Gespräch mit Bernhard Luginbühl und Ernst Halter 1999

Aus Schrott wird Skulptur

www.annelisezwez.ch  Annelise Zwez in Bieler Tagblatt 1999

Seit 1961 verbindet sie eine „eiserne“ Freundschaft: Der Eisenplastiker Bernhard Luginbühl und der Bieler Alteisenhändler Kurt Halter. Nun ist aus der Ware des einen und der Kunst des andern eine Plastik geworden.

Nie vergesse er, so sagt der Bieler Altmetall-Unternehmer Kurt Halter, jenen Novembertag des Jahres 1963. Damals fuhr Bernhard Luginbühl mit Jean Tinguely in Nidau vor, um dem gerade mit dem Aufbau der „Heureka“ für die Expo 64 beschäftigten Künstlerfreund die Schrotthalde der Firma W. Kaufmann (später: Kurt Halter) am Nidau-Büren-Kanal zu zeigen.Mit einem riesigen, eisenern Deckel auf dem Dach des alten Citroën fuhren sie später Richtung Lausanne.

Bernhard Luginbühl ist ein charismatischer Künstler. Wo er auftaucht, wirkt nicht nur die Wucht seiner Skulpturen, nicht nur die Masse seines Körpers, sondern auch seine patriarchale Sicht auf die Dinge dieser Welt. Weil der Kern indes differenzierter ist als die Schale vermuten lässt, fühlen sich ihm viele freundschaftlich verbunden.“Bernhard Luginbühl hat mir die Augen geöffnet“, sagt Kurt Halter. Und so ist aus dem Alteisenhändler (heute: Rohstoff-Recycler) auch ein Alteisen-Sammler geworden, der interessante Stücke jeweils beiseite schafft; entweder für seine eigene Sammlung oder für den nächsten Besuch von Bernhard Luginbühl.

„Wissen Sie“, so fragt Bernhard Luginbühl die Journalistin, „warum Halter so viele Radierungen von mir hat?“ Und antwortet gleich selbst: „Das waren jeweils meine Banknoten als ich noch kein Geld hatte, die Tonnagen zu bezahlen“. Biel, so der Künstler, sei für ihn immer wichtig gewesen, auch wegen der Rossmetzgerei Rutz (Luginbühl liebt gigantische Gelage) und wegen der Bieler Plastikausstellungen zu Zeiten von Marcel Joray. Der „Atlas“ (1970) mit der grossen Kugel, der zu den berühmtesten Arbeiten Luginbühls zählt, fand seine Gestalt seinerzeit auf dem Bieler Strandboden.

Die Plastik, die provisorisch den Namen „Kurt“ trägt, und seit wenigen Tagen Markenzeichen der Firma Halter an der Renferstrasse im Bözingerfeld ist, hat – wie viele Arbeiten Luginbühls – eine lange Geschichte. „Ich konnte ich erst beginnen“, so der Künstler, „als ich erkannte, dass die alte Gusspfanne vor der Firma eigentlich ein Sockel ist“. Bei mehreren Besuchen vor Ort entstand darauf die Plastik, im Skizzenbuch. Die Ausführung übernahmen – wie das bei Luginbühl&Co.heute die Regel ist – die Söhne des Künstlers. „Aber ich war noch nicht zufrieden, etwas fehlte, darum beschloss ich in letzter Minute, der Plastik eine der raren, grossen Blech-Kugeln aus dem Mötschwiler Lager aufzusetzen.“

Innerhalb des Oeuvres von Bernhard Luginbühl reiht sich „Kurt“ in den Typus der „Stengel“, wie es sie seit 1968 gibt: Aus einer kompakten Basis schiesst eine mehr oder weniger gebogene, stengelförmige Kraft empor. Man kann sie männlich, militärisch oder botanisch sehen, vielleicht auch alles zusammen. Im Gegensatz zu frühen „Stengeln“ sind die jüngeren der Reihe blumiger, filigraner, erzählerischer. Das jüngste Stengelkind insbesondere. Trägerbalken, Räder, Gitter, Ketten, Kugeln greifen ineinander; fast ist’s als könnte ein verborgener Motor sie in Bewegung versetzen. Ob der Tod Tinguelys seinem Freund heute eine Formensprache erlaubt, die er sich früher – abgrenzend – nicht zugestand?

Die neue Arbeit ist nicht die einzige des Künstler in Biel; vor der Stadtkirche steht der „Glockenklöppel“, beim Champagne-Schulhaus eine „Agression“ und eine weitere wichtige Plastik charakterisiert den Innenhof der Gewerbeschule.