Regula Huegli / Werner Merkofer

Ausstellung im Klingental Basel

www.annelisezwez.ch    Annelise Zwez auf CD/Katalog Regula Huegli und Werner Merkofer 30.06.1999

„Die Begegnung der Parallelen im Unendlichen“ nennen Regula Huegli und Werner Merkofer ihr gemeinsames Ausstellungsprojekt im Ausstellungsraum Klingental (August/September 1999). Sie stellen damit von Anfang an klar, dass Euklids Geometrie, die das Denken unserer Gesellschaft prägt, für sie nicht relevant ist. Dass die Kräfte, welche unsere Welt bestimmen, mehr umfassen als das materiell Greifbare. So wie das auch die Neue Physik mehr und mehr erkennt.

Nicht dass es im künstlerischen Schaffen von Regula Huegli und Werner Merkofer um eine Beweisführung ginge. Nein, aber es geht um die geistige Grundhaltung, die ihren bildnerischen Gestaltungen und Forschungen zugrunde liegen.

Der Titel der Ausstellung könnte der Name einer Arbeit des amerikanischen Künstlers Sol LeWitt sein. Lange Zeit wurde Sol LeWitt als strenger Minimal Art – Vertreter rezipiert. Spätestens die Wander-Ausstellung mit Arbeiten auf Papier, die 1994 auch in Winterthur Station hielt, verdeutlichte indes, dass die treibende Kraft nicht geometrische Reduktion ist, sondern die Reduktion, die in ihrer Viervielfachung sich selbst transzendiert und somit auf die Wandlung des Gegebenen im Unendlichen hinweist.

So zeigt sich, dass das Schaffen von Regula Huegli und Werner Merkofer in einem grösseren Kontext, in welchen auch die Pioniere der Moderne – von Kupka über Boccioni bis Mondrian – gehören, zu situieren ist.

Die Inszenierung der Ausstellung Huegli/Merkofer im Raum Klingental zeigt in zwei seitlichen Kabinetten, die den zwei Ateliers entsprechen, je eine wichtige Arbeit, die ein Zentrum ihres Schaffens einkreisen. Es sind die Werke „Parallel im Unendlichen“ (1999) von Regula Huegli und „Nachtsonne“ (1996) von Werner Merkofer.

Regula Huegli kehrt in „Parallel im Unendlichen“ Sol LeWitt quasi um. Das heisst, sie geht nicht von den Parallelen aus, die sich im nicht Greifbaren treffen, sondern vom Zentrum, wo die Stränge sich begegnen. Das Unendliche ist in ihrem Weltbild nicht irgendwo, sondern ebenso hier wie dort. Rhythmisch und konzentriert zieht die Künstlerin die durchbrochenen, grauen Licht-Bahnen nach aussen bis an den Rand. Die Begrenzung, die- analog der Bedingtheit des Menschen – materiell gegeben ist, aber gedanklich und energetisch keine ist. Das Diesseits und das Jenseits sind miteinander verbunden.

Werner Merkofers „Nachtsonne“ ist zunächst eine schwarze Kreisfläche. Sie besteht jedoch an der Basis aus einer Vielzahl von schmalen Kreissegmenten. Der Künstler legte in lasierender (somit sich nicht mit der jeweils unteren Schicht verbindender) Technik die drei Grundfarben Rot, Blau und Gelb in spiralförmiger Folge so lange übereinander, bis sie – der verschiedenen Schichtung zum Trotz – alle als Schwarz erscheinen. In einer Misch-Technik wäre die Summe grau; der Langenthaler Künstler Jakob Weder (1906-1990) hat hiezu grundlegende Bildforschungen betrieben. Bei Werner Merkofer ist es die Verdichtung, die zu einem geradezu materiell greifbaren Schwarz führt, ohne – und das ist die Ueberraschung – dass die Farbenergien darunter verloren gingen. Konzentriert sich das Auge auf die Fläche als wäre es eine 3D-Vorlage, sieht es einer Aura gleich die Ausstrahlung der darunterliegenden, farbigen Schichten. Mit anderen Worten, die in den Farben gebündelten Energien behalten ihre Kraft auch in der sie an der Oberfläche unsichtbar machenden Verdichtung. Es gelingt Werner Merkofer, das Spektrum unserer Wahrnehmung an jene Grenze zu führen, wo Festgeschriebenes sich in Fragen mit ungewisser Antwort wandelt.

