Die Aargauer Kunst im Spiegel ihrer Salons 1999

Eine Ausstellung der GSMBA Aargau im Aargauer Kunsthaus

www.annelisezwez.ch  Bis 16. Mai 1999

Zur Ueberraschung vieler ist der Gesellschaft Schweizer Maler Bildhauer und Architekten (GSMBA), Sektion Aargau, gelungen, „ihre“ Kunsthausausstellung zu einem überzeugenden Plädoyer für den Kunst-Salon Aargau zu machen.

Zwei gekoppelte Entscheidungen mögen für den künstlerischen und kulturpolitischen Erfolg des Unternehmens „Salon 99“ zeichnen. Erstens: Die Wahl einer unabhängigen, nichtaargauischen Kuratorin, die unvoreingenommen auf die Kunst im Aargau schaute. Dass Rayelle Niemann gerade deswegen da und dort in Fettnäpfchen trat, liegt auf der Hand. Interessant ist, dass es die Bedeutung der Aargauer Künstler in Zürich ist, welche sie motivierte. Zweitens: Das Konzept, das die Kuratorin der GSMBA Aargau vorlegte, sah keine thematische Ausstellung vor, sondern über das historisch reiche Gefäss „Salon“ eine Art Auslegeordnung von künstlerischen Positionen, Kunsträumen und Strukturen im Aargau. Und, im Begriff eingeschlossen, das Gespräch, das Event darin, darum und darüber.

Die Qualität der Realisierung ist wiederum zweischichtig. Rayelle Niemann hat nicht das Bekannteste gewählt – nicht das Kunsthaus, nicht das Kuratorium, nicht die Aushängeschilder der Kunst im Aargau, sondern ganz subjektiv das, was sie weniger kannte, spannend und für die Kunst heute relevant fand. Damit bewegte sie sich intuitiv in einer Schicht, die strukturell der GSMBA und vielleicht sogar dem Aargau in sich entspricht. Und damit wiederum vermochte sie die Kunstschaffenden, ob sie nun der Gesellschaft angehören oder nicht, zu motivieren.

Auch wenn von Vollständigkeit keine Rede sein kann, so ist die Vielfalt der Beteiligten doch überraschend und erfreulich und dadurch recht eigentlich eine „mise en scène“ eines Aargauer Kunstlebens wie man es vor lauter Grosstadtkunst in letzter Zeit kaum mehr so richtig wahrnahm. Damit hat die GSMBA Aargau nicht einfach eine Ausstellung realisiert, sondern ihre eigene, mögliche Funktion thematisiert.

Im Aargauer Kunsthaus selbst (ohne Rahmenveranstaltungen) gibt es in der Fülle vier Bereiche, die besonders hervorzuheben sind. Da ist einmal der „Landschaftssalon“, in dem nach Salonmanier auf kleinem Raum ein dichtes Bild der Aargauer Landschaftsmalerei von der Eroberung der Alpen durch Caspar Wolf bis zur Generierung von Cyber-Gärten durch Regula Dettwyler inszeniert ist. Spannend ist dabei nicht das Einzelbild, sondern das Netzwerk, das Stile, Zeiten, An- und Einsichten querverbindet. Einen Kontrapunkt dazu bildet der „Salon de la documentation“ im Parterre, der mit einer Galerie des Kunst-Bau-Arbeiters vom Dienst, Daniel R. Hunziker, den Salon als begehbaren Raum thematisiert, als Ort des Lesens, des Schauens, des Erinnerns, des Sammelns. Pointiert ist die Plazierung des digitalen Salons von Felix Stampfli und Manfred Schiefer an einem Un-Ort im Baugerüst, spielt doch im virtuellen Raum der reale Raum keine Rolle (www.derdigitalesalon.ch).

Ein dritter Höhepunkt ist nicht eigentlich ein Salon selbst, sondern all das, was als Akzente mitschwingt, ablenkt, ergänzt. Sei es das „Freistilmuseum“ mit seinen kulturpolitischen Ansätzen zu Kunst kaufen, mieten, unterhalten, an und mit Kunst Geld verdienen (oder auch nicht). Seien es die Orientierungshilfen von Barbara Mühlefluh, die mal als Rollbrett, mal als Spiegel zur Positionierung des Ichs im ganzen Haus verteilt sind.

Ein wichtiges Thema spiegelt sich im „Salon collectioneur“, der Einblick in die Aargauerkunst-Sammlung von Max Amsler gewährt und damit den Weg vom Künstleratelier in den Ausstellungsraum und weiter in den Privatraum aufzeigt. Als gelungene Einzelprojekte seien der „Grüne Salon“ von Germaine Frey angemerkt, in dem über Tonband die Titel der Werke der Aargauer Kunstsammlung ertönen, quer durch Zeiten, Stile und Namen, die man sich so ganz neu denken kann.
Ferner der vielschichtige „Salon des refusés“ – ein fragiler Glasboden, den man auf dem Rundgang zu durchqueren hat und dabei – ohne zu wollen – Scherben verursacht. Weniger gelungen scheint uns (leider) der „Körpersalon“. Nicht aufgrund der einzelnen Werke, sondern weil die Ueppigkeit der übrigen Säle, die Ausdünnung hier „mager“ wirken lässt, raumgreifendem Video-Gelächter zum Trotz. Obwohl kurios, köstlich, reich und viele unbekannte Kunstschaffende einbindend, gehört auch der „Speisesalon“ eher zu den Abstrichen. Der Kunstraum Aarau hat hier zu sehr eine Ausstellung eingerichtet, als das Thema Künstler, Raum und Vermittlung an sich thematisiert.

Informationen: www.derdigitalesalon.ch
Katalog in zwei Teilen.