Berndt Höppner _Portrait_Centre Pasquart 2002

Kunst ist kein Produkt, Kunst ist ein Prozess

www.annelisezwez.ch       Annelise Zwez in Bieler Tagblatt vom 2. Oktober 2002

Berndt Höppner wohnt seit 1995 im Seeland. Noch immer kennt man ihn besser in Zürich als hier. Doch jetzt zügelt er sein Atelier ins PasquArt, um zu zeigen, dass Kunst kein Produkt, sondern ein Prozess ist.

Berndt Höppner wird am kommenden Samstag mit Baumaterialien, mit da und dort zusammengetragenem Holz, mit Kunststoff, Folien, Gefundenem aus Natur und Alltag, früher Gestaltetem, mit Werkzeug, Schrauben, Drähten, Klebband und anderem mehr in die Salle Poma des Centre PasquArt einziehen. Für sieben Wochen. Das Spannende am Kunst schaffen ist für ihn nicht das Produkt, sondern das Knisternde, wenn in Wechselwirkung von Kopf und Händen, aufgrund von Innen- und Aussenimpulsen aus scheinbar nichts etwas entsteht, ist, und wieder verworfen wird, um sogleich wieder zu werden, nur neu. Kunst ist für Berndt Höppner Wandlung und Veränderung.

Hiefür braucht er nicht von der Gesellschaft als kostbar und edel Definiertes; dazu reicht, was gängig als Abfall-Material bezeichnet wird. Und doch ist seine Kunst nicht einfach Trash-Art oder Recycling-Kunst. Viel stärker wirkt da nach, was die Künstler des Surrealismus, in der Pop Art, zu Zeiten der Arte Povera, im Rausch von Fluxus und den kritischen Nach-68er-Jahren auf ihre Banner schrieben. Manche dieser Stilepochen hat der 1942 geborene Künstler selbst miterlebt.

Seine Kindheit verbrachte Berndt Höppner in der 2.Weltkriegszeit in Thüringen, seine Schulzeit im Schwarzwald. Die Ausbildung absolvierte er in Basel, die Sturm und Drang-Zeit erlebte er in Köln: „Wir waren von den ersten, die Raubkopien von Andy Warhol auf der Strasse verkauften, ‚Kunst fürs Volk, für 20 DM!'“ Ab Mitte der 70er Jahre ist Höppner einer der markanten Köpfe der Zürcher Kunstszene. Seine Bildgeschichten collageartig verwebende Malerei ist erfolgreich und erlaubt ihm von der Kunst zu leben. Bis er genug hat vom Kunstbetrieb, mit nichts im Koffer nach Genua geht und statt zu malen Strandgut sammelt: „Das war mich eine ungeheure Befreiung“.

Er intensiviert er seine Lehrtätigkeit in Zürich und erklärt seine eigene Kunst zum Freiraum Italien wird zum Zweitwohnort. Seine Ausstellungstätigkeit geht zurück, seine Bedeutung als erster Leiter der neu konzipierten, freien Kunstklasse an der Schule für Gestaltung in Zürich nimmt zu. Unzähligen Schweizer Künstler/-innen war er bis 1999 ein wichtiger Lehrer. Der Teilrückzug aus dem Lehrberuf gibt in den letzten Jahren der öffentlichen Seite der eigenen Kunst wieder mehr Raum.

Interessant ist, dass es durchaus Parallelen gibt zwischen der künstlerischen und der lehrenden Tätigkeit. Höppner hat in Zürich (zusammen mit dem Bieler Künstler Peter Emch) für die freie Kunst nicht ein Meisterklassen- oder ein fach- respektive medienorientiertes Konzept entwickelt, sondern ein offenes, frei wähl- und durchmischbares System, bei dem die Lehrer in stetigem Dialog mit den Bedürfnissen der Schüler stehen. Dieses Durchwobene, in einem offenen Raum immer neue Beziehungen und Möglichkeiten Schaffende ist in den Bildern der 70er und 80er Jahre bereits da, bis hin zu den Figuren, den Köpfen, die sich mit wachem Blick in den Alltag spiegelnden Bildsystemen bewegen. Im teilweisen, später immer zentraleren Wechsel zu Objekten und installativen Arbeiten mit Sammelgut verschwinden die Figuren, die Menschen, die sich um und durch die Arbeiten bewegen, ersetzen sie.

