Man muss hinein und hindurch

Eine Annährung an das komplexe Schaffen des Basler Künstlers Werner Merkofers

Die Erscheinungsweise des Werkes von Werner Merkofer verweist auf Geometrie. Es sind Kreise, Kreissegmente, Dreiecke, die sich zu Rhomben und Sechsecken vervielfachen, erkennbar. Es gibt Werke, die auf der Achter- oder Endlosschlaufe aufbauen usw. Die offensichtliche Bedeutung der drei Grundfarben Rot, Blau und Gelb scheint zusätzlich Hinweise auf die schweizerische Ausformung der konstruktiven Kunst zu geben, spielt Farbe respektive Farbmenge doch von Johannes P. Itten über Hans Hinterreiter bis Richard P. Lohse eine wichtige Rolle.

Das Werk Werner Merkofers in diese Tradition zu stellen ist nur dann richtig, wenn man die geistigen und gesellschaftlichen Entwicklungen der letzten 30 bis 40 Jahre miteinbezieht. In Werner Merkofers Arbeiten stehen mathematisch-geometrische, psychische, physische und symbolische Ebenen in Verbindung miteinander.

Mit Jahrgang 1943 gehört Werner Merkofer zur 68er-Generation, unabhängig davon, ob er sich damals in irgendeiner Form engagierte oder nicht. Generationen sind wie Symbole; sie sind als Kraft da, ob man sich ihrer bewusst ist oder nicht. Wesentlichste Folge der 68er-Jahre ist die Individualisierung, das Erkennen der kreativen Kraft des eigenen Ich.

Werner Merkofers Werke sind nicht konstruktive Kunst sondern individuelle Forschungen. Zwar weiss der Künstler um Paralleldenkende und -schaffende von Emma Kunz über Sol LeWitt und Karl Gerstner bis Max Matter und andere. Doch findet gerade im nahe Verwandten keine direkte Auseinandersetzung statt, um die Identität des Eigenen nicht zu gefährden.

Drei Momente bestimmen Werner Merkofers Schaffen essenziell: Die drei Grundfarben als Licht- und Energietragende, die Zahl Drei in Form des Dreiecks sowie – als Kraft – zwischen diesen Dreiheiten interferierende Rhythmen, die in definierter Vervielfachung zu komplexen, oft im Ansatz ornamentalen Schwingungen, Ordnungen und Symbolzeichen werden.

So abstrakt Werner Merkofers Forschungen in seinen Bildern erscheinen, so sehr stehen sie nichtsdestotrotz in Relation zum Menschen: Zu seiner Fähigkeit des optischen Wahrnehmens, die der Künstler stets an die Grenze führt; zu seiner energetischen Ausstrahlung, die er in Mass und Zahl, in Farbe und Rhythmus in Bilder umsetzt.

Dazu trägt bei, dass der Künstler selbst nicht nur mit dem Kopf arbeitet, sondern die Wahrnehmungen im Körper oder Schwingungen, die sich durch den Körper hindurch manifestieren, miteinbezieht. So werden die Parameter für einzelne Bilder – zum Beispiel die Reihenfolge oder die Anordnung der Farbdreiecke innerhalb einer aktuell bearbeiteten Reihe – mit dem Pendel eruiert. Oder der Künstler geht in die Krypta der Leonhardskirche in Basel, um daselbst mit Klang im Raum zu arbeiten und dabei Schwingungen zu erfahren. Wenn auch eher indirekt, so doch geistig relevant, beeinflussen die jeweils gemachten Erfahrungen die bildnerische Arbeit. Und last but not least, ist das intensive Ausloten der eigenen Arbeiten in Bezug auf ihre Wahrnehmungsvielfalt ein Teil des Schaffens.

Ganz konkret wird das Pendel zur Festlegung der Parameter bei den persönlichen, „hagall“ – Arbeiten eingesetzt – Werke, die bezüglich der Menge von Rot, Blau und Gelb auf die energetischen Muster eines bestimmten Menschen eingehen, Mit dem Pendel wird in denselben Arbeiten aber auch die horizontale, vertikale und diagonale Farbfolge der Dreiecksformen innerhalb der grösseren Dreiecke bestimmt, die zusammen, als Aussen – Begrenzung, ein Sechseck bilden.

