Susan Hodel_ Barbara Graf:_Kunst Textil Ligerz 2003

Körper und Kleid, Strich und Faden

www.annelisezwez.ch     Annelise Zwez in Bieler Tagblatt vom 29.09. 2003

Mit der Ausstellung von Barbara Graf und Susan Hodel setzt das Aarbergerhus in Ligerz einen weiteren Akzent in der Reihe Kunst Textil. Ganz im Sinne von Schirmherrin Elsi Giauque.

azw. Mit klassischer Textilkunst haben Barbara Graf und Susan Hodel nichts am Hut. Mit Textilien und Kunst aber sehr wohl. Je ganz anders, obwohl beide von der Malerei her kommen. Die 40-jährige Winterthurerin Barbara Graf studierte in den 80er-Jahren bei Maria Lassnig in Wien. Die 41-jährige Solothurnerin Susan Hodel schloss vor 10 Jahren ein Malerei-Studium an der Schule für Gestaltung in Luzern ab.

Barbara Graf – heute in Wien und Kairo lebend – nahm von ihrem Vorbild die Freiheit im Umgang mit dem Körper mit. Sie begann den Körper zum Kleid zu machen, das Skelett zu nähen und an Kleiderbügeln aufzuhängen. In den letzten Jahren vereinfachte und verkomplizierte sie ihre Methode. Sie geht, zum Beispiel, von einem einzigen Wirbel aus, den sie auf dem Zeichenpapier zerlegt, faltet, dehnt, bis ein Modul entsteht, mit dem sich der Körper neu formulieren lässt – irgendwo zwischen Skulptur und Kleid, zwischen Anatomie und freier Form.

Susan Hodel – heute in Zürich und zurzeit in Genua lebend – «verzweifelte» an der Leinwand, die die Bilder trägt, aber selbst nicht Teil des Bildes ist. So nahm sie die Schere und begann die Leinwand (respektive die Baumwolle) zu zerschneiden und daraufhin mit Nadel und Faden – von Hand oder mit der Nähmaschine – wieder zu «heilen». So wurde die Leinwand selbst zum Thema ihrer Kunst. Nähen, schneiden, knüpfen, sticken, umwindeln, aber auch malen und zeichnen verbanden sich zu vibrierenden Arbeiten zwischen Ordnung, Ornament und Wandel.

Sowohl Barbara Graf wie Susan Hodel stiessen mit ihren Arbeiten auf Interesse und wurden mehrfach mit Preisen ausgezeichnet. Die unter dem Patronat der Gemeinde Ligerz agierende Gruppe «Kunst Textil» setzt mit der Doppelausstellung erstmals einen betont zeitgenössischen Akzent. So wie Schirmherrin Elsi Giauque einst eine Pionierin war, als sie die Tapisserie zum Raumobjekt machte, so will auch die alljährliche Kunst-Textil-Ausstellung aktuelle Formen des Umgangs mit Stoffen, Fäden und verwandten Materialien in der Kunst aufzeigen. Als Nische in der schweizerischen Ausstellungslandschaft und mit dem (heimlichen) Ziel, zu beweisen, dass die Faszination im Umgang mit Fäden und Stoffen lebt, obwohl sie von vielen tot gesagt wird. Eine Chance für Ligerz.

Barbara Graf und Susan Hodel nehmen zwei sehr verschiedene Positionen ein, was die Ausstellung zu einem spannenden Gegenüber zweier eigenständiger Ausdrucksformen macht. Was die Arbeiten von Barbara Graf so eindrücklich macht, ist die Konsequenz, mit der sie ihr Konzept umgarnt. Zum Beispiel indem sie das «Kleid» bis ins Letzte durchspielt. Die einzelnen, meist abgesteppten Elemente, werden mit «Häftli» aneinandergereiht und mit Druckknöpfen verbunden. Je nach Lust und Laune trägt, hängt, stellt man sie so oder anders. Und gehts auf Reisen, zerlegt und faltet man sie und legt sie in die eigens dafür bestimmte Stofftasche. Und dies keineswegs als «l’art pour l’art», sondern in steter Wechselwirkung mit der Sprache, den Bedürfnissen und Gewohnheiten des Körpers.

Susan Hodel zeigt Arbeiten aus fast 10 Jahren. Damit wird die Entwicklung, die sie seit Abschluss des Studiums durchlaufen hat, eindrücklich einsichtig. Das Zerschneiden wurde im Laufe der Zeit weniger wichtig, um dem Strich – dem gezeichneten und dem genähten – mehr Bedeutung zu geben. Bis schliesslich gar der Materialwechsel zwingend wurde. Warum nicht mit metallenen, glänzenden Eisenblech-Bändern die Vertikal-Horizontal-Struktur der Leinwand nachbilden? Warum nicht das rund laufende Schwingen der Fäden als Saum-Stück aus Aluminium-Bändern zum Ausdruck bringen? Oder letztlich mit den präzisen Beobachtungen aus dem Umgang mit den Eigenschaften von Strich und Faden zur Malerei zurückkehren? Susan Hodel zeigt in Ligerz reiche Entwicklung.

Ergänzt wird die Ausstellung von Barbara Graf durch eine Reihe von Zeichnungen – «Gebrauchsanweisungen» für die «Kleider» und freie Skizzen – aber auch einige Körper-Objekte, zum Teil aus verfestigtem Karton gefertigt, sowie eine Serie von Fotografien, die zeigen, dass die Künstlerin Körper und Kleid stets auch als Skulptur im Raum auffasst.