Danz Pascal Gal Silvia Steiner Biel 2002
Der Trugschluss der Bildrealität
www.annelisezwez.ch Annelise Zwez in Bieler Tagblatt vom 25. Februar 2002
In der aktuellen Diskussion um neue Wege in der Malerei spielt der Berner Pascal Danz eine nicht unbedeutende Rolle. Nach 1997 und 1998 sind zum dritten Mal neue Werke in der Galerie Silvia Steiner in Biel ausgestellt.
Schon vor zehn Jahren betitelte der 1941 in Zentralafrika geborene Berner Maler Pascal Danz eine Ausstellung in der Loeb-Galerie in Bern „un tableau peut en cacher un autre“. Sehr früh, bezogen auf seine Biographie wie die Diskussionen um den Trugschluss von Bild als Realität, fand Danz zu seinem Thema: Zum Bild, das zeigt und verbirgt, zum Bild, das eine Geschichte hat, aber keine objektive Realität. Ein Beispiel aus der aktuellen Ausstellung: Eine in abendrötlichem, weichem Rot gehaltene Leinwand zeigt einen dunkel gemalten Architektur-Ausschnitt; ein Stück Mehrfamilienhaus mit Balkon. Nichts sonst. Ausser dem Titel: „München“. Hmm. War da mal was? Die ältere Generation erinnert sich, vielleicht: Das Bild ging 1972, zur Olympiade-Zeit, als Fotografie um die Welt. Mit einem vermummten, bewaffneten Terroristen auf dem Balkon. Den hat Danz nun weggelassen, zeigt quasi nur die Kulisse und überlässt das individuelle Aufladen der Szenerie dem Betrachter. Nicht, oder nicht nur als eine Art Kreuzworträtsel, sondern vor allem, um die Phänomene von Bild und Geschichte respektive den Trugschluss, dass das Bild die Realität ist, aufzuzeigen. Dabei macht der Medienwechsel, welcher die in Zeitungen, Fernsehen, Internet reproduzierte Fotografie als Malerei zeigt, die Reflektion erst möglich, da sie im Wandel jene Distanz einbaut, die neues Sehen auslösen kann. Oder, anders ausgedrückt, Pascal Danz‘ Malerei ist nicht kalter Kaffee, sondern eine malerische Position, welche die Gegenwart heute unmittelbar reflektiert. Das ist ihre Bedeutung.
Nicht alle Bilder von Danz haben eine ähnlich spektakuläre Geschichte im Hintergrund; der Künstler hütet sich davor, denn ihm geht es um Grundsätzliches. Dennoch ist da einerseits die Lust des Malers mit einer Welt zu spielen, deren Bild nicht mehr ist als dessen Interpretation. Doch da ist andererseits auch die Trauer angesichts des Verlustes von Bildverbindlichkeit. So wechseln Darstellungen, in denen Erscheinung und historische Gegebenheit eine Steigerung bewirken und Bilder, deren unscharfe Ortlosigkeit, deren nirgendwo fixierbarer Déja-vu-Effekt uns den Boden unter den Füssen wegnimmt und uns auf uns selbst zurückwirft. Eine vorstädtische Landschaft zum Beispiel, die es so auf allen Kontinenten geben könnte; eine Landschaft, die ist, die man gerne fassen möchte und es nicht kann. Oder ein vergrösserter Ausschnitt aus einem Intérieur, das sich einzig durch das Loch in einem Ringordner als Büro zu erkennen gibt; der Rest ist subjektive Deutung.
Die Ausgangsbilder findet Pascal Danz mehrheitlich im Internet, das er gezielt auf Themen, Architektur zum Beispiel, durchforstet dann aber auch auf dem Flohmarkt oder via Fotografie im Fernsehen. Die Wahl ist dabei eine intuitive, eine mit seinem eigenen, teils bewussten, teils unbewussten Bildgedächtnis kommunizierende. Nicht unwesentlich für die Umsetzung und Wirkung ist Danz‘ malerisches Konzept. Er projiziert seine Bilder nicht auf die Leinwand oder das Papier. Er malt sich vielmehr von den Rändern an die Gegenstände heran, das Bild erscheint so eher als leicht unscharfes Bildnegativ, denn als ein Bildpositiv; was durchaus auch inhaltlich zu verstehen ist. Denn was sich als Gegenständlichkeit zeigt oder andeutet, ist die Leere. Besonders deutlich ist dies in den neuen Aquarellen, die durch das Malen mit Wasser zusätzlich das Moment des Fliessens, des Flüchtigen einbeziehen.
Pascal Danz‘ Malerei und Position ist eigenständig. Aber sie steht nicht allein. Thematische Ausstellungen wie „Die Schärfe der Unschärfe“ (Solothurn, 1998), „Malerei. Wirklichkeit“ (Langenthal, 2001), in denen Danz vertreten war, zeigten es. Übervater ist gewiss der Deutsche Gerhard Richter, dessen Foto-Bilder aus den 60er Jahren Malerei und Wirklichkeit erstmals thematisierten. Aber spannend ist, dass die aktuelle Erneuerung in der Schweiz einen starken Fokus in Bern hat. Da fanden in den 90er Jahren im Umfeld von Ausstellungen des Belgiers Luc Tuymans Diskussionen statt, die auf der Basis eines bereits vorhandenen subtilen Klimas verschiedenste Wege initiierten, welche sich mit Bild und Wirklichkeit, mit Fülle und Leere, mit Bild und Erinnerung auseinandersetzen. Als weitere Beispiele seien die Werke von Uwe Wittwer, Jürg Moser, Alois Lichtsteiner, aber auch Albrecht Schnider, Lisa Hoever, Babette Berger und Samuel Blaser genannt.