Expo02-Projekt „sWish“ Arteplage Biel 2002

Ein hinterlistiges Bühnenstück für Träume

www.annelisezwez.ch   Annelise Zwez in Bieler Tagblatt vom 20.Juni 2002

Wenn vom Expo-Projekt „sWish“ auf der Artplage Biel die Rede ist, so geht es meist um Wünsche. Wie raffiniert diese Wunschwelt inszeniert ist, entgeht der Aufmerksamkeit möglicherweise. Darum steht sie hier im Zentrum.

Was im IBM- und Swiss Re-Pavillon auf dem Forum der Arteplage Biel als heiter-nachdenkliche Wunschwelt daherkommt, ist Resultat intensiver Arbeit, auf mehreren Ebenen. Für die Wunschebene war 2001 ein Team von Filmemachern, Künstler/-innen und Medienleuten mit einem mobilen Aufnahme-Studio unterwegs durch die vier Sprachregionen der Schweiz und interviewte viele hundert Menschen, ausgewählt nach verschiedenen Gesichtspunkten und mit einem vorbereiteten Fragebogen. Bekannte und unbekannte Menschen wurden gezielt oder spontan vor Ort zum Film- und Fragetermin eingeladen, als Einzelpositionen oder Repräsentant/-innen von Gruppen – Feuerwehren zum Beispiel, Klostergemeinschaften, Spitäler. Dabei wurde bewusst stets das gleiche Setting verwendet: Ein warmes Licht, das die Menschen sehr räumlich-plastisch erscheinen lässt, eine frontale Kameraeinstellung und ein roter Hintergrund. Das wirkt in der Umsetzung, wie sie die Besuchenden der Artplage erleben, als Ordnungsfaktor, in welchem sich das Unterschiedliche – die Kleidung, die Mimik, aber auch das gesprochene Wort – in einem sinnlich getragenen Ambiente herausschälen kann. „Es sollte ganz bewusst ein positives Grundklima erzeugt werden“, sagt Tristan Kobler, einer der Köpfe des Projektteams. Dazu gehört, als Teil des Konzeptes, der Einbezug bekannter (Fernseh)-Gesichter von Nelly Wenger bis Pfarrer Sieber, denn sie bewirken, dass sich die Besuchenden als Teil der Gemeinschaft der Menschen, die befragt wurden, fühlen. Man kennt sich, quasi.

Alle Interviewten wurden nach demselben gefragt, nach ihrem Herzenswunsch zum Beispiel, ihren „Drei Wünschen“, ihren Wünschen an den Partner, ihren Wünschen an die Welt, aber auch zu Tod und Jenseits. Dass dies in der Ausstellung nicht als repetitive Litanei daherkommt, liegt in der Dramaturgie. Dieselben Menschen erscheinen in verschiedenen Kapiteln, man trifft sie wieder, nicht alle, aber einige, jedoch in anders gestalteten Abläufen. Das „Paradies“ wurde (nicht zuletzt aus akustischen Gründen) als kubistische Facetten-Höhle gebaut, welche die Begegung mit dem einzelnen Vis-à-Vis betont, gleichwohl aber die Rhythmen des Ganzen erfahrbar macht. Zum Beispiel, wenn plötzlich alle Monitore Priester, Ordensschwestern und Patres zeigen oder plötzlich alle blond sind oder plötzlich alle Filme eine Sekunde still stehen, als müssten sie Luft holen. Anders der Raum, in dem es um Intimeres geht, um blaue Augen, um schöne Körper, um Treue und Liebe. Da sind die zwei Grossprojektionen, die stets einen Mann und eine Frau zeigen, so in Winkel gestellt, dass das Knistern zwischen den Geschlechtern spürbar ist, sich gleichzeitig aber auch der Mann und die Frau im Publikum angesprochen fühlt. Kleinigkeiten brechen auch hier das sich Wiederholende, zum Beispiel die Verlegenheit des kleinen Knaben, der beim besten Willen noch nicht weiss, was er sich von einer Partnerin erwünschen könnte.

Schnelle Wechsel, die den Strom unterschiedlichster Meinungen versinnbildlichen, prägen hingegen die einem Filmschnitt-Studio ähnelnde Inszenierung der Wünsche an die Welt und eine lineare Struktur das Wunschalphabeth entlang der Lebensalter. Den Macher/-innen ist es in spannender Art und Weise gelungen, eine multikulturelle Vielfalt von Wünschen zum Spiegel der Menschen in der Schweiz zu machen.

Dass eine Wunschwelt eine romantische und keine reale Welt ist, wurde nicht einfach ausgeblendet, sondern auf eine parallel laufende Märchenebene versetzt. Tristan Kobler geht so weit zu sagen, eigentlich sei sWish eine „Falle“. Denn die sieben Fabelwesen, der Prinz, die Fee, die Sirene, der Zauberer, der Gnom usw., welche die Besuchenden in kleinen theatralischen Szenen durch den Pavillon begleiten, sind reichlich durchtrieben. Denn sie können nur leben, wenn ihnen die Menschen genügend Wünsche liefern. Sie zu erfüllen, so zeigt eine der „Überwachungskameras“ deutlich, ist nicht ihr wichtigstes Anliegen; das meiste wird da im Untergrund gleich wieder geschreddert. Auch hinter dieser Parallelwelt steckt aufwändige Inszenierungsarbeit, galt es doch die vom Projektteam konzipierten Szenen mit Schauspielern verschiedenster Provenienz und verschiedenster Sprachen live aufzunehmen und in das vorgesehene Spiegelverfahren – das die Figuren gleichsam in einem schwerelosen Raum zeigt – zu übersetzen. sWish ist keine eingleisige Traumfabrik. So wie sie sich einerseits durch die Ernsthaftigkeit der Interviewten konstruiert, so dekonstruiert sich gleichzeitig wieder, wenn die Wünsche vom Zauberer zur Kartonsuppe eingekocht werden. Oder wenn sie, von den Besuchenden interaktiv eingegeben, ins Wasser fallen und als Spiegelung zur Illusion werden. Ernsthaftigkeit und Ironie durchmischen sich. Gut so.

Doch da gibt es noch eine dritte und eine vierte Ebene. Die eine arbeitet mit Objekten und Bildern, Vitrinen und Guckkästen. Als eine Art Raumschiff ist im Zentrum ein Schlaraffenland der Wunschorte inszeniert und in einer Vitrine findet man Dinge, die Wünsche erfüllen, vom Milchzahn bis zum Meteoriten. Last but not least gehört zum Klima auch die Architektur des Pavillons, die sich aus festen, flüssigen und gasförmigen Komponenten zusammensetzt. Da ist zum einen – wiederum dem herausfordernden Gebot der Akustik folgend – bis in die Aussenhaut viel isoliertes Material, das die Töne hält und bündelt. Zentral ist im Innern aber eine wilde Lattenkonstruktion, die von einem Sturm hingeschmettert und angehalten wirkt, zugleich aber durchlässig ist und so immer wieder das Wasser im Untergrund sichtbar macht, während die Gasflammen, die periodisch aus dem Pavillon zischen, wohl aus der Wunsch-Küche stammen.