Irma Ineichen Galerie Elisabeth Staffelbach 1999

Weiche, satte Farben geben den Räumen Klang

Die neuen Bilder der Luzerner Malerin Irma Ineichen (geb. 1929) zeichnen sich durch eine immer stärkere Reduktion des Erzählerischen aus. Monochrome Felder bilden farbige Räume, lichtbetonte Zonen . Immer wieder stellt die Künstlerin bei Elisabeth Staffelbach im alten Bahnhof in Lenzburg aus.

„Irma Ineichen“ – so schreibt Doris Fässler im neuen Lexikon der Schweizer Kunst – „war in den 70er Jahren eine der wichtigsten Vertreterinnen der von Jean Christophe Ammann propagierten Innerschweizer Innerlichkeit … Symbole wie Wasser, Turm und Tisch haben archetypischen Charakter und werden bewusst in die traumartige Bildwelt integriert“. In gewissem Sinn ist Irma Ineichen diese Malerin geblieben – in der Zentralschweiz und bis in den Aargau eine der grossen Stillen dieser Zeit, in der übrigen Schweiz und im Ausland jedoch fast nur Insidern bekannt.

Wenn auch die neuen Bilder, die im Nachgang zu zwei Reisen nach Japan entstanden sind, nurmehr selten den fremd-nahen Charakter eines Traumes haben, so hat die Malerei der in Luzern und Paris arbeitenden Künstlerin doch ihre Grundthemen bewahrt. Es geht um das subtile Setzen von Farbflächen, die Räume jenseits von Architektur und Alltag beschreiben.

Schon immer, so sagt Irma Ineichen, sei ihr die Farbe und somit die Malerei sehr wichtig gewesen, doch in der Rezeption sei meist vom Erzählbaren die Rede gewesen. Nun habe sich das geändert, da fast nur noch die Farbe „erzähle“. Die Farben haben sich seit den 80er Jahren kaum verändert, nur nimmt man das zum Rot tendierende Lachs, das mit Grau leicht abgetönte Blau, das gleichwertige, helle Grün, das satte,leuchtende Gelb nun ganz anders wahr, da sie zu abstrakten Trägern der Bildkomposition geworden sind. Dabei geht es der Künstlerin ganz offensichtlich nicht darum, die Farben zu einem Gesamtklang zu verschmelzen, sondern vielmehr die verschiedenen Töne autonom nebeneinander zu stellen. Zusammen mit der auf Tiefenwirkung ausgerichteten Komposition ergeben sich so architekturnahe Momente; Räume, die sich hintereinander öffnen respektive schliessen.

Es ist das über warme Farben ins Bild hinein geführt Werden, das den für die Bildbeziehung massgebenden Eindruck des Verlassens der Realwelt auslöst. Man kann es das japanische Moment nennen. ( Wie die aktuelle Ausstellung „Japandorf“ im Kunstmuseum Thun zeigt, ist es den jungen, japanischen Kunstschaffenden auch heute noch ein Anliegen, über Form und Farbe ein Gefühl der Ueberhöhung zu erreichen.) Gleichzeitig ist dieses schwebende Moment aber auch die Rückbindung an den Traum, der Spannungsbogen zurück zur „Innerschweizer Innerlichkeit“.

Diese gänzlich auf monochrome Felder reduzierten Bilder sind die radikalsten in der Lenzburger Ausstellung. Daneben gibt es viele Zwischentöne; Bilder, die im Zentrum letzte Reste erzählerischer Strukturen – die Andeutung eines Waldes zum Beispiel – zeigen, sind ebenso häufig. Zuweilen sind sogar die aus früheren Bildern bekannten „fliegenden Teppiche“, die „Tische“, „Inseln“ „Flüsse“ und „Alleen“ angedeutet oder gar ins Zentrum gerückt.

Was die Bilder über das bereits Formulierte hinaus zusammenhält, ist so etwas wie „Langsamkeit“, ein sanfter Zwang inne zu halten. Man kann nicht durch die Bild-Räume rennen; die Farben sind nicht als Flucht, als Sog angelegt, sondern als Räume, die im Schauen zu durchschreiten zumindest die Länge eines Atems einfordert.