Zweierlei Brände
Juli 2000
Dieser Tage erhielt der Direktor von «Transfert», der 10. Bieler Plastikausstellung, von der Stadtpolizei Biel einen eingeschriebenen Brief. Die dreimal täglichen «Feuersbrünste» des Dänen Henrik Plenge Jakobsen dürfen nicht mehr aus der Villa Rein rauchen. Kunst hin oder her. Zu oft werde die Feuerwehr angerufen und ernte mit dem Verweis, es handle sich beim weissen Disco-Rauch um Kunst, verärgerte Reaktionen. Und es bestehe die Gefahr, so die Argumentation der Polizei, dass die Leute bei einem richtigen Feuer nicht mehr anrufen würden. Na ja.
Bei der Erteilung der Bewilligung, so Direktor Marc Olivier Wahler, sei man sich bei der Feuerwehr einig gewesen, dass kaum jemand den weissen, geruchlosen Rauch für eine echte Feuersbrunst halten würde. Die Kunst dürfe somit stattfinden. Allerdings erschien die Polizei nichtsdestotrotz schon beim Probelauf Ende Mai im Eilzugstempo. Ob sie Disco und Feuersbrunst nicht unterscheiden konnte? Ob sie, wie ihr oberster Chef, Polizeidirektor Jürg Scherrer, schon damals Mühe hatte mit dem Leitsatz des Künstlers, wonach Humor die politische Kraft der Kunst sei?
Wer auch immer wem aufgrund welcher Gedanken geraten hat, die Aktion offiziell zu stoppen, Überlegungen drängen sich auf: Zum einen ist klar, dass Plenge Jakobsen mit seiner die Realität als Transportmittel einsetzenden Kunst nicht belanglosen Humor meint, sondern das «Spiel mit dem Feuer» auch als politisches Zeichen für persönliches «Feuer im Dach» versteht. Es geht um Spannung, die sich mit Humor auflöst. Die Arbeit spiegelt theoretisch das Thema der Ausstellung: den Transfer von einer Ebene in eine andere. Aber eben, nur theoretisch. Was im Kopf funktioniert, spielt in der Realität nicht analog. Das heisst, selbst wenn wir von den programmierten «Feuersbrünsten» gehört haben, verknüpfen wir im Moment des visuellen Erschreckens das Wissen nicht mit der Realität. Wir unterscheiden nicht zwischen «Nebel» und «Rauch», wir vergessen, dass Rauch verfärbt ist und in die Nase sticht am Fernsehen ist es ja auch nicht so … Und weil das «Handy» in der Tasche ist, entfällt auch die (Denk-)Zeit, um zu einem Telefon zu gelangen, und schon hat man die Feuerwehr oder die Polizei alarmiert. So zeigt sich das Transfert-Projekt von Henrik Plenge Jakobsen noch eine ganz andere Dimension eine, die auch zu denken gibt.
Biel habe sich, so Marc Olivier Wahler, im Vorfeld von «Transfert» sehr offen gezeigt, mögliche Irritationen, ja sogar Provokationen akzeptiert. Nicht zuletzt diese Haltung führte zu positiven Presseberichten von Zürich bis Genf. Es wäre ausgesprochen schade, wenn die Behörden nun dieses kreative Spannungsfeld nicht durchhalten würden. Wenigstens bis Ende August.
Die Veranstalter von «Transfert» müssen (und wollen) es ja schliesslich auch, indem sie fast täglich ausrücken, um in Nacht- und-Nebel-Aktionen Zerstörtes wieder in Stand zu stellen. Sei es, die Lautsprecher für Abigale Lanes «Hundeknurren» zu ersetzen, Eric Hattans niesenden Abfallkübel neu zu montieren oder Etienne Bossuts Polyesterloch respektive Stefan Banz‘ «Federschaukel» zu flicken.