Ana Axpe und Hubbard/Birchler im Centre d’art Neuchâtel (CAN) 1999

Widersprüche in spannenden Bildern

Ana Axpe und Hubbard/Birchler im Centre d’art Neuchâtel (CAN)  Bieler Tagblatt  5.2. 1999

Mit der Ausstellungsreihe „NB“ trifft das Bundesamt für Kultur (BAK) zwei Fliegen auf einen Streich. Es fördert junge Kunstschaffende und propagiert seine Ateliers in New York und Berlin (NB).

Viele Kantone und Städte verfügen heute über Ateliers in Paris, New York, Berlin, Kairo, Brüssel, Prag usw., die sie in Form von Stipendien an Kunstschaffende vergeben. Niemand verquickt indes Förderung und Manifestation von Leistung so geschickt wie der Bund. Seit drei Jahren ermöglicht (und finanziert) er den Rückkehrern eine Ausstellung mit Katalog in einer kleineren Schweizer Kunsthalle. Die medialen „Katastrophen“ von Christoph Draeger und das Vergangenheit in Gegenwart katapultierende Künstlerpaar Biefer/Zgraggen war letztes Jahr im „Palazzo“ in Liestal zu Gast. Nun sind neue Werke der in Genf lebende Brasilianerin spanischer Abkunft Ana Axpe und das irisch-schweizerische Künstlerpaar Teresa Hubbard und Alexander Birchler im Centre d’art Neuchâtel (CAN) zu sehen.

Bereits vielbeachtet
Dass dies schon die zweite „NB“-Ausstellung des BAK im CAN ist, stellt zwar die Frage, wie weit die Freundschaft eines Departementssekretärs und eines Konservators gehen darf, rüttelt aber nicht an der künstlerischen Qualität der Ausstellung. Die 30jährige Foto- und Videokünstlerin Ana Axpe ist seit langem Vorzeige-Künstlerin des BAK. Seit 1995 hat sie drei Eidgenössische Stipendien sowie das New York-Atelier erhalten. Medium, Qualität, und in der Schweiz lebende Ausländerin – da verband sich für die Eidgenössische Kunstkommission Kunst und politische Strategie geradezu ideal. Das primär mit Fotografie arbeitende Basler Paar Hubbard und Birchler (geb. 1965/1962) arbeitet seit 1990 zusammen und gehört ebenfalls zu den bereits international beachteten jungen Schweizer Kunstschaffenden. Dass sie erst 1997 erstmals ein Eidgenössisches Stipendium erhielten, hängt damit zusammen, dass sie sich früher gar nie darum bewarben; weitere werden aber sicherlich folgen.

Partizipationskunst
In den neuen Werken von Ana Axpe und Hubbard/Birchler die Einflüsse New Yorks respektive Berlins zu suchen ist unergiebig. Zwar ist Axpes „Pin up“ – Serie von der enormen Werbe-Präsenz der amerikanischen Kapitale geprägt und Hubbard Birchlers „Uebergangssituationen“ könnten Berlin spiegeln, doch interessanter sind die grundlegenden, künstlerischen Anliegen. Wirft man der 90er Jahr Kunst oft vor, sie sei oberflächlich, so wiederlegen Axpe und Hubbard/Birchler gerade dieses Vorurteil. Engagement und präzise Analytik prägen beide Werke. Gemeinsam sind ihnen auch Inszenierungen, Rollenspiele und eine Struktur, die zuweilen mit „Partizipationskunst“ bezeichnet wird. Das heisst eine erzählerische Bildanlage dokumentiert nicht etwas Gegebenes, sondern im Gegenteil eine Fragestellung. „Zu welchem Zeitpunkt lässt sich die mentale Störung meiner Mutter klinisch feststellen?“ ist zum Beispiel der Titel einer der in Neuenburg gezeigten Arbeiten von Ana Axpe.

Keine Antwort
Seit langem befasst sich Ana Axpe mit so Schwierigem wie „Wahrheit“, die sie über Dokumente der Erinnerung so visualisieren sucht; Vaters Engagement im spanischen Bürgerkrieg, Mutters Einweisung in die Klinik, aber auch die eigene Erscheinung und ihre Widersprüche. Axpe ist dort besonders stark, wo sie nicht ausbreitet, sondern verdichtet, zum Beispiel in einem Video, welches vollflächig das überschminkte Gesicht eines Pin up Girls zeigt, das am laufenden Band geohrfeigt wird und gleichzeitig krampfhaft versucht, seine „Contenance“ zu halten. Auf die Frage nach dem „warum“ gibt es keine Antwort – die Nähe zu masochistischen Frauen-Videos der frühen 70er Jahre ist indes sicher nicht Zufall.

Der Blick und der Moment
Das fotografische Schaffen von Hubbard und Birchler ist scheinbar weniger emotional. Und doch ist es gerade das subtile Aufladen von inszeniertem Alltag, das die Werke auszeichnet. Die meisten der im CAN gezeigten Fotos waren 1998 bereits in „Freie Sicht aufs Mittelmeer“ im Zürcher Kunsthaus zu sehen, frühere Arbeiten 1997 im Rahmen von „Nonchalance“ in Biel. Gemeinsam ist ihnen eine geteilte Raum-Situation und ein sichtbares Anhalten von Zeit. Beides sind Momente, die per se zur Fotografie gehören, hier aber auch Inhalt sind. Da ist zum Beispiel eine Frau, die eben daran ist durch ein Fenster ein- oder auszusteigen. Doch in ihrem (für uns unsichtbaren) Blickfeld scheint etwas zu geschehen, darum hält sie mitten in der Bewegung inne. Die farbliche, räumliche und proportionale Klarheit der Aufnahme, die gleichzeitig nichts als Unklarheit zum Ausdruck bringt, schafft eine enorme Spannung, die zugleich die ausserordentliche Qualität ist. In „Gregor’s Room“ treiben die beiden das Aufladen inszenierten Alltags im Bereich Video voran.

Kleiner Katalog.