Abakanowicz Magdalena Museum Gertsch Burgdorf 2004

Die multiplizierte Kraft der Körper

www.annelisezwez.ch    Annelise Zwez in Bieler Tagblatt vom 9. August 2004

Kürzlich hing im PasquArt in Biel ein wichtiges Frühwerk der Polin Magdalena Abakanowicz, der Bieler Abakan von 1971. Jetzt zeigt das Museum Gertsch einige neuere Bronze-Skulpturen im Aussenraum.

Biel hatte 25 Jahre lang vergessen, dass sich in seinem Kunstbesitz eines der wichtigsten Frühwerke der weltweit bekannten polnischen Plastikerin Magdalena Abakanowicz (74) befindet. Die temporäre Erweckung des mächtigen textilen Abakan in der Salle Poma des CentrePasquArt wurde diesen Frühling für viele zum ausserordentlichen Erlebnis und stiess in der Fachwelt auf begeistertes Staunen.

Umso glücklicher ist der Zufall, dass Reinhard Spieler, künstlerischer Leiter des Museums Gertsch in Burgdorf, gleichzeitig plante, den Aussenraum des Museums als Ort für Skulpturen mit einigen neuen Skulpturen Abakanowiczs einzuweihen. Denn in den letzten fünfzehn Jahren waren nur selten Arbeiten in der Schweiz ausgestellt. Zu sehen ist unter anderem eine der typischen Gruppen kopfloser, jedoch in der Oberflächenprägung einzeln bearbeiteter Figuren. Seit den 70er-Jahren arbeitet die Künstlerin an ihrer Armada menschlicher Macht und Ohnmacht. Anders als vor dem Aufbruch Osteuropas stehen die Figuren in den neueren Bronze-Gruppen nicht mehr in Reih und Glied, sondern gehen innerhalb einer definierten Fläche je ihrer eigenen Wege. „Wie Ameisen“, sagte die Künstlerin im Gespräch diesen Frühling. So entsteht ein energetisches Feld mannigfaltiger Beziehungen, das dennoch nicht auseinanderbricht. Mehrfach betonte die Künstlerin in letzter Zeit auch , dass es ihr ein Anliegen sei, dass man die Figurenfelder durchwandere und sich selbst in Beziehung bringe, quasi von Körper zu Körper.

Die grössere Freiheit des Reisens seit 1989 ermöglichte Magdalena Abakanowicz zahlreiche grosse Installationen im öffentlichen Raum. In der Nähe von Chicago zum Beispiel wurde dieses Jahr eine Gruppe mit 80 überlebensgrossen Figuren, die vor Ort gegossen wurden, eingeweiht. Doch parallel entwickelte sich ihr Werk weiter. Seit den 90er-Jahren entstehen auch kleinere, teils jugendliche Figuren, die sie auf Räder oder Sockel stellt oder setzt, als wollten sie von einem neuen Aussichtspunkt aus, die Welt neu betrachten. Deutlich spiegelt sich in diesen Arbeiten die neue politisch-gesellschaftliche Situation Polens. Diese Einzel-Figuren kommen im Zwiegespräch mit der betonbetonten Architektur des Museums besonders eindrücklich zur Geltung. Eine Art skeptischer Hoffnung prägt auch die neue Reihe der „Coexistence“, die Körper und (Tier)-Kopf in neue, fragile Relation bringen.