Dundakova Maria Brasilien 1992

Sun Rite an der UNO-Konferenz

                                            

www.annelisezwez.ch    Annelise Zwez in Solothurner Zeitung, April 1992 


Licht- und Wasser-Wellen taufen den Tag

 

Im Frühjahr 1991 vertrat die  Schweizer Künstlerin Maria Dundakova – Mitglied der Solothurner GSMBA – unser Land am europäischen Künstlerinnen-Symposium in Dublin mit einem Videofilm und Aktionen im Freien. Im letzten Herbst war sie mit einer grossen vor Ort realisierten Installation an der Biennale von Sao Paulo vertreten. Obwohl – oder weil? – nicht von der offiziellen Schweiz nach Brasilien delegiert, sondern aufgrund einer Dokumentation direkt von der Biennale-Leitung eingeladen, feierte ihr ausgesprochen mythologisches, die Riten der Natur mit Farbe, Material, Musik und Tanz beschwörendes Werk  grosse Erfolge. Mehrere Fernseh-Stationen haben über die inszenierte Performance mit einem brasilianischen Tänzer inmitten ihrer „Sun Rite“-Installation berichtet. 


Aufgrund dieser Arbeit wurde Maria Dundakova vom Museu de Arte Moderna in Rio de Janeiro eingeladen, ihr Werk in erweiterter und gewandelter Form im Rahmen der UNO-Weltkonferenz in Brasilien zu präsentieren. Geplant ist eine riesige Performance in der Copacabana-Bucht mit den Wellen des Ozeans, der Musik der Natur und rund 1000 mit gelber Licht-Farbe bemalten Menschen. Sechs Kameras sollen die bei Sonnenaufgang stattfindende Aktion unter dem Titel „Sun Rite – Baptism“ filmen. In Dezember/Januar weilte die Künstlerin vor Ort und hat mit ihrem brasilianischen Tänzer jeden Morgen ab vier Uhr geprobt. Eine Fülle eindrücklicher Fotos hat sie bereits mit nach Hause gebracht. Zusätzlich zur Aktion im Freien wird die Künstlerin in den neugestalteten Räumen der Fundacao Progresso – einem der Gebäude der UNO-Konferenz – auf 400 m2 Fläche eine Installation realisieren, die auf malerischer Ebene die Begegnung von Tag und Nacht, von Licht und Dunkelheit, von gelber und blauer Energiefarbe darstellt.

Wäre da nicht das vermaleidete Problem der Finanzierung – die offizielle Schweiz hat die Unterstützungsgesuche abgelehnt – Maria Dundakova wäre jetzt schon in Brasilien, um ihre Projekte vorzubereiten. Ein bisschen lächerlich wäre es schon, wenn die von einem der ärmsten Länder der Welt mit ( schriftlich vorliegendem ) Enthusiasmus eingeladene Künstlerin aus einem der reichsten Länder der Welt ihr Kunst-Projekt nicht realisieren könnte wegen Geld-Mangel. Maria Dundakova hofft auf ein „Wunder“ in letzter Minute. Die Gründe dafür sind wohl in unterschied-lichen Mentalitäten zu suchen ( wären diese nicht gerade zu überwinden, heutzutage?). 


Maria Dundakova ist ursprünglich Bulgarin, temperamentvolle Südländerin. Ihr Bruder realisiert zur Zeit einen Film über die mythologischen Spuren auf Kreta.“Wenn du brennen willst, musst du bereit sein, dich vom Feuer anstecken zu lassen“, sagte sie mir kürzlich im Gespräch. Im Gegensatz zu unserer depressiven Grundhaltung in Bezug auf Mensch und Natur, will Maria Dundakova die Kraft der Natur und die Kraft des Menschen in dieser Natur zeigen. Ihr gesamtes, bisher realisiertes Werk kann als „Hommage an die Kräfte der Natur“ bezeichnet werden, wobei der Mensch als Teil dieser Natur begriffen wird. Und sie ist überzeugt, dass nur überschwengliche Liebe zur Natur ( zum Menschen ) die Kraft erzeugen wird, die grossen Umwelt-Probleme zu lösen. Mit dieser mystischen Liebe zu den Elementen, zu Erde, Wasser, Feuer, Luft, zu ihren Schwingungen und Klängen, zu den Bewegungen des menschlichen Körpers in diesem Spannungsgeviert stösst Maria Dundakova in Südamerika auf grosses Echo während in unserer rationalen Gesellschaft vielerorten die Signale auf „Rot“ schalten. Zu Unrecht wohl.

In „Sun Rite“ wird die Begegnung von Tag und Nacht, von Licht und Wasser, von Gelb und Blau zelebriert. Ein Gedicht, graphisch als Wellenform dargestellt, ist dem Geschehen unterlegt ( es wurde für Rio auf portugiesisch übersetzt). Auf deutsch heisst es da: „Die Nacht fliesst, von Körper zu Körper, von Welle zu Welle, von Welle zu Puls, vom Puls zur Bewegung, von der Bewegung zur Erschöpfung, von der Erschöpfung zum Schlag, Schlag auf Schlag zum Schrei, vom Schrei zum Echo….“ Die gelbbemalte Menschen – „Licht-Welle“ wird es im Sand der Copacabana-Bucht zu ihren Bewegungen hin zum Tag, zur Sonne, zum Wasser klingen lassen. Für die Künstlerin erzeugt die  Performance, wie auch das materialintensive, das Kommen und Gehen von Wasser und Licht als Wellenbewegungen tragende Bild im Konferenz-Gebäude, einen „mythologischen Raum“, der mit der „Masseinheit Gefühl“ erfasst werden könne. Der Ritus, die Geste seien darin nur die Technik , die das mythologische Geschehen in die Zeit projiziere und damit sichtbar mache.

Die seit 20 Jahren in Aarau lebende Künstlerin ist trotz allem Realistin – sollte die grosse Performance an Finanzierungsproblemen scheitern, hat sie eine kleinere Version ausgearbeitet. Es ist zu hoffen, dass die Arbeiten Maria Dundakovas zumindest in fotografischer respektive filmischer Form später auch in der Schweiz zu sehen sein werden.