Freilichtausstellungen Môtiers Bex Mühledorf 2011

Das Wandern ist des Künstlers Lust

www.annelisezwez.ch     Annelise Zwez in Bieler Tagblatt vom 3. August 2011

Seit 30 Jahren gehören Freilichtausstellungen zum Programm des Schweizer Kunstbetriebs. Gibt es da noch Neues? azw hat sich in Bex, in Môtiers und in Mühledorf (SO) umgeschaut.

Nein, künstlerisch wirklich Neues bieten die Installationen der zwei grossen und der kleinen Freilichtausstellungen in Môtiers, Bex und Mühledorf nicht. Aber: Die drei Reisen ins Val de Travers, in den Park von Silazzy und die Landschaft des Buechibärg waren wunderschöne Ausflüge. Weil nicht nur das Publikum das Erlebnishafte der mannigfaltigen Verbindungen von Kunst und Natur liebt,  sondern auch die Kunstschaffenden nicht müde sind den Natur-Räumen ihre Ideen einzupflanzen, hält sich die Tradition erstaunlicherweise (fast) ohne Einbussen.

Môtiers und Bex sind die traditionsreichsten, seit den 1980er-Jahren finden sie  in Drei- bis Vierjahresabständen im selben Gelände statt, was zur Folge hat, dass sich Erinnertes und Gegenwärtiges vermischen. Im Gegensatz zur Bieler „Plastikausstel-lung“, die längst international angelegt ist, sind Môtiers und Bex primär Plattformen für hier tätige Künstler und Künstlerinnen, beide aber erfreulicherweise auf gleichen Niveau welsch und deutschschweizerisch. Die „Feldforschung“ im Solothurnischen findet hingegen erst zum zweiten Mal statt und ist (mit Ausnahmen) eher regional angelegt.

Hinter Môtiers steht seit Anbeginn das ortsansässige Ehepaar Marie und Pierre-André Delachaux und mit ihnen das halbe Städtchen. Künstlerisch werden sie von einer Jury unterstützt, welche den Kreis der Eingeladenen in den letzten Ausgaben deutlich erweitert hat. Heuer mit 70 Beteiligten leider so sehr, dass die einzelnen Werke dadurch tendenziell abgewertet werden. Weniger wäre mehr.

Bex war 25 Jahre gleichbedeutend mit Nicolas Raboud als Kurator. Jetzt hat er einer ganz jungen Crew Platz gemacht. Damit ist  auch die Ausstellung, die heuer den Titel „Territoires“ trägt, jünger geworden, aber sie hat auch etwas von jener Kohärenz verloren, die Raboud ihr einschrieb. Initiantin von „Feldforschung“ ist die Solothurner Künstlerin Beatrice Bader; sie hat für 2011 den Titel „Aufgetischt“ gewählt.

Welche der rund 130 Arbeiten werden sich in die langfristige Erinnerung einschreiben, weil sie in der unmittelbaren Begegnung eine Emotion ausgelöst haben, die haftet?  Alle Beispiele sind hier nicht aufzählbar, aber frappiert hat zum Beispiel die aufwändige Installation von Beat Lippert in Bex. Bestimmend ist in Bex die 180-jährige Parkanlage der britischen Familie Hope respektive Silazzy (seit 1950 im Besitz des Kantons Waadt). Ein kleiner Friedhof auf dem Plateau hält die Familie vor Ort präsent. Lippert hat nun in aufwändiger Arbeit die Grabmäler exakt nachgebaut und vor den Originalen platziert; sie sind nun keine Gräber mehr, sondern Denkmäler mit facettenreichen Assoziationsfeldern; das ist spannend und als geschichtsbezogene Kontextverschiebung typisch für den 34-jährigen Genfer.

Eine sehr schöne Kontextverschiebung hat auch die 41-jährige Loredana Sperini (Zürich) realisiert; sie hat weich und stimmig bemalte Fenster mitsamt Rahmen in einen Baum gehängt. Das Licht spielt darin und macht offensichtlich, was millionenfach Inspiration für die Malerei war und ist: Die Natur und das Licht.

