Landschaft zwischen Konstruktion und Erzählung Helmhaus Zürich 2003_.2004

Ein Widerspruch sucht seine Bilder

www.annelisezwez.ch   Annelise Zwez in Bieler Tagblatt vom 29. Dezember 2003

Landschaft. Vermutlich denken wir zuerst an Berge, Wälder und Weiten; an Himmel, Erde und Wasser. Doch wir sprechen auch von urbanen, von politischen, von Medien- und Museums-Landschaften. Mit anderen Worten: Landschaft ist kein Synonym für Natur, sondern eine Konstruktion, die unseren vertrauten Blick in die Welt als Bausatz nutzt. Im Wissen, dass es so wenig braucht bis wir von Landschaft sprechen wie bei ein paar Strichen, die wir zum Gesicht machen.

Das brachte den mittlerweile über die Landesgrenzen hinaus bekannten Berner Kunsthistoriker Andreas Fiedler auf die Idee der Ausstellung „natürlich gebaut“, die er als Gastkurator im Städtischen Museum im Helmhaus in Zürich zeigt. Er lud dazu acht Kunstschaffende ein: Die Bernerin Esther van der Bie, die Cracks Peter Fischli und David Weiss, den Österreicher Walter Niedermayr, den Winterthurer Mario Sala, den Zürcher Christoph Schreiber, den Basler Markus Schwander, die Wienerin Margherita Spiluttini und den Chinesen Jun Yang. Auf alle Arbeiten kann man den Begriff „Landschaft“ anwenden. Doch alle nutzten das vertraute Formenrepertoire lediglich als Topographie für eigene Geschichten. Dem Konstruktiven entsprechend, dominieren dabei die indirekte Medien, insbesondere die Fotografie.

Esther van der Bie zum Beispiel zeigt anhand von liebevoll konstruierten Szenerien aus natürlichen und künstlichen Materialien „Wälder und Verwandtes“ in Form von grossformatigen, glänzenden Farbfotografien. Sie spielt mit unserer Leichtigkeit, aus einer Kunststoffröhre einem Baumstamm zu machen, ein wenig Watte zu Schnee und ein paar Kabel zu Lianen. Das Künstliche mit echten Farnen, Holunderzweigen und Birkenästen aufbereitend und über den Blick der Kamera die winzige Szene in ihrem Atelier auf „Lebensgrösse“ trimmend, präsentiert sie uns „natürlich gebautes“ in der ganzen Widersprüchlichkeit unserer Zeit. Dieselbe Reihe ist zur Zeit auch in der Kunsthalle Bern zu sehen, doch ist sie in Zürich eindrücklicher.

Anders der Ansatz von Markus Schwander, dessen Gemeindebänke mit Kaugummi-Skulpturen von der „Heimatfabrik“ an der Expo.02 in Erinnerung sind. Ins Kunsthaus gestellt, wird die Vorstellung des möglicherweise zu Sehenden noch abstrakter und das „natürlich gebaut“ krallt sich humorvoll an den in grauen Beton gegossenen Gebiss-Landschaften fest. Fischli/Weiss präsentieren – etwas wenig zündend – an Sandkasten-Übungen erinnernde Betonlandschaften während Jun Yang Horizontlinien anteilnehmend in Beziehung zu Kindheits- und Heimatprägungen setzt. Margeritha Spiluttini wiederum fotografiert Berg- und Betonlandschaften (z.B. eine Staumauer) als ästhetische Einheit, während Walter Niedermayr bunt gekleidete Skifahrer als Ornamente in weissen Grund eintauchen lässt und Christoph Schreibers Bildmontagen das „Mögliche“ als vermeintlich Reales ausreizen.

Das geheimnisvollste Werk stammt indes von Mario Sala. Seine Autobahn-Landschaft zeigt eine absurde Stätte mit einem kopfüber platzierten Tisch und einem Monument aus dessen und dazugehörenden Stuhlbeinen, ausgerichtet auf ein Loch in der Wand, das den Blick in ein wattiges Licht-Universum freigibt. Keiner vermag Bekanntes so zu setzen, dass es Teil einer gänzlich fremden Welt wird, die dennoch mit unseren Formen arbeitet. Erich von Däniken erfände sicher die passende Geschichte.

In Zürich wurde die seit dem 5. Dezember laufende Ausstellung gemischt aufgenommen. Der Tages-Anzeiger lobt sie, die NZZ verreisst sie. Beide haben ein Stück weit recht. Fiedlers Konzept ist ein faszinierendes Essay, aber eher ein gehaltvolles Kabinettstück als eine raumgreifende Inszenierung. Mit Ausnahme von Sala kommt die sparsam gehängte Ausstellung nicht über Wände und Sockel hinaus und verdichtet sich (zu) selten zum gesellschaftlich relevanten Denkanstoss. Damit wirkt sie im heutigen, schwierigen Lebensumfeld etwas zu leicht, um wirklich gewichtig zu sein.