MediaSkulptur ’99, Video-Kunst-Szene-Schweiz in Langenthal.

Die verführerischen Effekte verfeinerter Technik

annelisezwez.ch  Bis 07.11.1999

Zum dritten Mal zeigt das Kunsthaus Langenthal schweizerisches Video-Schaffen in einer Ueberblicks-Ausstellung Entwicklungen sind deutlich sichtbar.

1990, anlässlich der ersten „MediaSkulptur“ in Langenthal, hatte das Video noch deutlich experimentellen Charakter. Heute ist Kunstschaffen mit Video Bestandteil jeder grösseren Museumsausstellung. Das Medium hat den Durchbruch geschafft. Dementsprechend gross ist heute die Zahl der mit Video Schaffenden. Dementsprechend breit sind die inhaltlichen Konzepte. Von Video-Kunst als Stilbegriff zu sprechen ist nicht mehr möglich.

Eine Ausstellung, die Video als Medium ins Zentrum stellt, wird dadurch fast automatisch zu einer Schau technischer Entwicklungen und Möglichkeiten. Oder, anders ausgedrückt, es sind die Konstitutiven des Mediums, nämlich Zeit, Bewegung, Licht und Bild, verbunden mit unserer Wahrnehmung derselben, welche den roten Faden von „MediaSkulptur ’99“ bilden.

Die darüber hinausgehenden, künstlerischen Inhalte gehen dabei in der Vielfalt des Verschiedenartigen zuweilen etwas verloren. Es sei denn, man lasse sich nicht blenden vom virtuellen Tanz der Figuren, vom Stakkato der Bilder, vom Wechsel der Zeit- und Raumebenen und frage hier und dort nach dem tieferliegenden Sinn. Und plötzlich wandelt sich der Begriff von Qualität, wird das Raffinierte möglicherweise zum Belanglosen, das Unspektakuläre vielleicht zum Erkenntnisreichen. Mit anderen Worten, man hüte sich vor den Verführungskünsten der Technik.

„MediaSkulptur’99“ zeigt 24 Video-Rauminstallationen von 26 Schweizer Künstlerinnen und Künstlern. Sie ist in jeder Hinsicht auf Vielfalt angelegt. Bekannte Namen wie Alexander Hahn, Co Gründler, Muda Mathis und Sus Zwick, Hervé Graumann, Stefan Banz stehen ebenso auf der Liste wie noch kaum bekannte; Edith Flückiger etwa, Fabienne Guillermin, Bettina Grossenbacher, Gabriele Rérat oder Ruedi Steiner. Schon immer war Ursula Wittwer, zum dritten Mal Kuratorin der Veranstaltung, der Sprungbrett-Charakter von MediaSkulptur wichtig. Vielfalt verstehen die Veranstalter in der „Provinz“ bewusst auch geographisch. Zürich ist als Herkunftsort der Teilnehmenden zwar dominant, aber da sind auch Projekte aus Bern, Luzern, Solothurn, Aarau, Basel und Genf. Künstlerisch ist das irrelevant, kulturpolitisch aber nicht unbedeutsam.

Mannigfaltigkeit war auch Zielsetzung bei den Erscheinungsformen. Das Spektrum der gezeigten Arbeiten reicht von zwei hochkant aufgestellten Monitoren auf weissen Sockeln über die an die Wand projizierte Performance-Dokumentation bis zur chipabhängigen, interaktiven Rauminstallation; von der skelettartigen Lichtröhre bis zur Cyber-Tarnkappe mit Augen-Tentakeln.

