Umwelt und ihr Spiegel in der Galerie im Amtshimmel in Baden 2003
Ist Abfall eine Sucht?
www.annelisezwez.ch Annelise Zwez in Aargauer Zeitung vom 26. März 2003
Wenn mit Kunst ein Thema illustriert werden soll, ist das heikel. Denn gute Kunst bildet nicht ab. Sie reflektiert. Der Badener Amtshimmel zeigt in Parallele zur Umweltwoche der Stadtökologie Banales und Differenziertes.
„Müllblüten“ heisst die von Stefi Binder aus Anlass der Badener Umweltwoche kuratierten Ausstellung im Amtshimmel. Sechs Künstler und Künstlerinnen zeigen fünf Projekte, wovon eines in der Stadt. Ökologie ist kein Mainstream-Thema der aktuellen Kunst. Wenn Michael Roggli und Roger Seeberger eine apokalyptische Landschaft inszenieren, welche die „Richtungslosigkeit der Thematik Abfall und Recycling“ aufzeigen soll, dann schmeckt das, künstlerisch gesehen, wie ein Refrain der 70er Jahre, als die Thesen des „Club of Rome“ die Künstler zu kritischen Arbeiten animierten. Die tickende, ölgetränkte Landschaft zeigt die Crux der Ausstellung. Will sie das Thema auch für ein kunstungewohntes Publikum aufbereiten, muss sie teilweise illustrativ arbeiten, fällt damit aber künstlerisch durch.
Binder hat die Hürde nicht schlecht genommen indem sie die Landschaft in die Mitte platziert und in Aussenposten anderes präsentiert. Zum Beispiel die Installationen von Christine Hunold. „Ich bin süchtig auf Abfall“, sagt die Zürcher Künstlerin. Abfall ist die Nahrung ihres Bilderfundus; mit der Videokamera verwandelt sie ihn in kleine „Trash“-Szenen. Durchaus hintergründig etwa, wenn ein Wecker, ästhetisch aufbereitet, wieder und wieder in einen sattgrünen Seerosenteich plumpst. Aber da wird Abfall in der Galerie aufgetürmt und mit Monitoren durchsetzt nicht einfach zur „Achse des Bösen“ (wie in der Arbeit von Malaika Belfor), sondern trägt die Ambivalenz zwischen Konsum- und Abfallgesellschaft in sich. Und das macht sie spannend ähnlich wie die zweite Installation, in welcher Hunold Fotos zu einem Wandbild zusammennäht und mit der weissen Seite nach aussen zeigt; die nicht mehr differenzierbare Bilderflut in unserem Kopf.
Gut ist auch die Idee, einen Graffiti-Künstler miteinzubeziehen. Malik Furer zeigt, direkt und variantenreich auf die Wand gesprüht, eine comic-ähnliche, mit Insidersprache spielende „Abfall“-Geschichte, die in sich als Graffiti die Ambivalenz von Kunst und Abfall, von Legalität und Illegalität trägt und somit keine lineare Beurteilung ermöglicht. Einer der immer mit Trash arbeitet, ist der Zürcher/Bieler Künstler Bernd Höppner. Müll ist ihm Material, mit dem sich Bilder komponieren lassen; flüchtige, die entstehen und mit einem Besenwisch wieder auf und davon sind. Man sei auf der Hut in der Stadt, dass man nicht darüberfällt, denn Höppner inszeniert da, wo Abfall entsteht!
Eine Pfeilspitze auf unser Abfall-Empfinden schiesst Malaika Belfor, wenn sie uns auffordert, aus gekauten Kaugummis auszuwählen und den „schönsten“ in den Mund zu stecken. Wesentlich friedlicher sind da die Abfallköfferchen, die der Inder Suresh Kumar während seines Aufenthaltes im Aargau füllte.