Amtshimmel Baden:Susanna Perin, Peter Spillmann, Félix Stampfli 1999

Wird die Kunstlandschaft wieder politisch?

www.annelisezwez.ch  Bis 22. Mai 1999

Es ist die Aufgabe städtischer Galerien, Ausstellungen mit zumindest regionalem Pioniercharakter zu veranstalten. Die „Social Dreammachine and other temporary landscapes“ von Susanna Perin, Peter Spillmann und Félix Stampfli in der Galerie im Amtshimmel in Baden ist eine solche.

Nicht primär der Einsatz von Video und die Kopplung von Internet und Ausstellung machen die drei voneinander unabhängigen Installationen in Baden ungewöhnlich. Es ist vielmehr das Bekenntnis zu einer Kunstlandschaft als politischem Feld, anders und ähnlich wie es die Kunst der 70er Jahre kannte. Standen damals ökologische Themen im Vordergrund, sind es nun sozialgesellschaftliche und, darin eingeschlossen, urbanistische Fragestellungen. International ist dieser Kunsttrend – einer unter vielen – nicht neu. Die Shedhalle in der Roten Fabrik in Zürich pflegt ihn seit Jahren; die documenta X hob ihn 1997 auf ihren Schild.

Die Ausstellung in Baden als Verlängerung der Shedhalle zu sehen, ist indes falsch; nur „Just click your own life“ von Peter Spillmann (Zürich) kommt aus diesem Umfeld. Susanna Perin (Lenzburg) hat ihre auf urbane, das öffentliche, politische Leben ausgerichtete Arbeitsweise aus Rom zurückgebracht. Die interaktive „Social Dreammachine“ von Félix Stampfli (Lenzburg) ist offener in ihrer Anlage, in ihrer intellektuellen Vergleichbarkeit mit Beuys „Honigpumpe“ aber gleichwohl klar gesellschaftlich ausgerichtet.

Wer unter einer Kunstausstellung einen Ort der Sinne versteht, sieht sich sich hier für einmal enttäuscht. Der Kopf, die Reflexion, die Diskussion wird herausgefordert. Bei Félix Stampfli geht es nicht nur darum, zu begreifen, wie man über ein Bildschirmformular veranlasst, dass Pingpongbälle in den blauen Himmel fallen (was man vor Ort hört, aber nur am Bildschirm sieht, darum ist auch das in den Himmel Fallen möglich). Hier geht es um eine „Social Dreammachine“, das heisst den Traum der Internet-Pioniere, dass mit der Möglichkeit weltweiter Kommunikation die Grenzen von 1., 2. und 3. Welt aufgehoben würden; jedem seinen Pingpongball. So einfach die über jeden Internetzugang (www.landscapes-net.ch) einsehbare und aktivierbare Anlage scheint, so komplex ist die Technik. Mit der Zusammenarbeit mit der Aargauer Fachhochschule, Abt. Technik, und der Softwarefirma Dummy Enterprises lebt Stampfli vor, was die kommende Gestaltungsabteilung der Fachhochschule anstrebt: Crossover zwischen Kunst/Gestaltung und Technik.

Susanna Perin befasst sich in der aktuellen Arbeit mit dem Limmattal von Wettingen bis Zürich. Dietmar Koeppels Untersuchung zur „Landschaftsveränderung“, die Sicht aus dem Zug, aus dem Auto, das Gespräch am (Ausländer)-Stammtisch bilden die Grundlage für Denkarbeit an der Grenze zwischen Soziologie und „erweitertem Kunstbegriff“; Kunst als visuell aufbereitete, unabhängige und gleichzeitig gezielte Fragestellung. Bezüglich Stellungnahme radikaler ist Peter Spillmanns Arbeit zum Thema Familie, Rollenverteilung, Werbung, Statistik und gelebte Realität. Sie kommt als Tapete mit repetierten Mustern, als Therapiezimmer, als Werbetraum-Welt daher. Die manipulative Setzung ruft nach Reaktion; doch wichtiger als die behaupteten Fakten, ist die Sichtbarmachung der Spannungen angesichts der Unvereinbarkeit von Lebensträumen und einer durch die sozialpolitische Gesellschaftsstruktur gegebenen Realität. Eine herausfordernde, spannende Ausstellung, die ebensoviele Fragen stellt wie sie Antwortgefässe bereit hält.

Die gesamte Ausstellung samt Hintergründen und Thesen ist über Internet einsichtig: www.landscapes-net.ch.