Lässt die Vergangenheit zur Gegenwart werden

Hans Fries: Malte seine Bildtafeln vor 500 Jahren. Bis 24.02.2002

Die Ausstellung im Musée d’art et d’histoire in Freiburg ist eine kleine Sensation. An die 30 Originalwerke des Schweizer Malers Hans Fries (um 1460 bis etwa 1523) geben Einblick in die Zeit vor der Reformation.

Als das Kunsthaus Zürich 1921 „Gemälde und Skulpturen 1430-1530“ zeigte, stiessen die Werke eines zuvor fast unbekannten, vor und nach 1500 in Freiburg, Basel und Bern tätig gewesenen Malers auf grosses Interesse. Insbesondere die jungen Maler der „Neuen Sachlichkeit“ rieben sich die Augen ob der plastisch-präzisen Darstellungen von Hans Fries. Erst Mitte des 19. Jahrhunderts entdeckten Kunsthistoriker die Existenz des aus heutiger Sicht „wichtigsten Schweizer Malers um 1500“ wieder. Im Gegensatz zu Konrad Witz (ca. 1400-1447), Niklaus Manuel (ca. 1484-1530) oder Hans Holbein (ca. 1497-1543), den bekanntesten in der Schweiz tätigen Künstlern des 15./16. Jahrhunderts gibt es in der Rezeption des Werkes von Hans Fries eine mehr als 200-jährige Lücke. Seine Werke waren von ihren Originalorten (z.B. der Kathedrale von Freiburg) entfernt worden und dienten, im Extremfall, gar als Ofentüren. Umso erstaunlicher ist es, dass heute an die 40 Werke zweifelsfrei Hans Fries zugeordnet werden können. Freilich stammt die grösste Zahl aus der Zeit von 1500 bis 1510, der Zeit als Fries zurück in Freiburg war und hier ein angesehener Mann. Was ihm wohl das Selbstbewusstsein gab, seine Werke als einer der ersten Schweizer Maler überhaupt klar und deutlich zu signieren.

Gerade die Irrfahrten der Bilder – es gibt auch solche, von denen sich nur Kopien erhalten haben – machen klar, dass es sich bei den in Freiburg teils in klimatisierten Plexiglaskästen, dennoch aber sehr adäquat gezeigten Werken nicht um unverändert erhaltene Arbeiten handelt, sondern um mehrfach restaurierte. Sodass sie uns in derselben, intensiven Farbigkeit – und Fries war ein hervorragender Kolorist – begegnen wie einst den aus Kirchenkreisen stammenden Auftraggebern. Und das erst lässt die Qualität der Arbeiten so richtig erkennen. Es ist unter dem Eindruck der Distanz von 500 Jahren faszinierend zu sehen wie es Fries gelang Figuren skulptural aus der Fläche herauszuholen, sie geradezu theatralisch zu verlebendigen, wie er andererseits die Natur im Einzelnen zwar exakt beobachtet, aber noch nicht in Naturzusammenhänge stellt. Wie sein Stil, zum Beispiel in den grandiosen Faltenwürfen, die Hochblüte der späten Gotik verrät, die Architektur aber bereits klar auf die Renaissance verweist.

Die Ausstellung in Freiburg ist einerseits das Resultat jahrelanger, intensiver Forschungstätigkeit im Rahmen einer beispiellosen Zusammenarbeit des Freiburger Museums mit der Universität, dem Staatsarchiv, dem Kulturgüterschutz usw. und andererseits Ergebnis langwieriger Leihgaben-Diplomatie. Die Tatsache, dass um 1500 primär auf Holz, zum Teil auf Leinwand auf Holz, gemalt wurde, macht die Werke enorm sensibel auf Klimaschwankungen. Dass aber nur die Orginalwerke jene Lebendigkeit vermitteln, die uns das Alter der Bilder vergessen lässt, zeigen zwei ikonografisch wichtige Werke in Form fotografischer Kopien als Ersatz für die allen Bemühungen zum Trotz nicht ausgeliehenen Werke aus der Bayrischen Staatssammlung in München.

Im Werk von Hans Fries sind mehrere Einflüsse nachweisbar. Die hervorragend aufbereiteten Informationen an vier PC-Terminals zeigen zum Beispiel wie Fries einen Holzschnitt Dürers kompositorisch aufnahm, malerisch aber völlig eigenständig gestaltete. Es ist zeitbezogen klar, dass alle Werke Fries‘ einen biblischen Kontext haben, was Fries jedoch nicht daran hinderte, über Details eine Vielzahl von Alltagsbeobachtungen einzubringen, da und dort seiner Fantasie Lauf zu lassen und in kleinen Trompe l’oeils seine Könnerschaft anzumerken. Dennoch ist nicht zu übersehen, dass die Hauptwerke stark geprägt sind von der Zeit unmittelbar vor der Reformation, in welcher die Kirche ihre Gläubigen mit Himmelsversprechungen und Fegefeuerdrohungen bei der Stange hielt und gerne dafür kassierte.

Der „Bugnon-Altar“ (um 1505) zeigt dies sehr schön. Für jeden Reichen, der barmherzig den Armen spendete, geleiteten Engel eine Totenseele aus dunklen Zonen in den Himmel. Interessant ist wie Fries diese figürlich gemalten Seelen mit einem transparenten Fluidum umzüngelte und so ihre Nichtmaterialität zu zeigen versuchte. Aufschlussreich auch, dass das Bild zeitweilig völlig unterschätzt war, weil sein Zustand schlecht und bei einer Umplatzierung oben fünf Zentimeter weggesägt wurden. 1941 wurden die fehlende Liste wieder angebracht und die abgeschnittenen Köpfe erneuert. Solche und andere Forschungsergebnisse auf dem langen Weg der Rekonstruktion von Leben und Werk von Hans Fries bilden den Gegenstand der überaus reichen, wissenschaftlichen Monographie, welche der NZZ-Verlag aus Anlass der Ausstellung herausgegeben hat.