Rachel und Toba Khedoori in der Kunsthalle Basel

Irrgärten und Trauminseln

www.annelisezwez.ch    Annelise Zwez in Bieler Tagblatt vom 30. Mai 2001

 

Die Kunsthalle Basel zeigt filmische Raum-Labyrinthe von Rachel Khedoori, das Museum für Gegenwartskunst in Basel unendliche weisse Weiten von Toba Khedoori. Die beiden sind Zwillingsschwestern.

Peter Pakesch (Kunsthalle Basel) und Theodora Vischer (ex-Museum für Gegenwartskunst) interessierten sich unabhängig voneinander für eine in Europa durch namhafte Galerien protegierte Künstlerin namens Khedoori. Pakesch, der Kunst gerne üppig, dicht und materialbetont hat, sah, u.a. bei Hauser & Wirth in Zürich, Werke von Jason Rhoades Gattin Rachel Khedoori: Komplexe filmische Installationen, die Räume, in Räumen in Räumen als Endlosschlaufen zeigen. Vischer, die Kunst mit architektonisch-gegenständlichem und zugleich konzeptuellem Touch liebt, reagierte, u.a. bei David Zwirner in Köln/New York, auf die nur mit Miniaturen bestückten, riesenhaften, weissen Wandzeichnungen von Toba Khedoori.

Erst im Laufe der Zeit erfahren die prominenten Basler Ausstellungsmachenden, dass sie sich je für Arbeiten von eineiigen Zwillingsschwestern interessieren. Die Künstlerinnen haben es ihnen nicht unter die Nase gerieben. Sie gehen beide ihren Weg, und dies mit grossem Erfolg – allerdings so, wie das wohl nur Zwillinge können. Schaut man genau hin, stellt man nämlich fest, dass im Kern beide dasselbe Thema bearbeiten, allerdings von zwei Seiten her. Rachel Khedoori nähert sich der Unfassbarkeit eines gefestigten Standortes in der Unendlichkeit des Raumes, indem sie Räume, einem Irrgarten gleich, endlos verschlauft und verspiegelt. Toba Khedoori reduziert die Fülle des Wahrnehmbaren, bis nur noch ein Fenster, eine Türe, eine Treppe mitten in der Weite des weissen Raumes auf ein Hier und ein Dort hinweist.

Ein Thema, zwei Sprachen; mitgeprägt zweifellos von der Landschaft Australiens, wo beide am 20. November 1964 zur Welt kamen und aufwuchsen. Das Studium führte die beiden Frauen, ursprünglich irakischer Abstammung, ans Art Institute von San Franciso und später an die Universität von Los Angeles. Beide leben und arbeiten in Kalifornien. Als in den 90er Jahren der amerikanische Westen ins Blickfeld der internationalen Kunstszene rückt, werden die beiden vom Kölner Galeristen David Zwirner nach New York geholt. Die Ausstellung von 1994 ist in ihren Palmares die einzige gemeinsame. Erst jetzt, sieben Jahre später, lassen es die 37jährigen Künstlerinnen wieder zu, dass über die gleichzeitigen – allerdings nicht am selben Tag eröffneten – Ausstellungen das künstlerische Spannungsfeld zwischen ihnen sichtbar wird und Interpretationen herausfordert.

Es macht mehr Sinn, zunächst die Ausstellung in der Kunsthalle zu besuchen. Denn am Ende des Rundgangs fühlt man sich wie in einem Bienenhaus. Obwohl Kulissen, Spiegel, Modelle und die Präsenz der geradezu skulpturalen, filmischen Apparaturen jederzeit auf die konkrete Realisierung der Filmprojekte hinweisen, ist es dennoch unmöglich, die Prozedere zu durchschauen. Man steht in Räumen, sieht Räume, die ihrerseits durch Räume fahren und in Verspiegelungen und Bearbeitungen das Oben und Unten aus den Angeln heben, die Projektionen verdoppeln und verdreifachen, innen und aussen zugleich sichtbar respektive unentwirrbar machen. Die roten und blauen Zimmer mit – man sagt, von der Künstlerin selbst gemalten – Blumenmustern verweisen nicht auf Stadt oder Industrie, sondern auf ein privates Zuhause. Damit rückt die Künstlerin das Geschehen quasi in den eigenen Kopf, in die tägliche Koppelung von Wissen, von Analysieren, Erkennen und emotional doch nicht bewältigen und durchschauen. Von hier aus dem Katalogtexter Colin Gardner bis zur freudschen Verfolgung durch die eigenen Traumata zu folgen, ist allerdings etwas weit. Denn die Installationen sind zugleich auch sehr poetisch, weich und sinnlich und münden eher in Ciceros Wissen um das Nichtwissen als in psychologische Untiefen.

Dennoch: Die als Reihung von wachsbeschichteten, mit simplen Agraffen an die Wand gepinnten Papierbahnen von Toba Khedoori im architektonisch leicht gedrehten, offenen dritten Obergeschoss wirken in gewissem Sinn wie eine Erlösung. Keine bewegten Bilder, kein Surren von Filmapparaten, sondern Stille und Weite. Das mit einem Kammspachtel in Handbewegungen verteilte Wachs gibt dem weissen Raum einen Hauch von Materialität. Und die Haar- und Staubpartikel, die darin und darauf kleben, holen den „Himmel“, den Kulissen bei der Schwester gleich, ins Atelier der Künstlerin zurück. Haltepunkte für die Augen sind Architekturfragmente, wie eine Treppe, eine Rampe, eine Türe, ein Fenster mit schwarzen, von Ferne Richard Serra ins Bewusstsein holenden, Innenflächen. Die mit wenig Ölfarbe präzise gemalten Zeichen scheinen im Raum zu schweben, ihr Standort, dem Bild eines fliegenden Teppichs gleich, lediglich angehalten. Gemeinsam ist den meisten Architekturzeichen, dass sie auf ein Davor und ein Dahinter weisen oder – anders ausgedrückt – auf die Gleichzeitigkeit zweier Seiten, die sich vielleicht strukturell, aber nicht im Kern voneinander unterscheiden. Womit das Zwillingsthema wieder aufblinkt. Was indes nicht daran hindert, die Sichtweisen der Künstlerinnen als Doppel-Vision des Lebens in seiner alltäglichen, gehetzten und seiner stillen, spirituellen Seite zu erleben.

Kunsthalle Basel: Katalog in der Reihe der Kunsthalle Basel (Schwabe & Co.).
Museum für Gegenwartskunst, Basel: Katalog mit Texten von Lane Relyea und Hans Rudolf Reust (Bern). Bis 29.07./05.08.2001