Die Plastik kehrt ins Museum zurück

10. Bieler Plastikausstellung: Das CentrePasquArt zeigt Skulptur

Die 10. Bieler Plastikausstellung ist zweigeteilt. Während in der Stadt die Jungen ihr „Unwesen” treiben, zeigt das CentrePasquArt die Entwicklung der klassischen Skulptur.

Es tut schon ein bisschen weh, dass die Jubiläumsausgabe der Schweizer Plastikausstellungen in Biel nicht als ein einziges, grosses Ereignis daherkommt. Sondern zweigeteilt in eine sich in die Stadtstrukturen einwebende Veranstaltung unter dem Titel „transfert” und eine klassische Skulpturen-Ausstellung im CentrePasquArt. Doch wie könnte es in der Kunst anders sein als im Leben: Radikale Umwälzungen wohin man schaut. Und eine starke, junge Generation, die sich lieber von Luftwurzeln ernährt als in der Erde gräbt. Sich somit auch nicht in Traditionen einbinden lässt. Dass sich die Plastikausstellung dementsprechend als zwei Parallelen zeigt, ist an sich schon ein Denkfeld.

Denn ein erster Blick in die Ausstellungs-„Baustelle” im PasquArt zeigt ganz klar: Hier geht es nicht einfach um einen Rückblick auf die neun vergangenen Plastikausstellungen, sondern, wie Andreas Meier und Hélène Cagnard die Präsentation nennen, um „Deux regards”. Konkret: Im vielräumigen Altbau erinnern Skulpturen einem Stationenweg gleich an die Ausstellungen seit 1954. Gleichzeitig wird anhand von reichem Dokumentationsmaterial die für die Schweiz bedeutsame Geschichte der Plastikausstellungen aufgerollt. In der „Galerie” und in der „Salle Poma” im Neubau hingegen werden acht Gegenwarts-Positionen präsentiert. Arbeiten von Jürg Altherr, Christoph Rhis, Erica Pedretti, Gunter Frentzel, Carmen Perrin, Ueli Berger und Jean Stern sowie, als Ausstellung in der Ausstellung, ein vielteiliges „Intérieur” von Mariann Grunder – in ihrer „Jugendlichkeit” wohl eine der grossen Überraschungen der Ausstellung. Alle diese Kunstschaffenden waren mit älteren Werken in früheren Plastikausstellungen vertreten.

Es zeigt sich an diesen markanten Positionen, dass die Parallelen in der 10. Bieler Plastikausstellung noch viel mehr meinen als nur Stadt und Museum. Sie meinen und zeigen auch die Gleichzeitigkeit der Generationen. Bei „Transfert” in der Stadt dominieren die in der zweiten Hälfte der 60er Jahre Geborenen. Der jüngste in der PasquArt-Ausstellung – der „Ausland-Bieler” Christoph Rhis – hat Jahrgang 1957 und von da reicht es bei den sieben Einzelpositionen zurück bis zum Geburtsjahr 1926. Eine in den 50er Jahren erwachsen gewordene Künstlerin arbeitet von einer anderen Geschichte aus als ein in den 80er oder 90er Jahren zur Kunst Gelangter. Beide reagieren sie aber auf ihre Weise auf das Heute und sind somit Parallelen in der Zeit. Der rasante Wandel der lebensprägenden Einflüsse macht die Spannweite indes enorm und erklärt warum „Transfert” in der Stadt und „Deux Regards” im PasquArt kaum vergleichbar sind.

Spannend ist die Frage was die gesamtgesellschaftliche Entwicklung dabei einbringt. Als Beispiel: Die grosse Neuerung der ersten Bieler Plastikausstellung (1954) war der Gang der Skulptur vom Museum ins Freie und später von der geschützten Parkanlage ans Seeufer und von dort in die Stadt. Doch in der Stadt war sie schliesslich wegen sich mehrendem Vandalismus kaum mehr tragbar. Wundert es da, dass sich die klassische Skulptur im 21. Jahrhundert wieder ins Museum zurückzieht, während die jungen Kunstschaffenden das Problem zu umgehen suchen, indem sie kaum mehr zerstörbare Skulpturen schaffen, sondern mit Geschichten Vorstellungen wecken, sich mit Aktionen in die Stadt einbringen und ihre Strukturen – wie Ladengeschäfte oder Werbeflächen – als Kunstorte nutzen?

Für viele Gäste der Bieler Plastikausstellung wird der Gang durchs Centre PasquArt ein wohltuendes Erlebnis sein. Denn da gibt es keine Arbeiten, die einem vor den Kopf stossen. Die Zeit hat sie den Menschen vertraut gemacht. Dass die bronzene „Kyra” des Tessiner Bildhauers Max Weiss (1921-1996), der man gleich beim Eingang zum PasquArt begegnet, 1962 von den kantonalen Behörden auf den Tatbestand der Pornographie geprüft werden musste, entlockt uns heute maximal ein müdes Lächeln. Immerhin hat die Geschichte die Kunstkommission der Stadt Biel damals so enerviert, dass sie die liegende, weibliche Figur aus Trotz ankaufte und Biel sie somit immer noch hat. Ob sie qualitativ zu den herausragenden Werken der Schweizer Plastik gehört, ist allerdings eine andere Frage Sie zeigt unter anderem, dass das PasquArt gut daran tut das Jubiläum nicht nur retrospektiv zu begehen. Denn neben Arbeiten, die heute noch frisch und überraschend wirken, gibt es auch Werke, die der Zeit nicht Stand gehalten haben. Die acht zeitgenössischen Positionen, die vergangene Ausstellungen mit der Gegenwart verknüpfen, wirken der Gefahr des Verstaubten entgegen. Sie bilden Brücken. Die in ihren Dimensionen die Raumgrenzen auslotende Doppelplastik von Jürg Altherr (1944) zum Beispiel spannt in nachvollziehbarer Weise den Bogen zu seiner seit 1980 auf dem Strandboden platzierten Grossplastik aus der Reihe der „Begehbaren Figuren”, in der Stadt gängig die „Bleistifte” genannt. Nicht bei allen ist indes die Entwicklung so werkbetont wie bei Altherr. So ist es, als Beispiel, schon schwieriger, die linearen Veränderungen,die Carmen Perrin 1991 anlässlich der 9. Bieler Plastikausstellung ins städtische Trolleybus-Netz einflocht mit der auf eine monochrome Mauer reduzierten Arbeit in der aktuellen Ausstellung zu vernetzen. Doch das ist Teil der Spannung.