Rutishauser/Kuhn in der Konsumbäckerei Solothurn 2000
Sprache als Form und Provokation
www.annelisezwez.ch Annelise Zwez in Bieler Tagblatt vom 6. Juni 2000
Was den Aargauern der Kunstraum Aarau, den Neuenburgern das CAN (Centre dart contemporain) ist den Solothurnern die Konsumbäckerei: Ein Ort experimenteller, oft provokativer, zuweilen auch ironischer Kunst. Aktuell: Das Künstlerduo Rutishauser/Kuhn in Solothurn.
Buchstaben, Plakate, Postkarten, Transparente sind das Material, mit dem das Ostschweizer Künstlerduo Georg Rutishauser und Matthias Kuhn (1963) seine Kunst inszeniert. Ihr Thema: Die Form der Sprache. Weil indes Sprache immer auch Aussage ist, wird Kunst und Sprache zur Kunstsprache. Und indem Rutishauser/Kuhn dies wörtlich nehmen, sprechen sie über Sprache am Beispiel der Kunst. Und da dies sehr theoretisch ist, packen sie die Katze am Schwanz und „sprechen nicht ohne Ironie über die Kunst in der Theorie. Das kann dann etwa so lauten: „Kunst ist ein zutiefst elitäres Vergnügen oder „Es ist sinnlos Kunst zu definieren oder „Es geht in der Kunst heute darum, das zielorientierte Verhalten des Publikums zu unterwandern oder „Der Betrachter muss sich die Frage stellen, inwieweit er in bezug auf Werke zeitgenössischer Kunst andere Beurteilungskriterien als seine eigenen gelten lassen will. Natürlich geht es dabei nicht um die Bekräftigung der Aussagen, sondern ihre Infragestellung, ihre Ambivalenz als Spiegelbild von Visuellem usw.
Als Transportmittel dient dem Duo das vor zwei Jahren gegründete MZK (Museum für zeitgenössische Kunst). Der Anlass für die Solothurner Ausstellung ist denn auch der Zweijahres-Bericht des MZK, das Rutishauser/Kuhn zuvor in zahlreichen Ausstellungen von Zürich über St.Gallen, Bregenz, Wien, Frankfurt bis Den Haag präsentierte. Sei es als Schrift auf Wänden, als Slogans auf Lastwagen, als Werbung auf Plakatsäulen, als Transparente in Performances, als Informationen im Internet usw. Die Reihe zeigt, dass für Rutishauser/Kuhn der Satz des Solothurner Plakates „Kunst, die nicht kommunziert, wird nicht wahrgenommen und kann nichts bewirken keine Gültigkeit hat.
Eigenartigerweise wurden die beiden aber in der westlichen Hälfte der Schweiz bisher kaum wahrgenommen. Leben hier vor allem Sprachmuffel? Die Beobachtung des Künstlerduos, dass ihre Arbeiten in Deutschland wesentlich intensiver diskutiert werden als in der Schweiz, könnte tatsächlich auf das ambivalente Verhältnis der Schweizer gegenüber der hochdeutschen Sprache weisen. Will heissen: Was hochdeutsch daherkommt, kann nicht einfach zerpflückt werden.
Das wiederum lässt die Sprach-Kunst von Rutishauser/Kuhn hier vielleicht a priori agressiver erscheinen. Zum Beispiel für Journalist/-innen, die über Kunst schreiben und somit ständig im Dilemma zwischen Bild und Sprache stehen. Umsomehr als die Künstler gerade in Solothurn in ihr Denken über die Form der Sprache als Ort der Kunst einige Spitzen eingebaut haben. Im Hauptsaal haben sie ein Buch-Antiquariat aufgebaut, das vor allem Kataloge von Ausstellungen der letzten 20 bis 30 Jahre umfasst. Es geht somit nicht lange bis die hierzulande über Kunst Schreibenden eigene Texte auf dem Tisch entdecken und sich fragen, ob sie hier als Kritiker/-innen oder als Zielscheiben anwesend sind.
Empfindlichkeiten beiseite gelegt, tritt die Sprache als Phänomen dann aber wieder ins Zentrum: die Sprache als Augen und Gedanken fokussierende Struktur, als Botschafterin, als Gefäss für verschiedenste Interpretationen, als ebenso gegenständliche wie abstrakte Form der Vermittlung. Die Kunst als Thema für die Kunst von Rutishauser/Kuhn reduziert sich auf ihre eigene Bedeutung als spiegelnde Struktur, als Impulsgeberin für Bewusstseinsprozesse.
Weitere Informationen: www.mzkdigital.net