thema „Zeit“.

Die Zeit war seit der Erfindung der Fotografie im 19. Jahrhundert ein zentrales Moment. Entsprechend unspektakulär erscheint das Thema „Zeit“ für die 15. Bieler Fototage. Unzählige Ausstellungen und Foto-Festivals haben sich damit befasst. „Das Thema“, so Cathérine Kohler, Co-Direktorin der Bieler Fototage, schien uns zum Jubiläum sinnvoll, es war aber tatsächlich eine viel grössere Knacknuss als wir es uns vorstellten“.

Anders ausgedrückt: Wenn ein Thema abgegrast scheint, kommt der Kuratorenschaft – in diesem Fall Cathérine Kohler und Hélène Joye-Cagnard – eine ganz besondere Bedeutung zu. Gelingt es ihr, das Thema anders anzugehen oder solche Fotoqualität herbeizubringen, dass letztlich nur sie zählt? Der als Entwurf vorliegende Katalog zu „Le temps fait son oeuvre“ (Der Zahn der Zeit nagt) ist vielversprechend.

Die Fototage werden nicht nur mehr und zahlreiche neue Fotoschaffende nach Biel bringen, sie werden auch internationaler als in den letzten Jahren sein. Das annähernd doppelt so hohe Budget, das mit gut 250 000 Franken allerdings immer noch Grenzen setzt, macht manches möglich. Zum Beispiel die Unterstützung eines  Bieler Projektes: Andrea Good, die ausserordentlichste Schweizer Camera Obscura-Künstlerin, belichtete den kürzlichen Abbruch der Vereinigten Drahtwerke von benachbarten, in Dunkelkammern verwandelten Büros aus.

In Goods Projekt kommt sowohl dem „klassischen“  Thema der Belichtungszeit Bedeutung zu, integriert das Thema „Zeit“ aber auch inhaltlich durch Abbruch und Freiraum für Neues. Die Arbeit heisst denn auch „Es ward/es wird“. Das Projekt ist ein guter Spiegel für die Art und Weise wie Kohler/Joye-Cagnard ihr Konzept aufbauten. „Anfänglich“, so Kohler, „interessierte uns vor allem welche experimentellen Möglichkeiten die heutige Technik den Fotoschaffenden erlaubt. Bald merkten wir jedoch, dass technische und inhaltliche Zeit-Themen sich verschränken müssen“.

Gespannt sein darf man hierbei zum Beispiel auf die Aufnahmen des bekannten amerikanischen Fotografen John Divola (geb. 1940 in Los Angeles). Er arbeitet mit der Gigapan-Technologie, die Panorama-Bilder in höchster Auflösung ermöglicht. Im Essay „As far as I could get“ rennt er so weit er kann, während die Kamera ihn aufnimmt und damit seine Zeit einbrennt, was, bezogen auf sein Gesamtschaffen, als Methapher für Lebenszeit interpretiert werden darf.

Erneut setzen Kohler/Joye-Cagnard nicht einseitig auf allerneuste Foto-Essays, sondern konzentrierten sich bei ihren Recherchen in Ausstellungen, an Fotofestivals, im Internet usw. auf thematische Relevanz. So wird man auch Bekanntem wieder begegnen wie zum Beispiel den „Fernseh-Zeit“-Aufnahmen von Georg Aerni (geb. 1959 in Winterthur) – Bilder von Hong Kong zur Abendzeit, wenn TV-Licht die Hochhaus-Fenster erhellt (1999/2000).

Eine Balance suchen die Kuratorinnen bezüglich „Lokal/National/International“. Vor 15 Jahren als die „Foux d’Images“ die Fototage gründeten und auch zu Zeiten des Gespanns Juillerat/Stoll waren die Fototage international respektive frankophon geprägt und überdies stark auf die Reportage-Fotografie ausgerichtet. Was mit der Zeit Kritik auslöste. Mit Barbara Zürcher hielt nicht nur die Deutschschweiz Einzug, es fand auch eine verstärkte Hinwendung zu inhaltlich-emotionalen Themen statt („De la mort à la vie, de la viel à la mort“). Kohler/Joye-Cagnard versuchen seit 2007 den Spagat zwischen diesen Möglichkeiten. Mit Erfolg, denn trotz rapid steigender Konkurrenz ist es gelungen, die Bieler Fototage immer nachhaltiger in die Agenda der Fotofreaks (und darüber hinaus) einzuschreiben.

Die Balance heisst auch Einbezug von Fotoschaffenden aus Biel. Heuer sind f&d cartier mit dabei – sie zeigen eine der wenigen konzeptuellen Essays – ferner Enrique Muñoz García und „Das doppelte Lottchen“ (Hannah Külling/Carla Etter); letztere mischen sich fotografisch in bekannte (Frauen)-Figurenszenen der Kunstgeschichte.

Info: 2. bis 25. September. 12 Orte zwischen Weyermann-Keller, Photoforum, Villa, Alte Krone. Reiches Rahmenprogramm.

 

Bildlegenden:

Das Doppelte Lottchen

Martin Klimas

Bilder: zvg