Einen Impuls erfährt Höppners künstlerisches Schaffen 1993/94 im Rahmen eines Aufenthaltes im Zürcher Atelier in New York. Das Arbeiten mit Fundmaterialien, das Begreifen des Raumes als Kunstort, das Schaffen von variablen Beziehungen zwischen Formen, Farben und Dingen intensiviert sich. Sowohl im Dreidimensionalen wie im flachen Bild-Raum, wo Plastik-Tischtücher zum wichtigen, direkt der Biederkeit des Alltags entommenen, Mal- und Zeichengrund werden. Nie ist es das blosse Wiederverwenden von Konsumgütern, das ihn interessiert, sondern die Offenheit und die Ambivalenz der gedanklichen Möglichkeiten zwischen Bauen, Wohnen, Leben und Kunst schaffen.

1993 bewerben sich Berndt Höppner und seine Lebenspartnerin, die Künstlerin Chris Weibel, zusammen mit Sohn Moritz (geb. 1991) um das Atelier Robert in Biel und ziehen nach der Rückkehr aus New York daselbst ein. Nach fünf Jahren ist die Beziehung zum Seeland so intensiv, dass sie beschliessen, da zu bleiben und in Alfermée ein renovationsbedürftiges Haus zu erwerben. Seither hat „bauen“ und „umbauen“ für den Künstler doppelte Bedeutung….

Seine erste Einzel-Ausstellung in Biel hat mit Ausnahme von Andreas Meier, mit welchem Höppner eine Freundschaft verbindet, kaum jemand wahrgenommen. Und das war durchaus im Sinn des Künstlers. Als er 2000 vom Ried nach Alfermée umzog, galt es, ein Lager zu schaffen oder sich von überschüssigem Sammel(fund)gut zu trennen. Höppner verband das eine mit dem andern. San Keller, der Tausendsassa im Dienst der Künstler, baute für ihn ein „Haus“ im Garten des PasquArt. Die Materialien deponierte er indes nicht da, sondern als farbige (Abfall)Skulpturen mitten in der Stadt und da blieben sie bis sie jemand wegräumte. Vor dem Kasino stand ein seltsames Schiff mit unfassbarem Inhalt. Unter der Rampe der UBS boten zwei lange, farbige Kartonschachteln mit weichem Inhalt einem Nachtwanderer einen Schlafplatz. An einem Kandelaber vor dem Museum Schwab baumelten farbige Kanister usw. Eine Eintages-Ausstellung im San Keller-Haus fasste die Vielfalt dokumentarisch zusammen. Das unabhängige, unverstanden irritierende Einklinken der Arbeiten in den Stadtalltag faszinierte den Künstler. Dass seine Aktion vereinzelt mit der praktisch gleichzeitig beginnenden „Transfert“-Ausstellung verwechselt wurde, war ihm dabei höchstens Surplus.

Und jetzt zieht Höppner mit seinen Materialien ins PasquArt. Nicht unvorbereitet. Einem Improvisator gleich übte er zuhause, schuf mögliche Modelle mit verschiedenen Farb-, Material- und Form-Charakteren. Und stellte zusammen, was an älteren Arbeiten das Enstehende in einen grösseren Zusammenhang betten kann. Die Vernissage vom kommenden Samstag 16.30 Uhr heisst „petit riens“ und meint damit nicht zuletzt die Einladung an die Gäste, doch ein paar Drähte, Bretter, Farbstücke usw. mitzubringen. Die Finissage vom 30. November trägt als Titel nicht „vollendet“ oder ähnlich, sondern „grande question“ – denn was in der Zwischenzeit geschieht, besteht nur aus Möglichkeiten, inklusive jener des Scheiterns.