Elodie Pong und Laurent Goei im Kunstmuseum Solothurn
Zwischen Aufbäumen, Ängsten und Träumen
www.annelisezwez.ch Annelise Zwez in Mittelland-Zeitung vom 30. April 2007
Wer die baldige Ankunft des Fensterputzers erwartet, liegt falsch. Laurent Goei (*1964 in Lausanne) hat die Seitenwände des Nordsaals des Kunstmuseums Solothurn geöffnet, um Licht in den Konzertraum der Hausbesetzer zu bringen. Die Spannung wäre sonst zu hoch. Denn seine Fenster sind schwarz umrandete Objekte mit geborstenen Scheiben. Vor der gewaltsamen Räumung des Hauses hat jemand Sätze darauf gepinselt. Noch kann man sie ahnen, the most beautiful girl in the world etwa. In den verbarrikadierenden, raumhohen schwarzen Boxen klingt Erinnerung in weissen Lettern: Johnny Cash, Neil Young, Nick Cave Country, Rock und Spiritualität. Trash und Präzision, Gewalt und Sehnsucht treffen sich in geballter Form. Die Sänger sind nicht da, aber ihre Jeans sind zu Skulpturen geworden und stehen auf einem mit einer Kette bewehrten Sockel, während aus ihrem Innern Nebelschwaden aufsteigen.
Es sind die Kontraste zwischen Heavy Metal und Romantik, die Laurent Goeis Kunst bestimmen und markant in die gesellschaftliche Befindlichkeit der jüngeren Generation stellen. Während des Aufbaus der Ausstellung ist der Künstler (und Musiker) geladen, die Installation stimmt noch nicht. Erläuternd erklärt er: Wer mit Trash arbeitet, muss höchste Präzision erreichen.
Laurent Goei und Elodie Pong (*1966 in Lausanne) in einer verflochtenen Doppel-ausstellung zu zeigen, ist eine ebenso brillante wie brisante Kombination. Es ist Sabine Rusterholz, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Kunstmuseum Solothurn, die das Konzept in Zusammenarbeit mit Elodie Pong erarbeitet hat.
Unzweifelhaft stand am Anfang der Idee, die Welschschweizerin nach Solothurn einzuladen, ein Video, das vor zwei Jahren Furore machte. Je suis une bombe, une sex bombe sang Elodie Pong damals, sich in einem Panda-Bär-Kleid an einer Turnstange reibend. Affreux sagt sie heute und meint damit nicht die Qualität der Arbeit, die ihr mehrere Preise eintrug, sondern die Reduktion ihrer Kunst auf dieses Video. Meret Oppenheims Pelztasse lässt grüssen. Gut darum, dass das Video in Solothurn nicht zu sehen ist. Denn damit ist der Blick frei für das, was Elodie Pong wirklich umtreibt. Und das ist erstaunlicherweise gar nichts so Anderes als bei Laurent Goei: Die Gleichzeitigkeit von Selbstbewusstsein, Zielsetzung und Angst. Nur die Romantik, die gibt es nicht bei Pong.
Plan for Victory steht pinkfarbig auf einen Schneehang gesprayt; kurz sind die Worte lesbar, dann donnert (stumm) eine Lawine ins Tal und begräbt den Plan unter sich, in nur gerade 1 Minute und 46 Sekunden. Der kurze Videoloop ist der dritte Teil der Trilogie (die per Ende Jahr erweitert zum Film werden soll), welche in Solothurn gezeigt wird. Sie beginnt im ersten Saal des Westflügels mit der Projektion von The Last Supper. Darin verspeisen zwei Frauen und ein Mann, an einem Tisch sitzend, graue, granitene Steinquader. Wie bei Plan for Victory fällt kein Wort, man weiss nicht, warum sie auf Granit beissen, doch Achselzucken ist nicht möglich, zu viel Unausgesprochenes liegt fühlbar in der Luft.
Auf die Wand des nachfolgenden (dunklen) Raumes ist mit silbernen Buchstaben Knights on the Trajectories of a Post-everything Era (Ritter auf den Flugbahnen einer Nach-Allem-Ära) geschrieben; gleichzeitig sitzt die blonde, junge Frau aus Last Supper auf einem Bett, spielt Gitarre, singt und lächelt zuweilen ein wenig frivol. Elodie Pong hat die Video-Szenen Theaterstücken (mitsamt Schauspielern) entnommen und mit filmischen Mitteln in einen anderen, zugleich entleerten wie neu angefüllten, Zusammenhang gestellt. Die stumme Emotionalität, die sie damit erreicht, packt und wirft die Betrachtenden auf sich selbst zurück.
Stil und Technik von Pong und Goei sind gänzlich verschieden männlich und weiblich unter anderem aber beide gehen sie, typisch für unserer Zeit, von Versatzstücken der Kulturgesellschaft aus, die sie, wie ein DJ schreibt Rusterholz, sampeln, um daraus ihre Vorstellungen zu formulieren.
Bis 29. Juli 2007