Ist Kunst ganz einfach eine Illusion?

Migrosmuseum Zürich: Skulpturpark im Innenraum. Bis 08.08.2004

Nein, der gelbe Wagen ist kein Stück aus dem Bauernmuseum; er ist Malerei. Und der Walliser Adler ist kein Vogel. Das migrosmuseum in Zürich behauptet sommerlich leicht: „It‘s All an illusion“.

Kunst ist selten, was sie vorgibt zu sein. Eine bronzene Figur ist kein Mensch. Und in einem gemalte See hats kein Wasser. „It‘s All an illusion“. Die Minimal Art Künstler wehrten sich einst und sagten: Eine Stahlplatte ist eine Stahlplatte. Punkt. Die Sommerausstellung im migrosmuseum im Zürcher Löwenbräu-Haus schürft nicht ganz so tief. Sie verschiebt ganz einfach Kontexte – stellt Skulpturen für den Aussenraum, oder Aussenraum thematisierende Arbeiten, ins Museum. Und fragt die Betrachter, was sie nun damit machen. Wollen sie ein Bild von Max Bill als Kubenlandschaft begehen (Olaf Nicolai) und besitzen? Oder sich am nächtlichen Seeufer niederlassen, obwohl ganz offensichtlich nicht der Mond, sondern eine Lampe scheint (Katja Strunz)?

Die Ironie, die durch die Ausstellung blitzt, ist weder radikal noch banal. Vielmehr ist es ein Spiel. Heike Munder, Meisterin in Sachen Themenausstellungen, hat einen sommerlich leichten Skulpturenpark eingerichtet. Einen nicht ganz absichtslosen, selbstverständlich.
Nachdem man jahrelang kaum von Skulptur gesprochen hat, erobert sie sich nun da und dort Terrain zurück. Das Kunsthaus Langenthal fragt zur Zeit ernsthaft nach „Skulptur heute“. Heike Munder hingegen überlegt: Was ist anders heute? Und findet das zeitgenössisch Trashige, Discohafte, Romantische, Filmische auch in der Skulptur. Oft kulissenhaft oder auf Trugschluss angelegt.

Und wie immer ist es der Kuratorin egal ob jemand bekannt oder unbekannt ist, aus der Schweiz, aus England oder den USA stammt. Sie listet es in den Museumsinformationen nicht einmal auf. Wer die Art in Basel besucht hat, merkt zwar wie wissend sich die Kuratorin im internationalen Feld bewegt, doch wenn jemand die 1993 verstorbene Winterthurer Künstlerin Heidi Bucher für eine junge Künstlerin hält, so ist ihr das der beste Beweis für die Aktualität des gewählten Stückes. Tatsächlich gehört Buchers fragile Latex-Arbeit von 1986 „Jetzt fliesst das Wasser aus der Vase“ – effektiv eine „Vase“, aus der „Wasser“ zu fliessen scheint – mit zu den schönsten Stücken der Ausstellung.

Was die Ausstellung bei aller Leichtigkeit sehenswert macht, ist die Atmosphäre, welche trotz verschiedenartigsten Ansätzen durchgehalten ist. Das Ping Pong der 24 Skulpturen. Möglich, dass da gewisse Werke sogar uminterpretiert werden. So will Anselm Reyle seinen mit gelber Leuchtfarbe gestrichenen „Heuwagen“ (aus einer Zeit um 1920) partout nicht als „Skulptur“ und schon gar nicht als „Ready made“ verstanden wissen, sondern als abstrakte Malerei. Was in Nachbarschaft zu den künstlichen Blumenstängeln von Keith Edmier und dem figürlichen Parkmobiliar aus „Efeu“ und „Rasen“ von Vito Acconci tatsächlich nicht gelingt. Die Spannung zwischen (urbaner) Leuchtfarbe und bäuerlichem Hintergrund im „White Cube“ reicht aber allemal für eine „Illusion“. Wenn auch nicht ganz so brisant wie in der Arbeit von Valentin Carron (er war an Art und in der „Liste 04“ gut vertreten und letztes Jahr im PasquArt). Der Romand bildet heimatliche Zeichen aus dem Wallis – hier einen bronzenen Adler auf einen Steinsockel, den es in Martigny effektiv gibt – in Kunststoff nach, 1:1, aber nicht gänzlich illusionistisch. Im Museum für Gegenwartskunst wird das zu einer Sprengladung persönlicher, politischer wie künstlerischer Art.

Nicht unerwähnt bleiben darfie „Venice Witch“ voLiz Craft. Eine trashig beperlte Rollschuh-Fahrerin aus der Magersucht-Ecke, die sich bei genauem Hinsehen als kostbare Bronze-Skulptur entpuppt. Da kumulieren sich die Wechsel von Aussenraum und Innenraum, Illusion und Subversion! Die Arbeit könnte englisch sein, kommt aber aus der Trash-Ecke von Los Angeles.

Die gezeigten Arbeiten sind, wie immer beim Zürcher migrosmuseum, auch im Internet zu sehen.