Im Mittelteil der Ausstellung begegnen sich die Arbeiten von Regula Huegli und Werner Merkofer als zwei unterschiedliche Sprachen, die über die Aehnlichkeit gewisser Formen und die Analogien im thematischen Bereich in Dialog treten. Die Art des Gespräches spiegelt sich in der Einladungskarte zur Ausstellung. Auf dieser sind zwei Sechsecke abgebildet – zwei autonome Arbeiten von Regula Huegli respektive Werner Merkofer. Das im Innern lebendige, mit schwarzem, breitem Pinselstrich nach aussen begrenzte Sechseck von Regula Huegli steht mit der einen Kante auf der uns Erdbewohnern vertrauten Horizontallinie. Die einem Parameter folgend in eine Vielzahl von roten, blauen und gelben, linearen, kleinen Sechsecken unterteilte Hexagon-Aussenform von Werner Merkofer hingegen ist nur über einen einzigen Punkt mit der Horizontalen verbunden. Dasselbe gilt in Wandlung auch für die Senkrechte.

Das heisst, auf die Gesamtwerke der beiden schliessend, dass Regula Hueglis Schaffen an der Basis von Denken, Fühlen und Gestalten stets mit der Erde in der uns zugänglichen, visuellen Struktur verbunden ist, auch wenn die künstlerische Darstellung eine ungegenständliche, symbolische ist. Während Werner Merkofers Bildsprache sich quasi im Mikrokosmos bewegt, dort wo das materiell Geformte in seine mathematischen Strukturen zerlegt erscheint, sich nur noch in einem winzigen Punkt mit der Oberfläche verbindet. So wie der Teil zum Ganzen gehört oder, weitergehend noch, im Teil das Ganze gespiegelt erscheint, ergänzen sich die beiden Werke in ihrer Unterschiedlichkeit zu einem faszinierenden Bilder-Bogen.

Eigentlich war geplant, zum Ausstellungsprojekt „Die Begegnung der Parallelen in der Unendlichkeit“ einen Katalog herauszugeben. Drucken ist teuer. Die Produktion einer CD-Rom ist heute bereits billiger. In Zukunft wird die Bedeutung der CD-Rom als Informationsträger noch wesentlich zunehmen. Man könnte sagen, dass Regula Huegli und Werner Merkofer mit der Produktion der CD-Rom der Zeit voraus sind. Umsomehr als das digitale Abbild ihrer Werke mehr bietet als nur Reproduktion. Für beide gilt, dass die immaterielle Erscheinungsweise der inhaltlichen Zielsetzung der Werke in hohem Mass entspricht. Dass die Lichtstruktur des Bildschirmes den Werken eine zusätzliche Dimension gibt.

Bei Regula Huegli zum Beispiel werden die Schichtungen im direkten Kontakt mit den Arbeiten auf und mit Papier zu einem wichtigen Teil der Wahrnehmung. Wenn sie in der digitalen Form zur Einheit verschmelzen, so ist das nicht weniger, sondern mehr. Wenn Zwei- und Dreidimensionalität gleichzeitig zu wirken scheinen, so ist auch dies nicht weniger, sondern mehr. Es ergibt sich ein Dialog zwischen der materiellen und der immateriellen Struktur der Werke, was diesen durch und durch entspricht.

Für die Arbeiten von Werner Merkofer gilt zunächst dasselbe, doch es kommt noch mehr hinzu. Verkleinert man die digitalen Bilder auf 25%, so ergibt sich durch geringste Abweichungen in der digitalen Erfassung ein verändertes Bild. Muster, die im Original nicht sichtbar sind, werden plötzlich manifest und generieren scheinbar neue Bilder. Dabei spielen PC und Software eine entscheidende Rolle, ob wie sich dies zeigt. Es sind in jedem Fall optische Phänomene, die in ihrer Struktur jedoch auf Präzision und Wandelbarkeit von Parametern hinweisen, ähnlich wie sie – der Chaostheorie folgend – wohl auch in der Schöpfung unserer Welt immer wieder massgebend sind. Auch hier gilt also: Die CD-Rom als Surplus. Mit einer Ausnahme: Die „Nachtsonne“ ist digital nicht reproduzierbar.