Conrad Steiner Museum zu Allerheiligen Schaffhausen 2011

Vor und nach dem Tag

www.annelisezwez.ch     Annelise Zwez in Kunstbulletin März 2011

 Ein Berlin-Aufenthalt 2005 verändert die Malerei von Conrad Steiner. Die organisch-ungegenständlichen Bildräume werden zu geheimnisvollen Städtebildern. Und in der Rückkehr ins malerisch Ungewisse bleiben sie in Farbe und Form dem Leben nahe. Die von Markus Stegmann kuratierte Ausstellung zeigt den Wandel.

 

Schaffhausen – Es ist unter anderem ein Schwimmbad, das den Künstler 2005 in Berlin fasziniert. Wasser war in seiner Malerei schon immer wichtig; fliessendes Wasser. Nun ist es gefasst, eine Leiter steht bereit, ein Sprungbrett ist da.

Doch eigentlich ist das Brett in „Strandbad III“  nur eine Mehrfarbenform und die gelbgrünen Sprossen in der Variante II führen nirgendwohin. Auch das, was  die quer zur Bildkonstruktion platzierte Figur sagt, verrät  uns die weisse Sprechblase nicht. Im Katalog-Interview spricht Sibylle Omlin  von „surreal“, doch der Künstler meint, treffender sei „spekulativ“, da sich die Malerei heute zurück hole, was sie an den Film und die Literatur abgegeben habe; sie zeige, was möglich, aber nicht beweisbar sei.

Der erste Saal der Ausstellung ist „Berlin“ gewidmet; der gegenständlichsten Phase im Oeuvre des 53jährigen in Berg (TG) wohnhaften Schaffhausers. Die Säle danach künden vom Rückzug  des Erzählerischen zugunsten einer Farbfeld-Malerei zwischen Gegenständlichkeit und Abstraktion. Erkennbar sind vor allem Kopfformen. Conrad Steiner spricht von der „Ablösung der Farbe von den farbtragenden Dingen“.

Einen Schlüssel hiezu liefern 20 Fotografien von bearbeiteten Polaroïd-Aufnahmen. Während eines Aufenthaltes in Schiers bittet er Menschen, ihr Lieblings-Kleidungsstück in einem von ihnen gewählten Raum aufzuhängen und fotografiert die Situation. Konzepte dieser Art wurden vielfach durchexerziert. Doch Steiner zieht den Fotos die Deckschicht ab, bearbeitet die Membran, fotografiert sie digital vor einem am PC generierten Farbhintergrund und druckt sie wieder aus.

Die Fotos sind eine Art de- und re-materialisierte Beobachtungsprozesse. Sie zeigen dem Künstler auf wie er von lebensnahen Prämissen zu Ungegenständlichkeit vordringen kann, ohne deren Aussage zu verlieren respektive  wie er deren Sinnlichkeit in einer chromatischen Klangfülle wieder herstellen kann. Momente wie Mode, wie Textiles, wie Körperhaftes drängen sich ins assoziative Feld und machen die da und dort platzierten kleinen Zentren schnell zum „dritten Auge“ einer kompakten, nie geometrischen (Kopf)-Form. Gewissheit ist indes nicht zu haben; Markus Stegmann spricht von Werken „vor und nach dem Tag“, Bildern, die kommen und gehen in einem.

Die Fotoarbeit widerlegt die vorschnelle Charakterisierung von Steiners Malerei als Fortsetzung der Malerei des 20. Jahrhunderts ohne Reflektion der Gegebenheiten im Zeitalter des Bildschirms. So aber macht  die Verankerung im gestern und im heute Steiners Bilder zu intensiven, warmen und doch keineswegs irritationsfreien malerischen Statements.  

 

 Museum Allerheiligen, bis 27. 2. 2011. Katalog mit Texten von Markus Stegmann, Manuela Reissmann sowie einem Interview mit Sibylle Omlin. Verlag für moderne Kunst, Nürnberg.

 

Bildlegenden:

Conrad Steiner: „Strandbad III“, Öl auf Leinwand, 2006, 135 x 185 cm, „Profile“, Öl auf Leinwand, 2009, 120 x 120 cm. Bilder: azw