Espace libre: Ein Raum für Experimente im CentrePasquArt in Biel

Serge Pinkus: Auftakt mit Antikunst. Bis 12.03.2000

Das Konzept des CentrePasquArt in Biel will Gleichzeitigkeit von Verschiedenem. Neu ist nun auch der von der Bieler Künstlerschaft betriebene “Espace libre” im Hinterhof des Areals in Betrieb. Der Raum verspricht Vieles, die erste Videoinstallation hält indes wenig.

Ursprünglich nutzte ihn die Stadtgärtnerei als Lagerraum. Dann eroberte ihn die Kunst: Den langgezogenen Parterre-Raum im alten Film-Podium-Gebäude hinter dem PasquArt. Nun wurde er zum “Espace libre” – einem Raum für Experimente. Die im Gegensatz zu anderen Schweizer Regionen in Biel ausgesprochen lebendige Künstlergesellschaft (GSMBA) hat ihn zu ihrem Ort gemacht. Die Wände wurden minimal saniert und ein räumlich abgesetzter Betonboden eingezogen. Damit gelang es, dem zum PasquArt hin mit Fenstern bestückten Raum architektonisch unverwechselbaren Charakter zu geben. Er soll nicht etwa Galerie der Bieler Künstlerschaft sein – zum Bilder hängen eignen sich die rohen Mauern und das feuchte Klima nicht.

Der “Escpace libre” soll – wie Verena Lafargue, Präsidentin der GSMBA Biel, festhält – vielmehr dem Austausch mit anderen Schweizer Kunstszenen dienen. Und darüber hinaus auch Plattform für Erstausstellungen von jungen Ausstellungsmacher/-innen sein. Eine aufwendige Verwaltung will man nicht aufbauen – Eigenverantwortung und Improvisation sind angesagt, denn Geld steht (noch) keines zur Verfügung. Die GSMBA finanziert ihre Aktivitäten ausschliesslich mit den Beiträgen ihrer Mitglieder. Das sind dank Präsenz und Aktivität mittlerweile wieder an die 100 – das heisst, fast die ganze professionelle Bieler Künstlerschaft. Für Extravaganzen reicht das dennoch nicht. Für den “Espace libre” will man versuchen, einen Paten-Kreis aufzubauen, der finanziell trägt, doch die Struktur soll in jedem Fall minimal bleiben; experimentell eben.

Experimentell kann heissen: nicht konform. Der junge Zürcher Künstler Serge Pinkus jedenfalls steuert einen recht radikalen Antikurs. Das 30minütige Video – das als Abfolge von 5 Sekunden-Einstellungen eine lange Nacht mit Selbstgesprächen bündelt – kann als eine Art Opposition zur Ausstellung “Au centre, l’artiste”gelesen werden. In dem Sinne dass es den Künstler als Übermenschen vom Sockel holt. Pinkus‘ Reflektionen zur Kunst sind nicht mehr als Stammtisch-Banalitäten. Dass dies Antireaktionen auslösen kann, ist durchaus gewollt. Doch einen Film schneiden, hiesse lügen, erzählt er im Video der vor ihm installierten Kamera. Darum muss man sich dann auch Platitüden anhören wie “Schlechte Kunst ist gute Kunst, weil sie zum Denken anregt” oder “alles ist schon dagewesen – wie die Ravioli” oder “Rauchen ist Sadomasochismus” oder “Besitz ist Diebstahl” oder “Haben Künstler wohl mehr Depressionen als Spengler?” Serge Pinkus, der im Raum Zürich einen kleinen Namen hat, ist nicht eigentlich Video-Künstler – das in Biel gezeigte Band entstand im Zürcher Atelier in Genua; eine typische Alleinsein-Arbeit. Ansonsten tritt Pinkus mit expressiver Malerei an die Öffentlichkeit. Das Ungefilterte der Bauch-Malerei dreht er im Video “5 Sec.” in eine Art Video brute. Diese Struktur erfährt durch die Alltäglichkeit von Wort und Abbild im Gegensatz zur Malerei indes keine Umsetzung. Als Entlarvung mag dies gut sein, als Kunsterlebnis ist es mühsam.

 

Das Konzept eines Experimentier-Raum ist Offenheit . So werden die kommenden Monate immer wieder Neues bringen. Die junge in Lausanne lebende Bieler Kunsthistorikerin und Kuratorin Stéphanie Bédat wird von Mitte März bis Mitte August “vier künstlerische Vorschläge für einen Raum” vorstellen (Robert Ireland, Vittorio Santoro, Didier Rittener, Verena Lafargue).