Die Zahl Drei, welche Werner Merkofers Werk bestimmt, ist die grundlegendste in allem Schöpferischen. Im Christentum zeigt sie sich in der Dreifaltigkeit, die ihrerseits auf die babylonischen Göttertrias von Sin, Samasch und Ischtar zurückgeht. In Bezug auf den Menschen erscheint sie – sowohl in den westlichen Naturwissenschaften wie in der östlichen Spiritualität – sehr oft in Kombination mit der Zahl Vier. Das Werk der berühmten Pendlerin und Künstlerin Emma Kunz (1892-1963) zum Beispiel, ist zu einem wesentlichen Teil als komplexe Interferenz zwischen den Zahlen Drei und Vier analysierbar. Bei Werner Merkofer ergibt sich die Zahl Vier zum Beispiel durch die Verdoppelung des Dreiecks zum Rhombus, aber auch – und das ist besonders spannend – rein optisch, wenn in den Sechseck-Aussenformen, angefüllt mit Dreiecksabfolgen im Innern, eine Dreidimensionalität sichtbar wird, die dem Vierkant-Würfel entspricht.

Werner Merkofer geht es in seinem Schaffen nicht um solche, an sich längst bekannte Phänomene. Zu ihnen gehören zum Beispiel auch die inneren Spiralformen, die sich in den Kreisarbeiten ergeben, wenn schmale Kreissegmente in Wechselwirkung mit den Anordnungen der drei Grundfarben treten. Es geht im Kern vielmehr darum, dass die unterschiedlichsten, mathematischen Parameter, wie sie in den Mikrokosmen der Dinge omnipräsent sind, auch im Bildnerischen immer wieder zu denselben Strukturen zurückführen. Das heisst, in gewissem Sinn eine Umkehr der Chaos-Theorie aufzeigen. Die auf minimen Veränderungen aufbauende Vielfalt führt immer wieder zurück an die Basis.

Werner Merkofer ist bildender Künstler, nicht Mathematiker. So spielt die Farbe im Gesamten eine sehr wichtige Rolle. Das fängt schon an bei der Suche nach den „richtigen“ Farbstiften oder – in den „schwarzen“ Arbeiten – den richtigen Pigmenten. Denn nur eine Gleichwertigkeit der Farben in gleichen Mengen ergibt als Nachbild weiss. Man erinnere sich: Das Nachbild ist das Bild, das uns begleitet, wenn wir längere Zeit etwas fokussieren und dann entweder die Augen schliessen und schauen oder einfach nur das Nachbild neben dem Gegenstand, zum Beispiel an der Wand, betrachten. Am Vertrautesten ist uns dieses Verhalten von der Sonne. Für die meisten Arbeiten Merkofers gilt: Nur ein weisses Nachbild entspricht der bildnerischen Vision, da nur in diesem Fall die von den Farben getragenen Energien deckungsgleich sind, sich damit als Einzel-Farben zugleich auflösen wie das gesamte Spektrum enthalten.

Der Forschungsgegenstand „Farbe“ ist – so paradox dies klingen mag – noch viel augenscheinlicher in den schwarzen Arbeiten. Schwarz ist hier nicht das Dunkel, das Licht als Reflex abprallen und in den Raum vordringen lässt, wie etwa im neueren Werk von Pierre Soulages (Ausstellung Kunstmuseum Bern Mai/Juni 1999). Schwarz ist bei Werner Merkofer die Sättigung der Farbenergie im Schwarz. Schon vor bald 10 Jahren entdeckte er es: Das Phänomen, dass das durch lasierende (das heisst von einander unabhängige) Schichten erreichte Schwarz in gewissem Sinn dem weissen Nachbild der farbigen Arbeiten entspricht Gemeint ist damit nicht das weisse Nachbild, das jedes Schwarz als komplementäre Struktur auslöst, analog dem grünen Nachbild eines roten Bildes. Sondern das Schwarz, das alle Farben in sich trägt und zwar so, dass diese durch das Schwarz hindurch als Einzelenergien erhalten bleiben. Beim Mischen der Farben würde nicht nur ein ganz bestimmtes Grau entstehen, es würde auch als Mischenergie erscheinen. In der Schichtung zum Schwarz hingegen bleiben die einzelnen Energieschichten erhalten und werden als Ausstrahlung, als „Aura“ sichtbar. Hier ist denn auch das Interesse des Künstlers zu situieren. Dass er neben Arbeiten wie die „Nachtsonne“, die letztlich als Kreisfläche erscheint, in letzter Zeit vielfach mit der sich aus der Synthese von Sechseck und Kreis ergebenden Endlosschlaufe arbeitet, verweist die „Circulationen“ respektive „Konfigurationen“ von ihrer phänomenologischen Ebene auf ihre sym …