Spieler mit Lust und Courage

Kunsthaus Grenchen: Thomas Bäumgärtels Liebe zu Bananen. Bis 27.02.2003

Nein, er liebe Bananen nicht sonderlich, sagt Thomas Baumgärtel. Doch in seiner Kunst ist sie oberstes Prinzip. Wer der Mann der Bananen-Tags auf Europas Museumsmauern ist, zeigt jetzt das Kunsthaus Grenchen.

Manchmal habe er schon etwas „Schiss“, wenn er als nächtlicher Sprayer seinen Bananen-Tags platziere, sagt der 42jährige Kölner Künstler Thomas Baumgärtel. Wenn’s allzu schlimm wird, legt sich der Diplom-Psychologe auf die Couch seines Super-Visoren. „Da habe ich schon oft mutige Entscheide gefällt.“ Baumgärtel ist ein Spieler und als Aktionskünstler ein Hans Dampf in allen Gassen. Was ihn interessiert, ist der Mensch, nicht eigentlich die Kunst. Was ihm glückt, ist die Provokation. Wenn er, um den Kunstmarkt zu bedienen, mit seinen Bananen Äpfel und Birnen oder gar Dürers Hase malt respektive mit Schablonen sprayt, scheitert er ziemlich; auch wenn er seinen Stil verführerisch „Bananen-Pointilismus“ nennt.

Wer viel in der Kunstszene unterwegs ist, kennt sie: Baumgärtels gelbe Banane mit ihren schwarzen Konturen und dem schwarzen Stiel. Mehr als 3000 Mal hat er sie seit 1986 (mit Schablonen) auf Mauern von Museen, Messeständen und Galerien gesprayt. Ob an die Tate Gallery in London, das Centre Pompidou in Paris oder das Kunsthaus in Grenchen. Dabei spielen zwei Momente eine wichtige Rolle. Zum einen will der Künstler wissen, ob ihm sein Tun hier oder dort eine Klage wegen Sachbeschädigung einträgt oder einen Dankesbrief. Anfänglich dominierten die Klagen – Baumgärtel war in der Szene noch nicht mehr als eine „Banane“ – doch längst erreichen ihn Mails von Galerien und Kunsthäusern, die auch eine Banane haben möchten. Denn mit Charme und Banane ist es dem Künstler gelungen, sich respektive sein Tag zu einem „Markenartikel“ zu machen. Zwar sind seine Kritierien für „Banane ja oder nein“ nicht sonderlich streng, aber ein Haus, das sich für zeitgenössische Kunst einsetze, müsse es sein, sonst lasse er es bleiben, sagt er. Nicht zu vergessen ist die andere Seite: Mit seinem „Label“ gelingt es Baumgärtel, sich ungefragt und unabhängig von irgendwelchen Kuratoren oder ähnlich, mit den wichtigsten Kunsthäusern und den bedeutendsten Galerien zu vernetzen. Seine „Spur“ bestimmt er selbst und damit auch seinen Bekanntheitsgrad.

Wie er auf die Banane kam? Nicht schwer herauszufinden. Sie ist Symbol für alles zwischen phallischer Lust , kulinarischem Genuss und korrupten Geschäften. Nach der Kontroverse um den Flick-Konzern wurde die „Bananenrepublik“ 1984 gar zu Deutschlands „Wort des Jahres“ gekürt. Und in der Kunst ist sie schon seit der Pop Art salonfähig. Claes Oldenburg hat sie als skulpturale Form auf ein Lagerhaus in Oslo gehievt und Andy Warhol hat sie auf’s Cover von „Velvet Underground“ appliziert. In dieser – übernommenen – Ambivalenz und mit Sprayer-König Harald Naegeli im Rucksack tanzt der Künstler in der Szene, mit ihr löst er immer wieder Kontroversen aus. Etwa 1998, als er in einer von langer Hand vorbereiteten Nacht- und Nebelaktion dem Kölner Dom eine zwei Tonnen schwere Banane ins Hauptportal stiess. Aber vorbestraft sei er nach wie vor nicht, sagt Baumgärtel. Sein Anwalt freilich muss gelegentlich einen Zusatzraum mieten, um die mit Kunst abgegoltenen Honorare zu stapeln …

Hannes Luterbacher zeigt in Grenchen glücklicherweise nicht primär den „Maler“, sondern den Spieler: in Reihen, in denen die Banane zu allem wird – vom Phallus bis zum Friedensengel, vom Doppeladler bis zum Euro-Zeichen; in Collagen zur „Bananenrepublik“ Deutschland, in Fotografien, die Aktionen respektive Tag-Orte dokumentieren. Und in Bildern mit fotografisch applizierten Dokumenten aus der „juristischen“ Abteilung von Baumgärtels Schaffen. Zu sehen sind auch erste grossformatige Siebdrucke zum „Brandenburger Tor“. Baumgärtel möchte Deutschlands Symbol an der einstigen Grenze zwischen Ost und West in ein riesiges Bananen-Schiff verwandeln (Christo’s Reichstag lässt grüssen).

Baumgärtel ist mit seiner Aktionskunst kein Einzelgänger, im Gegenteil, in der Gesellschaft Spuren setzen, ist eine Facette des Mainstreams. Offensichtlich sind bei Baumgärtel auch die Paten. Und das ist vielleicht auch der Grund, warum’s ihm nicht gelingt, darüber hinaus zu kommen. Die Schablonen-Bilder, die in Bananen-Pointillismus plakatähnlich auf die bedeutendsten Kunstmessen hinweisen, sind zu wenig subversiv, um Markt und Baumgärtel-Banane gleichzusetzen. Dennoch, für etwas Salz in der Suppe reicht es allemal.

Schade, dass Grenchen den Künstler nicht zu einer Aktion verpflichten konnte oder zur Installation einer Arbeit im öffentlichen Raum, vergleichbar der „Freiheitsstatue“ oder der „Bananenwand“ in Köln; denn da wäre der Spass greifbarer geworden als im Medium „Ausstellung“.