Stoneman“ alias George Steinemann im Kunsthaus Grenchen. Bieler Tagblatt 12. September 2002

„I wish to be a banker“

www.annelisezwez.ch    Annelise Zwez in Bieler Tagblatt vom 12. September 2002

 

Ein bisschen Comic, ein bisschen Graffiti-Kultur, Erinnerungen an Mirò, Fotos von Shanghai, Trivial-Notizen und ein gehörig Mass an Photoshop, ausgedruckt auf Fotopapier – das sind Georges Steinemanns „digital paintings“ im Kunsthaus Grenchen.

Es ist doch immer dasselbe: Da nennt sich ein Künstler „stoneman“ und ist als Mensch doch alles andere als ein „Stein-Mann“, auch wenn er Steinemann heisst. Die Comic-Köpfe, die seine „moving paintings“ füllen, erinnern höchstens an Steine mit bunten Mondgesichtern. Die Ausstellung des 34-Jährigen, der seit seiner Rückkehr aus den USA in einer Industriehalle im aargauischen Turgi wohnt und arbeitet, ist ein Wechselbad. Die farbig metallisierten „Sprayer“-Figuren im Garten des Museums lassen kunstgewohnte, kritische Geister den Atem stocken: Reicht das für mehr als den Comic-Art-Shop?.Die „moving paintings“ im Parterre des Hauses – hochformatige Bilder die sich impulsgesteuert über eine Rolle bewegen und so immer neue Bildkonstellationen ergeben – sind perfekt in ihrer Erscheinungsweise und viel aufwändiger in der Produktion als es die kaum Ausdruck zeigen Comic-Köpfe zunächst vermuten lassen. Aber….wo ist er Inhalt, wo die Kunst? „Ich bin mir bewusst, dass ich daran zu wenig gearbeitet habe“, sagt „stoneman“ mit entwaffnender Ehrlichkeit. Wenn dem auch in den Augen des Künstler so ist, warum zeigt sie dann Hannes Luterbacher im Museum?

Eine Teilantwort ergibt sich im ersten Stock des Hauses. Da zeigt sich ein in vieler Hinsicht verwandelter Künstler, da ist plötzlich Seele drin. Die Erscheinungsweise ist ein Sampling verschiedenster Bildquellen, ergänzt und überlagert mit linearen Comicgestalten und vielerlei Schrift-Bildern. Gekonnt eingesetzte Photoshop-Effekte erzeugen Tiefenwirkung und die Unterteilung in einen strengen Raster (wie ihn auch Gilbert & George zuweilen einsetzen) erzeugt einen Distanz schaffenden Gitterfenster-Effekt. Der Bildschirm verschmilzt die Materialität der Bildteile zu Einheit, sodass eine Art filmische Welt entsteht, in der jedoch alles gleichzeitig abläuft. Die Prägung durch die Grosstadt San Francisco, wo Steinemann nach einer Lehre als Dekorationsgestalter in Zürich das „Art-Metier“ lernte, ist offensichtlich.

„Eigentlich sind es Tagebücher“, sagt „stoneman“ und verweist damit auf den sehr persönlichen Motor der Bildentstehung. So entstammen die fotografischen Elemente nicht dem Internet, sondern sind grossmehrheitlich Scans von eigenen Aufnahmen; die meisten während eines emotional sehr intensiv erlebten Shangai-Aufenthaltes entstanden, aber auch Schnappschüsse von „zuhause“. Auch die krakelig mit der „Maus“ eingeschriebenen wie die als Schrift-Bilder integrierten Sätze und Wortfetzen stammen nicht irgendwoher, sondern sind meist ungefilterte Notate der eigenen Befindlichkeit. „Ich habs nicht mehr..(im Griff)“ steht da etwa oder „I wish to be banker“ oder „freundschaft ist wichtig, aber mit wehm“.

Im Gegensatz zu vielen mit den verführerischen Mitteln von PC-Software Arbeitenden, versteht „stoneman“ das Informatik-Handwerk. Er weiss die Arbeiten von der Anonymität der digitalen Bilderscheinung in etwas Persönliches zu verwandeln. Das kann erst die Generation, die mit dem Selbstverständnis medialer Präsenz aufgewachsen ist. Und das ist vermutlich die Stärke des Künstlers. Intellektuell bietet auch der „neue“ Steinemann wenig; er ist mitsamt (unfreiwilligem) Orthographie-Salat ein Vertreter der comic- und graffitinahen Low-Culture-Szene. Seine Bilder haben darin nicht die Radikalität eines Jean-Michel Basquiat. Aber sie spiegeln in geradezu liebevoll ehrlicher Weise die Befindlichkeit des Künstlers zwischen Wunsch und Wirklichkeit, zwischen Frust und Hoffnung. Seit zwei Jahren lebt stoneman ausschliesslich von der Kunst, doch das ist eine finanzielle Gratwanderung, bedeutet Verzicht, auf Familie zum Beispiel, das ist hart und fordert. Wie weiter, scheinen seine Bilder zu fragen …“ich könnte auch autos verkaufen“ steht auf einer der digitalen Malereien.

Die Ausstellung drängt auf einer Sekundärebene die Frage auf, was ein Museum sei und was eine Galerie. Normalerweise zeigt ein Museum, was sich in der Off- Szene durch Ausserordentlichkeit hervorgetan hat. Während eine Galerie Entdeckungen lanciert und den kommerziellen Aspekt im Visier behält. Nicht unerwartet tendiert das Kunsthaus Grenchen unter der Leitung eines Ex-Galeristen zu zweiterem. Steinemanns Palmares ist (noch) bescheiden und die Produkte sind kommerzialisierbar. Das ergibt ein sehr subjektives Profil, ist aber nicht a priori negativ. Ein Museumsmann hätte sich indes zweifelsohne auf die qualitativ besseren, neueren Arbeiten beschränkt, auch wenn das Argument „eine Entwicklung aufzeigen“ durchaus sympathische Züge trägt.