Retrospektive Christopher Wool Kunsthalle Basel 1999

Expressive Konzeptkunst

www.annelisezwez.ch  Bis 30.05.1999

Als die erste Europa-Tournee des US-Künstlers Christopher Wool 1991 bei Ulrich Look in Bern Halt machte, traf seine expressive Konzeptkunst den Nerv der Zeit. Der Retrospektive in der Kunsthalle Basel gelingt das nicht.

Dennoch: Der Einstieg in die Ausstellung ist stark. Durch den Türrahmen fällt der Blick auf ein proportional eingepasst wirkendes Bild von 1997, auf dem in typisierten Schablonen-Buchstaben „YOU MAKE ME“ zu lesen ist. Der irritierende Appell, der die Betrachtenden gleichermassen intellektuell wie körperlich herausfordert, gehört in seiner Ambivalenz zwischen nüchterner Sprach-Grafik und emotionellem Inhalt zum kraftvollen Kern der Kunst von Christopher Wool. Jener subversiven Präzision, die seinerzeit in Bern von Sprachbildern wie „CATS IN BAG AND BAG IN RIVER“ ausging und in Basel von Werken wie „SELL THE HOUSE, SELL THE CAR, SELL THE KIDS“ aufgenommen wird.

Was die besten Sprachbilder des 1955 in Chicago Geborenen ausmacht ist mehrschichtig: Christopher Wool versteht sich – das zeigt die Basler Ausstellung deutlich – als Maler. Die Idee mit Sprache zu schaffen, soll ihm 1987 gekommen sein, als er vor seinem New Yorker Atelier einen Lastwagen vorbeifahren sah, auf den übereinander die Worte „sex“ und „luv“ (love) gesprayt waren; ein Wort-Bild somit. Von einer mit tapetenähnlichen Mustern arbeitenden Pop Art herkommend, interessierte es ihn, unpersönlich-genormte Buchstaben als Elemente zu einem Bild zu kombinieren. Wenn er in frühen Sprachbildern DR über NK (Drunk) oder RI über OT (Riot) oder TR über BL (Trouble) stellt, so ist das nicht phonetische Spielerei, sondern konstruktive Logik. Spannung und Gleichgewicht der Buchstaben sind ihm wichtig; den Inhalt betrachtet er als „Surplus“. Die Wort- und Satzwahl widerlegt das indes zum Teil, hat sie doch klar den Charakter eines Grosstadtspiegels.

Es ist indes bezeichnend für die unterschiedliche Rezeption von Kunst in Amerika und Europa, dass hierzulande das Inhaltliche in der Regel stärker gewichtet wird als das Formale. Daran krankt in gewissem Sinn die Basler Ausstellung, die Peter Pakesch tel quel im „Museum of Contemporary Art“ in Los Angeles eingekauft hat. Alle Essays in dem im Scalo Verlag Zürich – Berlin – New York erschienenen Ausstellungsbuch suchen nach Wools Position innerhalb der amerikanischen Malerei.

Dass deswegen die Bilder, in welchen Wool den ornamentalen, meist naturhaften Ansatz zu vielfach überlagerten Siebdrucken, Abdrucken, Malerei- und Spray-Schichten weiterführt, ein starkes Gewicht haben, entspricht wohl dem Werk des Künstlers. Anhand der Texte die Verquickung mit Pollock, Rauschenberg, Warhol etc. zu sehen, ist aufschlussreich. Aber dass, im Gegensatz zur konzeptionellen Interpretation Ulrich Looks 1991, die subversive inhaltliche Ebene, die auch den prozesshaften, malerischen Bildern innewohnt, nicht herausgeschält wird, macht die Basler Ausstellung zu dem, was sie ist: Eine eingekaufte Salon-Schau, die den Kunstmarkt im Auge hat und die unmittelbare Energie des vor Ort gestaltenden Künstlers vermissen lässt. Gerade heute, wo eine junge Generation von Kunstschaffenden jede Ausstellung als Herausforderung betrachtet, auf Raum und Ort und Gesellschaft und Zeit einzugehen, reicht das gepflegte Aufhängen von Bildern nicht mehr. Dass es zum Teil dieselben Bilder sind wie 1991 in Bern und 1997 im Rahmen der Amerika-Ausstellung „Birth of the Cool“ im Kunsthaus Zürich kommt noch dazu.

Plötzlich ist man als Rezipientin, welche „die Bilder macht“ (You make me) nicht mehr so sicher, ob die eigentümliche Atmosphäre der Ranken- und Blumendrucke, der Text bildhaft überlagernden Sprayschlaufen, der monochrom zugemalten Ornamente wirklich jene existenzielle Dimension hat, die man ihr bisher als Kontrapunkte zu den Sprachbildern zugeordnet hat. Ob es wirklich darum geht, in der Sprache die Emotion einzukapseln, um sie in der Wahrnehmung der Begriffe wieder loszulassen. Ob die malerischen Werke ihre tapetenhafte, blumige Nettigkeit in der Bearbeitung wirklich darum verlieren, weil der Künstler ihre „Schönheit“ nicht aushält und sie darum bis zur Bedrohlichkeit wieder und wieder abdruckt.

Katalog: 50 Franken.