Hanni Pfister, Buch und Retrospektive Kulturmühle Lützelflüh 1999
Wurde im Alter eine junge Künstlerin
www.annelisezwez.ch Erschienen in Bieler Tagblatt vom 14. Mai 1999
Nach 30 Jahren Feminismus sollten die Werke unbekannter Künstlerinnen eigentlich aufgearbeitet sein, doch immer tauchen neue auf: Zum Beispiel die Bernerin Hanni Pfister.
Die eben im Benteli-Verlag erschienene Monographie „Hanni Pfister (1910-1992)“ ist zu Recht auf Leben und Werk der Berner Künstlerin ausgerichtet, denn sowohl ihre Biographie wie ihr bildnerisches Werk sind typisch und damit auch exemplarisch für die Lebensstrukturen einer alleinstehenden Frau im 20.Jahrhundert. Dahingehend, dass sie ihre Träume von einem auf geistige Entwicklung hin ausgerichteten Leben, bedingt durch Zeitgeschichte wie rollenspezifische Zuordnungen, nie ins Gleichgewicht mit dem Alltag zu bringen vermochte.
Innere und äussere Zwänge liessen Freiheit nicht zu. Depressionen wurden zum Fluchtort. Paradoxerweise fand Hanni Pfister letztlich gerade durch ihre Randständigkeit den Weg aus der Verpflichtung zur Anpassung hin zu einem freien künstlerischen Werk. Dieses machte sie im Alter zur jungen Künstlerin, ohne dass man ihr diese Entwicklung freilich geglaubt hätte. Als Mitglied der Berner Künstlerinnengesellschaft GSBK nahm Hanni Pfister wohl an Gruppenausstellungen statt, doch Einzelpräsentationen gab es nur eine einzige, 1985 in einer Berner Galerie, doch da war Hanni Pfister schon 75 Jahre alt und hatte keine Kraft mehr.
Aufgewachsen ist Hanni Pfister in Burgdorf; ihre Eltern führten daselbst eine Tuchhandlung. Hanni Pfister wurde Schaufensterdekorateurin. Selbst Grieder in Zürich zeigte ihre Kreationen. Doch das elterliche Nein zu einer künstlerischen Ausbildung nagte an ihr.Sie schaffte es, Kurse zu nehmen (bei Johannes Itten u.a.), gar drei Monate nach Berlin zu reisen, doch die Kräfte reichten nicht zum Widerstand. Sie wurde krank und passte sich an. Eine erste glückliche Zeit verbrachte sie um 1947 am Genfersee. Die frühesten Arbeiten in der retrospektiv angelegten Ausstellung in der Kulturmühle in Lützelflüh datieren aus dieser Zeit; von Cézanne beeinflusste, leichte Stilleben.
Ab 1950 ist Hanni Pfister Schülerin an der Akademie von Mühlenen in Bern. Sie meint endlich Gleichgesinnte gefunden zu haben, doch man hat nur ein Lächeln für die sich zuweilen bohèmehaft gebende 40jährige mit dem kleinen Hund. Sie schlägt sich durch mit Wäsche bügeln und einer (miserabel bezahlten) Betreuungsstelle in einem Kinderhort.
Es sind die reichen Tagebücher, die ihre Interessen, ihr Wollen dokumentieren und zeigen, dass das Aussen und das Innen in heftigem Konflikt stehen; Einsamkeit. Erst Ende der 60er Jahre notiert sie: „Endlich beginnt das Wesentliche“. Zuvor schon war sie vom Abbild weg zu geometrischen Kompositionen vorgedrungen. Nun lässt sie alles analytische Wollen beiseite, sucht aus dem „Nichts“ den Fluss der Linien, formt sie zu freien, zum Teil auch abstrahierten Zeichen, die sie in farbigen und schwarz/weissen Zeichnungen zu dichten Erzählungen ohne Worte verknüpft. Plötzlich steht Hanni Pfister mit ihrem Werk mitten in der Zeit.
Den Höhepunkt findet ihr Schaffen im Laufe der 70er Jahre, wo eine Arbeit die andere ablöst. Es ist als hätte sie eine Metapher gefunden, all ihre Gedanken und Gefühle in jenem Aggregatszustand zu äussern, in dem sie sich in unserem Hirn formen. Dennoch bleibt sie eine „schwierige“ Einzelgängerin.
Nach dem Tod von Hanni Pfister im Jahr 1992 wird Inga Vatter-Jensen zu dieser Zeit Präsidentin der GSBK Schweiz – Nachlassverwalterin. Auf ihre Initiative hin wird das Werk aufgearbeitet und nun in Buch- und Ausstellungsform präsentiert.
Kulturmühle Lützelflüh: Hanni Pfister, Retrospektive. Bis 28. Mai. Mi 14-17, Fr 17-20, Sa/So 14-18, Auffahrt und Pfingstmontag 14-18 Uhr. Im Benteli-Verlag erschienen: Monographie „Hanni Pfister, 1910-1992“. Texte: Annelise Zwez, Inga Vatter, Peter Friedli. Fr. 58.-