Performances Gratwohl Favre Köppl_Zacek PasquArt Biel

Weisser Tee und warmes Wasser

www.annelisezwez.ch   Bieler Tagblatt, 28. April 2003

Das emotional stärkste Bild der drei Performances, die am Samstagabend im Centre PasquArt stattfanden, war das „Wasserballett“ Franz Gratwohls.  Doch das Dreieck war gut ausgespannt.

Annelise Zwez

Die Performance-Kunst entwickelte sich um 1970 aus den Happenings und Aktionen der Fluxus-Bewegung. In den letzten Jahren erlebte sie ein eigentliches Revival, wobei sich in der Gegenwartsform Body Art, Inter-Aktionen, Multimedia, Film, Musik, Tanz in allen nur erdenklichen Formen verweben. Klar, dass zu einem Querschnitt durch die junge Kunstszene Schweiz, wie ihn das Centre PasquArt zur Zeit zeigt, eine Performance Abend gehört. Die drei Szenen, die am Samstagabend vor und mit stattlichem Publikum präsentiert und aktiviert wurden, spannten in ihrer Verschiedenartigkeit ein gutes Dreieck aus. Träumerisches, Politisches und Sinnliches gaben sich die Hand.

Die von ihrer Bildhaftigkeit her intensivste Performance boten zweifellos die Gebrüder Gratwohl. Der Aargauer/Zürcher Künstler Franz Gratwohl (36) liess seinen Bruder Thomas in Taucher-Montur so in einen Kontrollschacht der Kanalisation vor dem Museum abtauchen, dass nurmehr die behaarten Männer-Beine aus dem mit Wasser-Loch schauten.

Adrette Paddel-Bewegungen und aufschäumende Sauerstoff-Blasen versicherten den Zuschauenden, dass der Stuntman noch lebte, wenn auch nicht, was er da unten sah und erlebte. Die Performance war eigentlich nur dieses Bild. Doch der Ort, die Umgebung, das Körperliche, das Bedrohliche machten dieses so intensiv, so köstlich auch, dass es in alle Richtungen ausstrahlte. Im Gegensatz zu einem Heinrich Lüber (er performte schon mehrfach in Biel) versteckt Gratwohl das Prozedere nicht, das heisst, man sah wie Bruder Thomas sich kopfüber in den  zuvor mit warmem Wasser gefüllten und offensichtlich abgedichteten Schacht hinabzwängte und von den Helfern nach etwa fünf Minuten wieder hinaufgezogen wurde. Das Tun, das „unmögliche“, ja absurde Bild schaffen und wieder auflösen ist damit Teil der Performance, auch Teil des sinnlichen Humors, den Gratwohls Performances auszeichnen. Immer wieder nimmt er den Menschen aufs Korn und so ist denn auch das Abtauchen in die Kanalisation, das (scheinbare) Wühlen in den öffentlichen Eingeweiden der Stadtmenschen, durchaus Teil des Performance-Konzeptes.

Erinnerst du dich?

Sehr viel leiserer Art war der Auftritt von Geneviève Favre (25), die speziell in der Romandie als Performance-Talent gehandelt wird; zu Recht, wenn man an die Inszenierung in Murten im letzten Jahr denkt (das BT berichtete).  Auch diesmal überzeugte der Gehalt, die Idee und die bildnerische Gestaltung. Doch die Aufführung von „Saturne“ selbst blieb ohne Ausstrahlung. Die cyber-silbern gekleidete Künstlerin erschien mit einem plattformartigen Saturn-Ring umgehängt, auf dem sich kleinste Roböterchen tummelten – jedes die Verkörperung einer „Miss“  ( Miss Australia, Mazedonia, Helvetia etc.).

Dazu sang Favre kleine, banale Sätze aus der virtuellen Welt der Erinnerungen und der Wünsche, teils englisch, teils französisch, teils deutsch. Doch die elektronische Fernsteuerung der „Miss“-Schar forderte von der Künstlerin so viel Aufmerksamkeit, dass nichts mehr blieb, um die „andere Welt“ für das Publikum fühlbar zu machen. Die Künstlerin blieb in sich selbst stecken. Und die elektronischen Töne der Kleinstgefährte vermochten gar nicht erst in den Raum vorzudringen. So blieb es beim Bild der Figur von einem anderen Stern.

Schwarze Cola und weisser Tee

Obwohl das Duo Köppl/Zacek schon länger zusammenarbeitet und an eingeschlägigen Orten performte, gehört ihr Auftritt im PasquArt  zu den Entdeckungen der Ausstellung, umso mehr als beide Beziehungen zu Biel haben. Jörg Köppl (39) ist Dozent an der Schule für Gestaltung, Peter Zacek (41) zog letztes Jahr, wie einst die Uhrenmacher, aus dem Jura hinunter nach Biel. In ihren Performances untersuchen sie Beziehungen – von Materialien zu Räumen, von Menschen untereinander, von Lebensformen und -haltungen. Alle drei Aspekte spiegeln sich im „West-östlichen Diwan“, sowohl als Installation wie als Publikums-Performance.

Die Interaktion beginnt damit, dass das mit Styropor ausgelegte Gelände nicht mit Schuhen betreten werden darf. Somit bewegt man sich a priori auf weichem Untergrund. In einer Tiefkühltruhe steht Cola bereit, in einem Samowar Tee. Eine  Infrarot-Kamera überblickt das Geschehen und überträgt es auf einen hochgestellten Monitor. Was in der Spannung des Irak-Krieges eminent politisch wirkte, wurde am Samstag mit der Vielzahl der Anwesenden zum verbindenden Stelldichein; untermauert von einer Tonspur, in der Bieler/-innen aus aller Welt zur Bedeutung und zur  Beziehung zu ihrem Vornamen sprechen. Spannend überdies, dass die auf Temperatur reagierende Infrarot-Kamera die kalte Cola tiefschwarz zeigt, den warmen Tee aber leuchtend weiss…..