Môtiers hat sich nie einem Thema unterzogen; „Art en plein air“ genügt. Wahrlich, denn die Hauptstadt der „fée verte“, trägt mit seiner 18.Jahrhundert-Architektur, mit Bach, Wald, Felsen  und Hochplateau  unerschöpflich viele „Geschichten“ in sich. Ein Markenzeichen hat heuer „HausamGern“ (Biel) geschaffen. Barbara Meyer Cesta und Rudolf Steiner haben eine frühe Evolutions-Skizze von Darwin als raumgreifend in die Landschaft ragende Skulptur bauen lassen. Auf ihrer Website fordern sie die Besuchenden vieldeutig auf, ausgetretene Schuhe mit nach Môtiers zu nehmen, sie an den Bändeln zusammenzuschnüren und über einen der Seitenarme der Skulptur zu werfen. Leider haben das noch nicht allzu viele gemacht.

Ein humorvolles und doch hintergründiges Zeichen hat der junge Genfer Thomas Bonny geschaffen; Môtiers als Palmen-Resort für die Zeit nach der Klima-Erwärmung. Arbeiten in dieser „Währung“ gibt es viele – dazu zählen ebenso Ben Vautiers Schrift „Je suis bien ici“, Serim Kellers farbige Tücher auf „Grossmutters“ Wäscheleine wie Sylvie Fleuries Wald-Wächter-Skuptur. Was Môtiers über weite Strecken fehlt, sind die grossen Würfe.

Auch in Mühledorf ist die Qualität unterschiedlich. Ein einprägsames „Bild“ ist der „Regenwassertisch“ von susanne muller (Prêles) inmitten eines Maisfeldes. In betont temporärer Form hat sie ein Zeichen für das in diesem Frühjahr so sehr vermisste Lebens-Elixier geschaffen. Eindrücklich sind aber auch Pavel Schmidts „bewaffnete“ Zwillings-Puffer, die aus grünem Hinterhalt überdeutlich auf die kriegerische Welt verweisen.

 

Info: Môtiers: bis 18. Sept.  Rundgang: 3 Stunden. Di – So 10 – 18 Uhr. Bex: Bis 25. Sept. Rundgang: 2 Stunden. Täglich 10 – 19 Uhr. Feldforschung Mühledorf:  Bis 18. Sept. Rundgang: 1 Stunde Mi – Fr  14 – 17 Uhr, Sa/So 10 – 17 Uhr.

Weblinks: www.bexarts.ch,www.artsmotiers.ch, www.feldforschung-buechibaerg.ch

 

Der Joker

Wer nicht Zeit hat, alle drei Ausstellungen zu besuchen… wo soll er oder sie hingehen?

Wer die Kunst der Region liebt, geht nach Mühledorf und wird belohnt. Besonders zu beachten: Die Installationen von Christoph Rhis, Daniela de Madddalena, Simone Zaugg, Monsignore Dies, Marc Reist, Norbert Eggenschwiler, Samuele Vesuvio.

Wer zwischen Môtiers und Bex werweisst, soll – subjektiv betrachtet – nach Bex fahren. Die Zahl der inhaltlich fundierten und formal überzeugenden Arbeiten ist hier grösser, z.B. jene von Daniel Robert Hunziker, Rudy Declière, Christina Hemauer/Roman Keller, Maya Bringolf und Daniel Berset.

Wer nach Môtiers fährt, achte auf  die Arbeiten von Christian Gonzenbach, Ingrid Wildi, Marie Velardi, Simon Beer, Roman Signer, Plonk&Replonk und Luc Mattenberger.

                                                                                                      

 

Bildlegenden von oben nach unten

Môtiers, HausamGern (Barbara Meyer Cesta Rudolf Steiner), „Charlies Shoe Tree“
Mühledorf, susanne muller, Regenwassertisch
Bex, Beat Lippert
Bex, Loredana Sperini
Mühledorf, Pavel Schmidt
Alle Bilder: azw