Zumindest für Insider etwas enttäuschend ist die relativ grosse Zahl der anderswo schon gezeigten Arbeiten, auch wenn dies primär mit dem Lowcost-Budget der Veranstaltung zu tun hat. Immerhin ergibt die Installation in anderen Räumen zuweilen neue Aspekte: Die Technik und Warhrnehmungsgewohnheit thematisierende Arbeit „green amber“ von Hannes Rickli zum Beispiel ist in Langenthal komprimierter inszeniert und darum dichter als seinerzeit in Aarau. Die Tulpen zerquetschende „Fanny“ von Christine Hunold hingegen hat trotz Moosgeschmack nicht die Intensität der Erstpräsentation in Baden. Auch beim zweiten Mal eindringlich ist demgegenüber „I came here to sleep“ von Alexander Hahn, eine Arbeit, die eine mit einem Zoomobjektiv aufgenommene Strassenszene mit Zeitlücken zeigt und damit nach der Wechselwirkung von Erinnern und Vergessen frägt.

Ganz offensichtlich ist da und dort auch der Einfluss der grossen, internationalen Namen – so sind die beiden tonlos von Wand zu Wand miteinander sprechenden Frauenköpfe von Christiane Hummel und Simone Zaugg nicht ohne die berühmte „Begegnung“ von Bill Viola denkbar. So rufen die im dunklen Raum, im Wind tanzenden Spiegelfiguren „von Heinrich Breiter bald einmal die Erinnerung an Pipilotti Rists Zürcher „Schlafzimmer“ wach. So ist eine Schneckenarbeit unter dem Titel „Real Time“ (Gabriele Rérat) immer assoziativ verbunden mit der analogen, älteren Arbeit von Marie José Burki; dasselbe gilt auch für die farbigen Wellensittiche in „shiny birds in paradise“ von Co Gründler.

Quer durch die Arbeiten hindurch sind drei Momente auffallend: Zum einen die Bedeutung der Projektion auf verschiedenste Träger. Der Projektions-Kegel der bereits mehrfach gezeigten „Schwimmenden“ von Edith Flückiger zum Beispiel ist auf eine Wand/Boden-Konstruktion ausgerichtet. Dadurch erscheinen die Figuren in der Vertikalen zunächst zu schwimmen, um dann auf dem Boden blitzartig in die Lichtquelle eingesogen zu werden. Die Projektionsfläche bestimmt so die inhaltliche Wirkung mit. Fast scheint es im Weiteren, dass das Video mehr und mehr zu einem „Ort“ für Performance wird. Als Beispiel: Die sich in einer Vis-à-Vis-Situation mit Buchstaben-Suppe bespeienden Stefan Halter und Franz Gratwohl. Ferner ist die Verlockung mit aesthetisch schönen Bildern zu verführen oft dominanter als die Suche nach Vertiefung.
Obenaus schwingen jene Arbeiten, die visuell und inhaltlich Vertiefung erreichen. Zum Beispiel Ursula Pallas technisch komplexes „Weites Land“, das sich verändert, je nachdem welchen Chip die Leute im Raum bei sich tragen. Ist nicht auch der Blick der Menschen codiert, je nach Prägung?

Spannend ist auch die Installation von Ruedi Steiner, der drei Stickerinnen damit beauftragt hat, vor Ort bewegte Pixel-Landschaften in Gobelinmuster umzusetzen. Hintergründigen Humor ins Geschehen bringen – wie immer – Muda Mathis und Sus Zwick, welche PC-Software als „Waffe“ einsetzen, um – in einer Art Video-Performance – das Bild der je anderen aus der Fläche verschwinden zu lassen. Eine zugleich eindrückliche wie erschreckende Nonchalance im Umgang mit Bild und Realität zeigt der „Tauchgang“ von Tatjana und Zelijka Marusic, welche die Geschichte des Langenthaler Kunsthauses mit heutigen Bildern bis in die Urzeit zurückzuverfolgen vorgeben, wobei überdimensionierte Würmer jeweils das Ende einer Epoche einleiten. In der technischen Umsetzung nicht neu, aber dennoch vielschichtig ist Bettina Grossenbachers Zwillingsarbeit, die das Thema der Aehnlichkeit, somit auch der Vervielfachung und der genetischen respektive medial geschaffenen Adaptation, in parallelen und sich überlagernden Bildern zur Diskussion stellt.

Anstelle eines Kataloges liegt eine adäquat dokumentierende CD-Rom vor. Info: www.kunsthauslangenthal.ch