Beat Zoderer im Haus für Konstruktive Kunst in Zürich 1999

Schafft mit präzisen Transfers überraschende Konstellationen

www.annelisezwez.ch   Bis 31.10.1999

Einst war Beat Zoderer ein ”Enfant terrible”. Er ist es immer noch, aber mit Präzision und mehr Intellekt als Spiel. Das Haus für konstruktive und konkrete Kunst in Zürich zeigt installative Werke des Aargauers.

Der retrospektive Buchkatalog zur Ausstellung von Beat Zoderer in Zürich ist vom Verlag für Moderne Kunst in Nürnberg herausgegeben. Der 44jährige Aargauer mit Wohn- und Arbeitsort in Wettingen ist in Deutschland bekannter als in der Schweiz. Zwar hat der Aargau ihn immer wieder gefördert und seine Werke gezeigt – zuletzt 1995 im Aargauer Kunsthaus – und Beat Zoderer hat sich seit seinem fulminanten Einstieg im Rahmen der Lenzburger Freilichtausstellung ”Kunst und Natur” (1982) immer wieder im Aargau engagiert.

Nicht zuletzt dank der Aargau-Connection der Zürcher Galerie Mark Müller hat Beat Zoderer auch im Kunstmarkt eine gute Position.

Dennoch ist es vor allem Deutschland, das seine unkonventionelle Art, zugleich dekonstruktiv wie konstruktiv zu arbeiten auch kunsttheoretisch rezipiert. Die sieben, sich von Ort zu Ort wandelnde Stationen umfassende  Ausstellung wird, neben Zürich und La Chaux de Fonds  (Juni 2000), in nicht weniger als fünf mittelgrossen deutschen Museen gezeigt. In der Schweiz begegnet man ihm hingegen vielfach immer noch als dem ”wilden” Trash-Künstler der frühen 80er Jahre oder gar als dem ”Nietzsche-Häuter” und ”ASO”-Sucher (ASO= ausserirdische Seelenobjekte) der späten 70er.

Trotzdem ist es fraglich, ob es von Seiten des Künstlers eine richtige Entscheidung ist, sein gültiges Werk im genannten Katalog mit dem Torso von 1986, einer ” Holzkiste, zersägt und neu geschichtet”, zu beginnen. Also quasi mit dem Beginn der geometrisch-konstruktiven Linie in seinem Werk.

Denn das Anarchische, emotionelle, wilde und kämpferische Frühwerk ist als Stachel die Basis seines Schaffens, auch wenn dies heute sehr viel durchdachter und präziser erscheint. Macht doch gerade das Wissen um  die figürlichen ”Geschlechterkämpfe” und die Möbel-”Schlachten” die spätere Entwicklung so spannend. Denn wäre dieser Stachel nicht latente Erinnerung, man würde die für Zürich weiterentwickelte ”Horizontale Partitur” aus einer Vielzahl von zum Teil bemalten, zum Teil roh belassenen Baumaterialien nicht im selben Mass als labiles Gleichgewicht zwischen ironischem und künstlerischem Wollen interpretieren können.

Die Gratwanderung ist die Qualität der Arbeiten von Beat Zoderer. Im konkreten Fall unter anderem die Fortsetzung einer Wand- in eine kubische Raum-Arbeit, so situiert, dass sie innerhalb des Museums exakt unter dem ständig installierten ”dining room” von Fritz Glarner steht.

Obwohl die Arbeit in ihrem Wechselspiel zwischen Farben, Materialien und Formen zwischen Würfeln,  Dachlatten, Metallträgern und Kartonrohren in sich selbst spannend ist, sind es doch  die Abweichungen und Gedankenspiele, welche das raumfüllende Werk – im Gegensatz zur konkreten Kunst – nicht zur Ruhe kommen lässt. Man könnte sagen,  dass immer dort, wo sich Arbeiten von Beat Zoderer an etwas reiben – sei es eine ortsspezifische, eine kunstgeschichtliche oder eine vom Material ausgehende Gegebenheit – da werden sie reich. Da wird das gefährliche Moment der reinen Variation, wie sie in seiner Ausstellung im Aargauer Kunsthaus zuweilen aufblitzte, aufgehoben.

Dementsprechend ist die Zürcher Ausstellung, die praktisch nur installative Werke zeigt, spannender als seinerzeit die Aarauer. Da ist – wohl als Höhepunkt – eine  ortsspezifische Arbeit, welche die Architektur des Hauses nicht nur einbezieht, sondern zum Teil der Kunst macht. Eine tragende, raumteilende Wand ist 16 Mal durchbohrt; die sorgfältig zugeputzten Löcher haben einen Durchmesser von 5 bis  40 Zentimeter.

Einem Regal gleich nutzt sie der Künstler, um Rohre und Latten aus dem Baubereich horizontal hindurch zu stossen, so, dass sie in beide Räume ausfahren und die Wände beidseits zu  einem proportional vielgestaltigen Relief machen. Rund und eckig, lang und kurz, Holz, Kunststoff, Metall – alle Komponenten der zoderschen Kunst spielen zusammen. Was die Arbeit über formale Momente hinaus spannend macht, ist der zugleich spielerische wie präzise Transfer der Baumaterialien in die Architektur, die damit in gewissem Sinn zum Arsenal ihrer selbst wird.

Wie sehr Zoderers Schaffen konzeptuell und intuitiv zugleich ist, zeigen da und dort “Geschenke”. Bezogen auf die Zürcher Ausstellung: Der Künstler wusste, dass eine Wand des Museums der eigentlichen Architektur vorgelagert ist und ein Fenster verbirgt. Da erinnert er sich zweier Arbeiten von 1995 – einer gefrästen und einer durchbohrten Platte, die (sicher bewusst) an Lucio Fontana denken lassen. Die zwei Momente nimmt just vor dem versteckten Fenster auf, fräst und bohrt und lässt so Licht von hinten eindringen. Dass daraus ein funkelnder “Sternenhimmel” entstehen würde, war wohl nicht antizipiert, aber in der Anlage der Arbeit intuitiv möglich gemacht. Auch das Unerwartete gehört zum Schillernden der besten Arbeiten von Beat Zoderer.

Haus für konstruktive und konkrete Kunst, Zürich:  “Für alle Fälle”, installative und andere Werke von Beat Zoderer. Bis  31. Oktober 1999 Katalogbuch: 208 Seiten. Texte: Elisabeth Grossmann, Thomas Wulffen, Renate Puvogel u.a.