Christian Staub (1918-2004) im Photoforum Biel 2005

Als die Equipe im Odeon tagte

www.annelisezwez.ch     Annelise Zwez in Bieler Tagblatt vom 8. Oktober 2005

Wussten Sie, dass Louis Armstrong einmal in Biel auftrat? Die Ausstellung von Christian Staub im Photoforum PasquArt beweist es.

Eine Ausstellung, die für Biel eine Kostbarkeit darstellt, wird zur Zeit im Photoforum im CentrePasquArt gezeigt. Es sind zu einem wesentlichen Teil Aufnahmen zu sehen, die der Zuger Fotograf Christian Staub (1918-2004) während seines Aufenthaltes in Biel von 1948 bis 1958 machte. Staub kam nach Biel, um hier für die Bieler Filiale der amerikanische Werbeagentur Foote, Cone and Belding, deren wichtigster Kunde die Uhrenindustrie war, zu arbeiten. Staub war zu diesem Zeitpunkt bereits ein bekannter Fotograf. Doch in Biel verliebt er sich alsobald, in die Stadt – und das Odeon im Speziellen – und in eine junge Frau obendrein.

50 Jahre später übergibt die einstige Weggefährtin, Judith Engel-Staub, dem Photoforum Biel 13 Kisten mit Material aus der Bieler Zeit ihres ersten Gatten. Die nicht nur für Biel, sondern für die Fotografie-Geschichte der Schweiz wertvollen Aufnahmen und Dokumente sind Gegenstand der aktuellen Ausstellung. Ergänzt um Aufnahmen aus dem seit anfangs 2005 in der Fotostiftung in Winterthur deponierten Nachlass des Fotografen. Dass die Ausstellung mit Abzügen von alten Negativen, einem Dokumentarvideo mit Zeitzeugen und einer Publikation („Cette sacrée vie“) erweitert werden konnte, verdankt das Photoforum einem Beitrag des Bundesamtes für Kultur, das neuerdings Beiträge für Fotoprojekte von nationaler Bedeutung spricht. Was den Stellenwert, der den Aufnahmen Staubs heute beigemessen wird, dokumentiert.

In Biel ist man da nämlich nicht sehr objektiv – denn was da in seinen Bildern der 1950er-Jahre neu auflebt, ist für jung und alt in Biel ein Erlebnis. Das Entscheidenste: So anders ist Biel heute nicht. Zwar sind die Menschen im Stil der 50er-Jahre gekleidet und die Autos Modelle der Zeit, aber die Atmosphäre, welche die Aufnahmen charakterisieren, die findet man heute noch. Und auch die Architektur – vom Bahnhof über die Rotonde bis in die Nidaugasse – ist über weite Strecken wieder erkennbar. Ganz im Gegensatz zu den damaligen Arbeiterquartieren, der Cité-Marie zum Beispiel, wo die Waschzuber damals noch auf der Strasse standen.

Wesentlich für die Begeisterung, welche die Bilder auslösen, ist, dass sich Staub früh von der Sachlichkeit seines Lehrers Hans Finsler löst, und sich ganz auf den Moment konzentriert, da er – als scharfer Beobachter – ein „Bild“ entdeckt, in dem sich Leben verdichtet und zugleich eine übergeordnete Ebene dokumentiert wird. Zum Beispiel, wenn er – an der Schweizer Plastikausstellung von 1954 – Bundesrat Etter neben einer leicht geschürzten weissen Frauenskulptur entdeckt. Oder an der Braderie in einem einzigen Bild die ganze Fröhlichkeit und Ausgelassenheit einfängt. Oder mit einem Lastwagen, der am Unteren Quai seine Ladung Schnee in die Schüss kippt, den Winter und das Leben in der Stadt bündelt.

Zahlreich sind auch die Aufnahmen aus dem damaligen Bieler Kulturleben. Wer weiss heute noch, dass Louis Armstrong einmal in Biel auftrat. Einer, der sich erinnert, ist der Schriftsteller Jörg Steiner, der damals ebenso wie Christian Staub „und die ganze Equipe“ täglich im Odeon anzutreffen war, um über Gott, die Welt und das kleine Biel zu diskutieren. Im Dokumentarvideo, das Teil der Ausstellung im Photoforum ist, kann ihm zuhören; spannend.

Viele der gezeigten Aufnahmen sind 1957 im Buch „Biel schwarz auf weiss“ (Edition Pierre Boillat) publiziert worden. Wer bei sich zu Hause noch ein Exemplar hat: Aufbewahren!! Staub hat in der Bieler Zeit mehrere Bücher herausgebeben, darunter das bekannte „Cirque“ (1955, Edition Rudolf Stauffacher, Zürich) mit einem Vorwort von Grock.

Richtigerweises beschränkt sich die Ausstellung nicht auf Aufnahmen von Biel – das wäre ein provinzieller Ansatz. Sondern verweist auch auf Staubs Tätigkeit als Werbe-Fotograf, integriert frühe Reportage-Essays aus Sardinien und Sizilien und dokumentiert die reiche Präsenz Staubs in frühen Ausgaben der Kulturzeitschrift „Du“. Ein Saal schliesslich ist dem späteren Leben Staubs gewidmet, der 1958 an Max Bills Schule für Gestaltung in Ulm wechselt und von da zunächst nach Indien und schliesslich in die USA zieht. Bleibt sein Stil anfänglich noch unmittelbar am Leben, interessieren später mehr und mehr formale Aspekte der Raum- und Architektur-Gestaltung.