Jean Stern Stiftung für Eisenplastik Zollikon 2000

Das Sehen sichtbar machenJ

www.annelisezwez.ch    Annelise Zwez Juni 2000

Die von Kathrin Frauenfelder geleitete Stiftung für Eisenplastik in Zollikon zeigt in konzentrierter Form die Geschichte der Schweizer Eisenplastik und führt sie mit pointierten Sonderausstellungen in die Gegenwart. Aktuell: Jean Stern.

Eigentlich ist es paradox, die über weite Strecken industriebezogene Geschichte der Eisenplastik ausgerechnet in einer bürgerlichen Villa über dem Zürichsee abzuhandeln. Die aus der Plastikausstellung „Eisen 89“ in Dietikon hervorgegangene „Stiftung für Eisenplastik“ wiederholt in gewissem Sinn Muster aus der Gründerzeit: Der zu Wohlstand gelangte Unternehmer interessiert sich für Kunst, legt eine Sammlung an, die schliesslich in Form einer Stiftung öffentlich zugänglich gemacht wird. Im Gegensatz zur Brownschen Sammlung in der Langmatt in Baden hat sich die Geschichte im Fall des Eisenfabrikanten Hans König aber in sehr geraffter Form vollzogen. Hans König – heute 76jährig – verstand sich nie als Privatsammler, sondern arbeitete von Anfang an mit Kunsthistoriker/-innen zusammen. Gleichzeitig verkörpert die 1996 für die Stiftung angekaufte „Villa Severini“ aber den bürgerlichen Hintergrund.

Die Qualität der Sammlung und die kompetente Leitung haben die Stiftung trotz des angesprochen Paradoxes zu einem konzentrierten Ort der Schweizer Eisenplastik gemacht. Dabei ist es vor allem der Mut in Sonderausstellungen das Widersprüchliche bis an die Grenzen auszuspielen, der das Zentrum spannend macht. Erinnert sei zum Beispiel an eine monumentale, mehrere Räume paraventartig verbindende und zugleich versteckende Installation des Aargauers Daniel Robert Hunziker. Auch das Material „Eisen“ wird nicht eng, sondern auf seine Ausweitung und seine Kombinationsmöglichkeiten hin betrachtet. Die aktuelle Ausstellung von Jean Stern ist ein gutes Beispiel hiefür. Das meistverwendete Material des 1954 geborene Genfers ist zwar verzinktes Eisenblech, doch kombiniert er es mit Holz, mit Dachpappe, mit Gips und bezieht reflektierende Elemente mit ein – sei es über den Einsatz von Spiegeln oder durch Online-Kameras.

Jean Stern gehört zusammen mit der gleichaltrigen Carmen Perrin zu den wenigen, welschen Plastikern, die auch in der Deutschschweiz bekannt sind. Allerdings nicht vergleichbar mit der Romandie, wo Jean Stern 1997 für seine „Paysages instantanés“ (eine skulpturale Video/PC-Arbeit) mit einem der höchstdotierten Schweizer Kunstpreise, dem mit 100’000 Franken dotierten Preis der Stiftung Eduard und Maurice Sandoz (FEMS) , ausgezeichnet wurde.

Eines der zentralen Themen der plastischen und installativen Arbeiten von Jean Stern ist das Bewusstmachen von Wahrnehmungsstrukturen, insbesondere am Beispiel der Landschaft. Damit arbeitete er 1989 im Rahmen von „Eisen 89“, wo er mit geraden und gewellten, Eisenblech-Röhren zugleich den Blick auf die vertikalen wie die horizontalen Rhythmen eines Flussbettes visualisierte. Darauf greift er in der aktuellen Ausstellung in Zollikon zurück, hier nun aber unter dem Titel „Belvédère“. Ausgehend von der gedeckten, halbrunden Terrasse der Villa thematisiert Stern den durch Bäume teilweise verdeckten Ausblick auf den See und die Stadt. Indem er die vorhandenen Säulen in Zinkblech multipliziert, fängt er Spiegelungen ein und lässt ein Labyrinth entstehen, spielt aber auch mit Sehen und Nichtsehen bis hin zum Punkt, da die Säulen alle Sicht versperren. Nur das architektonische Formen-Spiel sehen, wäre nicht genug, denn die Aussicht thematisieren, heisst bei Jean Stern auch ihren gesellschaftlichen „Mehr- respektive „Markt-Wert“ mitdenken. Beides weitet er durch die Architektur-Form repetierende und variierende Elemente aus Zinkblech und Holz im Park der Villa. Auch hier greifen skulpturale, historische und gesellschaftliche Momente am Beispiel des „Belvédère“ ineinander.

Ergänzt ist die Installation durch eine Reihe von Innen-Raum-Arbeiten, welche das Schaffen Sterns ausspannen, indem sie Materialkombinationen als Bedeutungsträger für die Wahrnehmung aufzeigen. Formal wird darin der Einfluss der Minimal Art sichtbar, inhaltlich die Auseinandersetzung mit der Gleichzeitigkeit einer Welt, bestehend aus realen Materialien und einer Wahrnehmung, die sich mehr und mehr auf ihre Erscheinungsformen in den elektronischen Medien bezieht.