Öffentliche Kunstsammlungen Biel CentrePasquArt 2000

Eine sinnliche Sicht auf das Lebendige

www.annelisezwez.ch    Annelise Zwez in Bieler Tagblatt März 2000

„Im Bereich des Möglichen III” zeigt Ausschnitte aus Biels öffentlichen Kunstsammlungen. Andreas Meier und Hélène Cagnard haben mit viel Lust einen Parcours sinnlichen Schauens zusammengestellt.

„Im Bereich des Möglichen III” ist kein Rechenschaftsbericht über die Sammeltätigkeit des CentrePasquArt und der Stadt Biel in den letzten zwei Jahrzehnten. Die alle Museumsräume umfassende Ausstellung ist vielmehr ein intuitives Kombinieren und Kontrastieren von Werken, die als künstlerische Positionen der letzten zwei Jahrzehnte in den Sammlungen vorhanden sind. Dennoch muss die kritischen Besucher/-innen die Frage begleiten: In welchem Mass hat das Gezeigte Museumsqualität und wie stringent sind die Inszenierungen der einzelnen Räume.

„Das Ziel von Sammlungsausstellungen ist es, bekannte Werke in neue Zusammenhänge zu stellen und so die möglichen Sichtweisen zu erweitern”, sagt Andreas Meier. Das ist dem Kunsthausteam weitgehend gelungen. Angenehm fällt dabei auf, dass nicht primär kunstgeschichtliche Überlegungen den Ausschlag gaben, sondern die spontane Lust, bestimmte Bilder und Skulpturen nebeneinander zu sehen. Ein schönes Beispiel hiezu ist Heinz Eggers subtil-expressive Hommage an Robert Walser aus dem Jahr 1987. Mit dem in einem blau-grauen Farbklang auf ebensolchem Grund gemalten Hut des Bieler Schriftstellers begründete der 63jährige Burgdorfer Künstler möglicherweise die neue Walser-Welle, welche die bildende Kunst zur Zeit durchzieht. In Nachbarschaft dazu sind nicht weitere „Walser” gehängt – auch das wäre eine Möglichkeit gewesen – sondern Bilder, die in eigenen Sprachen etwas von der sehr persönlich-emotionalen Sicht auf die Welt zeigen, wie sie Walsers Schreiben charakterisiert: Es sind subtile Figurationen von Dieter Seibt, Vesna Bechstein und Romano della Chiesa, alle aus den 80er Jahren. Es ist indes nicht die Einzelqualität der Werke, die hier besonders überzeugt, sondern die Art und Weise wie durch Inszenierung Atmosphäre entsteht.

Dass es beim Spiel um Kombinationen auch intuitiv gelenkte Überraschungen geben kann, zeigt ein anderes Beispiel: Im Foyer der Galerie hängen drei grossformatige, farbige Flughafen-Aufnahmen des Zürcher Künstlerduos Fischli/Weiss – eines der internationalen Aushängeschilder der aktuellen Schweizer Kunst. Ihre Sinnbilder des Jet-Set zwischen Business und Ferientrip bestechen paradoxerweise dadurch, dass sie nicht ironisch gemeint sind. In Nachbarschaft dazu steht eine turmähnliche Skulptur von Ueli Berger aus dem Jahr 1980, die über einer Beweglichkeit suggerierenden Holzkonstruktion eine Malerpalette als Plattform trägt. Die Skulptur fand, so erzählte Andreas Meier, zunächst nirgendwo ihren Platz, schien sich neben den Flughäfen von Fischli/Weiss aber ganz gut einzufügen. Die Überraschung kam für den Kunsthausleiter beim Schreiben der Werkliste: Ueli Bergers Werk trägt nämlich den Titel „Vor dem Abflug”. Weiss man dies, so ist es anhand der Skulptur nachvollziehbar, aber spannender ist es, in der Anekdote die Kraft des Prinzips der Ausstellung zu erkennen: Richtig ist, was Spass macht zueinander zu gesellen.

Naheliegender als im genannten Beispiel zeigt sich dies in der Salle Poma, die sich, genährt von den Oberlichtern, fast wie ein botanischer Garten präsentiert. Spannend ist dabei der Kontrast von Chantal Michels Lust-Garten und den sich mit dem Wesen, der Erscheinung und den Gesetzmässigkeiten der Natur auseindersetzenden Arbeiten an den Raumwänden. Denn die Lifestyle- Installation der jungen Bernerin mit den saftig-grünen Zimmerpflanzen und den dazwischen-gestreuten, sinnlichen Videobildern kann im Kontext des Saales als idealisierte Sehnsucht des städtischen Lebensgefühls nach der Schönheit der Natur interpretiert werden. Die ernsthafte Grundlage hiezu bieten Werke von Mario Reis, Hermann de Vries, Ruedi Schwyn und Giuseppe Penone. Während die Fotoserie von Johannes und Bernd Blume die Kraft der Natur mit Humor traktiert. Die Salle Poma ist eines der Highlights der Ausstellung.

Das Lustprinzip im Kombinieren von Werken ist eigentlich eine künstlerische Vorgehensweise. Kein Wunder darum, dass es auch für die zwei, eigens für die Ausstellung konzipierten Werke von Pavel Schmidt im Vorraum des PasquArt gilt. Der ironische „Erzähler” unter Biels Künstlern zeigt zur Rechten eine vom Boden bis zur Decke reichende Säule aus gelben Zivilschutz-Helmen, die im gegebenen Kontext zugleich an die Aufgabe, öffentliche Sammlungen zu bewahren wie an das kostbare Gut von Künstler-Köpfen erinnert. Zur Linken setzt er die Sammlungspräsentation mit einem Kunst-Recycliersystem gleich indem er Gipsabgüsse antiker Figuren mit Schläuchen voller Wein umrankt. Szenen-Insider schliesslich sollten in der „Galerie” die Fotoinstallation von Chiarenza/Hauser von 1991 nicht verpassen, zeigt sie doch anhand von Porträts von Kommissions-Mitgliedern wie sehr sich die Kunst für die Öffentlichkeit Ankaufenden in ihren Entscheiden letztlich selbst spiegeln.