Nouvelle Collection – Thomas Spielmann – Pasquart Biel 2011

Von der Lust mit der Kunst zu leben

 www.annelisezwez.ch         Annelise Zwez in Bieler Tagblatt vom 24. Januar 2011

Zum vierten Mal seit 2004 hat das Museum Pasquart  unter dem Stichwort „Nouvelles Collections“ einen privaten Sammler zeitgenössischer Kunst eingeladen, Ausschnitte aus seinen „Schätzen“ in Biel zu zeigen.

Thomas Spielmann ist in Davos als vielseitig kulturengagierter Bürger und überregional tätiger Kieferorthopäde bestens bekannt. Wer in sein Haus trete, so schreibt Sabine Windlin in einem Porträt, wähne sich in einem Kunsthaus. Von den Arbeiten, die sie in ihrem Text erwähnt, sind einige jetzt in Biel; die wunderschöne, 1996 mit der Axt aus einem Weidenstamm herausgeschlagene „Schwarze Frau mit rotem Umhang“ von Josef Felix Müller zum Beispiel, aber auch der bronzene Kuhfladen des Bündners Not Vital.

Der 57jährige, ursprünglich aus dem Kanton Solothurn stammende Mediziner, sammelt seit gut 30 Jahren Kunst. Dem Bieler Ausstellungsprofil der „Nouvelle Collection“ entsprechend, konzentriert sich die Schau im Pasquart aber primär auf Erwerbungen der letzten 15 Jahre.  Man wolle mit der Reihe, so Dolores Denaro, nicht zuletzt auf die Bedeutung des Erwerbs zeitgenössischer Kunst als Existenzgrundlage für die Künstler und Künstlerinnen hinweisen.

Die „Nouvelles Collections“ starteten 2004 mit drei mal zwei Sälen mit Werke aus den jungen Sammlungen von Hahnloser Tschopp, Alexander Jolles und Jasmine & Jobst Wagner. 2006 zeigten Ruth und Jürg Nyffeler ihre „Edition 5“ und 2008 präsentierten Jocelyne& Fabrice Petignat aus Genf ihre international angelegte Sammlung an Werken zum Thema des weiblichen Körpers.

Auch die Sammlung von Thomas Spielmann wird in Biel zum einen unter dem Stichwort „Körperliches“ präsentiert. In Fotografien von Marianne Müller gibt es tatsächlich eine Verdoppelung. Ansonsten ist das Thema bei Spielmann sehr viel breiter angelegt, lässt sowohl Humor aufblitzen wie Intimität und Schmerz. Ersteres etwa in der köstlichen Doppel-Projektion von Zilla Leutenegger, die als zeichnerische Animation eine Figur zeigt, die  sich ohne Rücksicht auf möglich und unmöglich schwungvoll von Laterne zu Laterne hangelt und über  gegenüberliegend projizierte Sätze wie „Giving rise to a consicousness that I call ‚me’ “ gleichzeitig auf ein Gedankenfeld hinweist. Die Arbeit zeigt auch, dass Spielmann – im Gegensatz zu anderen Sammlern – nicht vor den „Neuen Medien“ zurückschreckt, auch wenn sich diese nicht übers Sofa hängen lassen. Körperliche Intimität hingegen spiegelt sich in poetischer Form in dem Martina Gmür gewidmeten Kabinett. Mit anteilnehmender Nähe gestaltet die junge Walliserin Bilder und Objekte von fliegenden Schuhen bis zu Fischen ohne Angst. Körperliches im Sinne von Verletzlichkeit oder gar Verstümmelung findet man bei Hannah Villiger und Thomas Hirschhorn.

Was bei den vier Genannten auffällt, ist, dass drei von ihnen im Programm der Galerie Stampa in Basel figurieren. Die Liste liesse sich mit Müller, Steinbrecher, Wüsten, Nussbaum, Steiner/Lenzlinger, Keiser und weiteren vervielfachen. Tatsächlich verbindet Thomas Spielmann eine enge Freundschaft mit dem Galeristen-Paar Gilli und Diego Stampa und oft sind sie es, die dazu beitragen, dass es den Sammler „packt“, wie er selber sagt. Da die seit 1969 tätige Basler Galerie ein sehr gutes Programm hat und vor allem auch konsequent zu Schweizer Künstlern steht, ist das einerseits ein Glücksfall, andererseits stellt sich die Frage nach der Autonomie des Sammlers. Allerdings korrigiert der Einbezug kleinerer Werke (Vitrine) den Eindruck auch wieder.  Letztlich zählt indes nur die Qualität und die überzeugt fast durchwegs.

Man darf sich freilich nicht allzu sehr auf die beiden genannten Themen „Körperliches“ und „Landschaftliches“ ausrichten, denn ein Sammler ist kein Kurator und da Kritik anzubringen darum falsch.

Ein starkes Gewicht im zweiten Themenumfeld hat der Bündner Fotograf Jules Spinatsch. Seine Doppel-Video-Projektion aus der Serie „Snowmanagement“, die Pistenfahrzeuge zeigt wie sie des Nachts die Landschaft planieren, sodass der unverhofft auftauchende Fuchs wie fehl am Platz erscheint,  ist eindrücklich und bringt zusätzlich eine kritische Note ins Thema. Eine solche ist auch bei Roman Signer angedeutet, wenn er ein in der Orginal-Verpackung belassenes Velo auf eine „Berg“ andeutende hölzerne Rampe stellt. Vollends zur Ironie verkommt die Kritik in einer grossformatigen Foto von Eva-Fiore Kovakovsky, die eine Lache in einem grünen Liegestuhl als lieblichen Berg-See zeigt. Dennoch negiert auch Spielmann den Sog der „Erhabenheit“ nicht, etwa im grossformatigen schwarz-weissen Gletscherfeld von Balthasar Burkhard.

Eine Kunstsammlung ist immer auch ein Stück persönlicher Geschichte des Sammlers. Dass sich Spielmann diesem Aspekt entzieht  und nicht ein einziges Mal persönlich auftritt, ist latent ein Widerspruch, denn indem man seine Werk öffentlich zeigt, wird man selbst Teil der Öffentlichkeit.

Bis 13. März 2011

Bildlegende:

 „Schwarze Frau mit rotem Umhang“ von Josef Felix Müller aus dem Jahr 1996. Bild: azw

 

Der Sammler

 

Thomas Spielmann ist 1953 geboren.

Hauptberuflich als Kieferorthopäde in Davos tätig.

Ursprünglich Photo-Lithograph (Ausbildung in Bern). Medizin-Studium in Basel.

Ist Präsident des Stiftungsrates des in Davos domizilierten Ernst Ludwig Kirchner-Museums.

Ist Mitglied der Stiftung Medizinmuseum Davos.

Ist in politischen und touristischen Gremien tätig.

Seit den späten 1970er-Jahren kauft er Kunst.

Werke von Franz Gertsch, Jason Rhoades, Richard Chamberlin, Ian Hamilton Finlay, Reinhold Engberding, Henri Cartier-Bresson, Araki, Eva Aeppli, Katharina Büche, Stefan Burger, Olivier Mosset, Zilla Leutenegger, Isabelle Krieg, Hanspeter Hofmann, Irene und Christine Hohenbüchler, Roman Signer, Jean Pfaff, Walther Pfeiffer, Guido Nussbaum, Yang Fudong, Miriam Cahn und viele mehr.       (azw)