www.annelisezwez.ch    Annelise Zwez in Bieler Tagblatt vom 12. August 2011kahovka-service

 

Mit einem Sondereffort ihrer Präsidentin gelang es der Gönnervereinigung der Stiftung Kunsthaus-Sammlung Pasquart ein fünfteiliges Werk von Urs Lüthi für Biel zu erwerben.

Es war im Februar 2011. An einem Podiumsgespräch im Foyer des Centre Pasquart gibt der Schweizer Internationale Urs Lüthi ein engagiertes Votum für das öffentliche Sammeln von Kunst ab. Den Worten liess er Taten folgen. Er bot der Stiftung Kunsthaus-Sammlung Pasquart drei wichtige neuere Werke zu einem mehr als  50% reduzierten Preis an.  Wobei anzumerken ist, dass repräsentative Werke des 64-jährigen in München lebenden Luzerners auf dem Markt zu sechsstelligen Preisen gehandelt werden.

Jetzt ist die aus einem „Afrikaner“, einem „Ägypter“, einem „Buddha“, einem  „Präkolumbianer“ und einem „Prediger“ bestehende Skulpturengruppe aus der Serie „Art is the better life“ im Sammlungs-Raum des Kunsthauses als einer der bedeutendsten Ankäufe der Stiftung zu sehen. Es ist Präsidentin Heidi Schwab mit viel persönlichem Engagement gelungen über den jährlich von einem Gönnerverein geäufneten Betrag hinaus  Gelder zu akquirieren, um den Ankauf zu tätigen. Letztmals wurde ein solcher Effort geleistet als es 1995 galt den „Torso selbdritt“  von Markus Rätz für Biel zu sichern.

Urs Lüthi gehört zu den Pionieren einer Kunstrichtung, die sich um 1970 etablierte und von körperbetonten Performances aus Werke zu schaffen begann. Im Gegensatz zum Amerikaner Bruce Nauman, der damals vor allem seine Körper-Proportionen einsetzte, integrierte Urs Lüthi in seine frühen fotografischen Werke stets Momente persönlicher Befindlichkeit. „Urs Lüthi weint für sie“, war das Stichwort. Wobei Humor und Ironie stets mit dazu gehörten. Seit den 1990er-Jahren dockt das Werk Lüthis an dieses Frühwerk an, nun aber gereift und über sich selbst hinaus den Life-Style unserer Zeit karikierend; in fotografischen, malerischen, skulpturalen und installativen Werkgruppen. 2001 vertrat Lüthi die Schweiz an der Biennale Venedig; einen Teil der damaligen Installation mit dem Titel „Art for a better life“ reinszenierte der Künstler 2006  in der Salle Poma im Rahmen von Dolores Denaros Themenausstellung „Branding“.  Sein „Label“ war und ist dabei immer sein eigener Glatzkopf mit der typischen Nackenfalte. Damals zierte er unter anderem Hunderte von Henkeltassen mit Lebensweisheiten wie „Live slowly“ oder „waste your feelings“.

Im nun für Biel angekauften Werk sitzt dieser Kopf auf Gestalten von ca. 25  Zentimeter grossen, stehenden oder sitzenden Figuren mit kulturell geprägter Identität. Den „Prediger“ verorten wir unschwer in einer barocken Kirche, den „Buddha“ im asiatischen Raum usw. Die Werkgruppe, zu welcher die fünf 2009 in Aluminium gegossenen „Prototypes“ zählen, heisst nun nicht mehr „Art for a better life“, sondern „Art is the better life“. Damit positioniert Lüthi sein Schaffen näher bei sich selbst. Bezogen auf die Bieler Gruppe nicht nur weil er selbst in der katholischen Innerschweiz aufgewachsen ist und eine Sammlung afrikanischer und präkolumbianischer Kunst besitzt, sondern weil die fünf einzeln in Sockel-Vitrinen präsentierten Arbeiten auch klar Fragen ans Zusammenspiel der Kulturen, an die eigene Verortung stellen.

Wie weit die „Prototypen“ in den kommenden Jahren in weitere Werke des Künstlers einfliessen werden ist noch ungewiss, doch es ist schön ihre deutlich von Hand und damit auch vom unmittelbaren Denkprozess geformte Sprache in einer ersten Fassung  in Biel zu wissen. Wobei dies für beide Seiten gilt, das heisst sowohl für das Pasquart wie für den Künstler, der mit dem entgegenkommenden Ankaufs-Angebot ein weiteres seiner Werke an einem gesicherten Ort ausserhalb des Auf und Ab des Kunstmarktes platzieren konnte.

Im Kontext des Sammlungs-Profils der Stiftung zählt die Arbeit von Urs Lüthi zu den „Leuchttürmen“, welche Ankäufe von jüngeren Kunstschaffenden – heuer eine Arbeit von Julia Steiner – und Erweiterungen der Werkgruppen bereits vertretener Künstler – heuer ein grossformatiges Aquarell von Uwe Wittwer – ergänzen.  Dass alle drei Arbeiten mit Ausstellungen im Museum in Verbindung stehen, gehört dabei  mit zum Konzept.

Info: Mehr zur Stiftung Kunsthaus-Sammlung findet man in der 2010 erschienenen Publikation  „20 Jahre Centre Pasquart“.

 

Bildlegende:

„Der Afrikaner“ aus der Serie „Prototypes“ von Urs Lüthi. Bild: azw