Pixel Prints Pigmente in Kunst- u Museum für Kommunikation Bern 1999

Vom Flachen Bild zum interaktiven Raum

www.annelisezwez.ch  Bis 31.10.1999

Das Kunstmuseum Bern und das Berner Museum für Kommunikation spannen zusammen. Das macht Sinn denn Technik, Kommunikation und Kunst beeinflussten einander schon immer.

Das Aufkommen digitalisierter Bilder, die eine Welt unabhängig von der Welt generieren können, hat eine breite Diskussion um die Bedeutung des Mediums als Träger von Bildern entfacht. Das brachte das Kunstmuseum Bern und das in seiner heutigen Form noch junge Museum für Kommunikation auf die Idee, die Wechselwirkungen zwischen Pixel, Prints und Pigmenten in einer thematischen Ausstellung auszubreiten.

Dass die Gratwanderung zwischen Didaktik und Kunst weitgehend gelang, ist in erster Linie der Qualität der exemplarisch eingesetzten Werke von Cézanne über Markus Raetz bis Nan Hoover zu verdanken. Dennoch ist die Ausstellung nicht primär eine Augenweide, sondern ein fasziniernder Anstoss die Kunstgeschichte einmal anders zu betrachten. Und dabei erstaunt festzustellen, in welchem Mass die Technik – von Dürers Radierungen bis zu Hervé Graumanns kollektiver Internet-Malerei, von der Erfindung der Fotografie bis zur interaktiven Raum-Installation – stets wesentlichen Einfluss auf die Entwicklung der Kunst und ihre Rezeption ausübte.

Dabei laufen zwei Stränge parallel. Da ist zum Einen die Wirkung der Kommunikation, von den ersten, vervielfältigten Drucken im 16. Jahrhundert über die beliebig kopierbare Fotografie bis zum global verbreiteten Internetbild. Und zum anderen jener des Einflusses von Fotografie respektive audiovisuellem und digitalem Bild auf die Entwicklung der Malerei und umgekehrt.

Dabei ist gerade die Wechselwirkung das Spannende; die Beobachtung, dass Paul Klee in seinem berühmten Bild «Ad parnassum» durch die Gestaltung des Motivs (eine einfache Haus-Silhouette in einer Vollmondnacht) mit mehrschichtigen Stempelpunkten 1932 den Effekt einer Bildauflösung erreichte wie sie später im digitalen Bereich alltäglich wird. Das Beispiel zeigt, dass die Ausstellung in gewissem Sinn eine Hommage an die Malerei ist. Nicht an die Technik der Malerei, sondern an den Maler oder die Malerin, die mit ihrer Phantasie und ihrer Wahrnehmung der Welt Wesentliches der bildtechnischen Entwicklungen Jahrzehnte vorweggenommen haben. Die Kunstschaffenden, die sich als Reaktion auf die Erfindung der Fotografie als abbildene Technik längst eine eigene Welt unabhängig von der Welt geschaffen haben. Der Vergleich der digital manipulierten Fotografie &shyp; sei es in Nuancen bei Andreas Gursky, grundlegend bei den Plotterprints von Bodan Stehlik &shyp; mit der Malerei liegt darum auf der Hand.

Die Frage, was denn das digitale Bild bringe, was die Malerei nicht schon erfunden hat, muss gestellt werden. Die Antwort findet man nicht im ausgedruckten Einzelbild, sondern im Phänomen der Immaterialität, die nicht greifbar ist, sondern sich mit jedem Tastendruck verändert, mit dem agiernden Menschen in stetem Austausch steht, sei es im Online-Prozess oder in der interaktiven Installation. Luc Courchesnes interaktives Videopanorama, das es dem Betrachter von vier Stationen aus erlaubt, mit dem Geschehen in einem digital erzeugten Park in Kommunikation zu treten, zeigt, was für eine Faszination in diesen neuen bildnerischen Möglichkeiten stecken kann (Museum für Kommunikation).

Zwar kann man auch hier – zumindest theoretisch – sagen, dass diese Interaktivität nichts anderes sei als die alte Weisheit, wonach der Mensch erst im denkenden Betrachten eines Bildes dieses zu Lebendigkeit führe, doch hier wird dieser Prozess ausserhalb des Körpers vor Augen geführt und damit zum kollektiv Erfahrbaren gemacht; zumindest soweit wie es die gespeicherte Software erlaubt. Dass dies alles erst im Rückblick wahrnehmbar ist, macht die Ausstellung zur herausfordernden Neubetrachtung der Geschichte. Die Ausstellung geht geschichtlich bis zu Dürer zurück, die Akzente setzt jedoch die Gegenwart.

Zu Beginn steht die Gegenüberstellung der Fotografien, die Franz Gertsch als Ausgangspunkt für die Holzschnitte «Cima del Mar» dienten, und deren künstlerische Umsetzung in grossformatige Drucke auf Japanpapier. Gertsch wird, unter dem Aspekt der Ausstellung, quasi zum multimedialen Künstler. Obwohl sich der Künstler in einem Videogespräch vehement für die Bedeutung der manuellen, körperlich-geistig-energetischen Umsetzung als Kunstprozess einsetzt, begegnen seine aus Tausenden von kleinen Punkten zusammengesetzten Drucke dem digitalen Bild auf einer spannungsvollen Ebene: Les extremes se touchent.

Die Ausstellung ist weder gross noch grosszügig konzipiert, aber sie enthält Zündstoff für eindringliche Diskussionen über Bilder und Bildentwicklungen, die unbedingt geführt werden müssen; nicht nur im Kunstkontext.

Anstelle eines Kataloges wurde eine aufwendige Internet-Site konzipiert. Sie ist (zuhause und in der Ausstellung) abrufbar über www.pixelprintspigmente.ch.