Einst ein Star der Schweizer Kunstszene
Alfred Hofkunst: Am 17. Juli 2004 in Cudrefin verstorben
Am Samstag, 17. Juli 2004 ist in Cudrefin Alfred Hofkunst nach schwierigen, von Sucht und Krankheit geprägten Jahren gestorben. Der Fotorealist war in den 70er-und 80er-Jahren ein Star der Schweizer Kunstszene.
Er ist jung und die Welt gehört ihm. In den 60er-Jahren ist der Schriftsetzer und Theatermaler Alfred Hofkunst mit den richtigen Bildern zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Seine hyperrealistischen Zeichnungen von Rolläden, Kleiderbügeln, Glühlampen und Matratzen setzen dem Fotorealismus noch eins drauf. Die als Schraffuren hauchdünner Bleistiftstriche konzipierten Zeichnungen sind an keinen Kamerablick gebunden. Sie sind nichts als sich selbst und dadurch paradoxerweise mehr als abgebildete Gegenstände. «Das Ding als Bild, das Bild als Ding», war Hofkunsts Devise.
Er zeichnete für alle, wo und wie sie wollten – tags oder auch nachts nach ein paar Gläsern Wein. Mit Fantasie und Wortwitz. Tische und Betten werden seine Spezialität, unter anderen für den Berner Innenarchitekten Theo Jakob. 1970 nimmt er Wohnsitz in Montet-sur-Cudrefin am Neuenburgersee. Die Stipendien fliegen ihm zu, 1973 findet die erste Museumsausstellung statt (Winterthur). Die Sammler reissen sich um seine Arbeiten. Das Geschäft läuft. Hofkunst kauft sich einen grossen Töff und erobert auch damit die Welt.
Mit dem Luginbühl- und Spoerri-Clan verbindet ihn die Lust am Kochen. Unter dem Stichwort gross, grösser, am grössten wird er sich in den späten 80er-Jahren mit Bernhard Luginbühl um die grösste Pfanne streiten – zum Beispiel für einen ganzen Hai anlässlich der Vernissage seiner Retrospektive bei «Holderbank».
1978 lässt sich Hofkunst mit seiner Familie in Missy (VD) nieder. Der Blick auf den Neuenburgersee packt ihn. Er befährt ihn, einer Forschungsreise gleich, mit einem Hausboot, das er auch als Atelier nutzen kann. Grenzenlos wie sein Weltblick wird das Projekt, das er in Angriff nimmt: Der See in 30 respektive 32 grossformatigen Bildtafeln, die Farben und Bewegungen des Sees reflektierend, von Mitternacht bis Mitternacht. Auf einer langen Mole stellt er die Leinwände auf und malt, Stunde für Stunde, Tag für Tag. Der Zeichner wird zum Maler; mit derselben Akribie.
Umsetzungen von Naturerfahrungen spielen in der Kunst der 80er-Jahre eine wichtige Rolle. So liegt es nahe, dass ihm ein Museum anbietet, die Installation grossräumig zu zeigen. Der Parterresaal des Aargauer Kunsthauses verwandelt sich 1980 in einen Blick rund um den Neuenburgersee – was allerdings, analog den Zeichnungen, nicht geographisch greifbar ist, sondern abstrahiert als Wasser-Farb-Spiegel im Licht von Sonne und Mond erscheint. Über Neuenburg ist es Nacht, gegen Osten dämmert der Morgen, in Chevroux ist es Mittag und in Yverdon geht die Sonne unter, und die Farben münden erneut ins Dunkel der Nacht.
In den 80er-Jahren hat Hofkunst sein Galeriennetz gefestigt, die Verkäufe tätigen sich quasi von selbst. Die (erotischen) Zeichnungen fragmentierter weiblicher Körper finden ihre Liebhaber. Von Seiten der offiziellen Szene hingegen kommt hingegen immer weniger Widerhall. Der Künstler zieht teilweise nach Südfrankreich, baut sich ein «Schloss», reist vor allem mit dem Flugzeug von Ort zu Ort.
1989 gewährt ihm Derrick Widmer in einer Fabrikhalle der «Holderbank» (heute Holcim) Gelegenheit für eine Retrospektive, wie zuvor und danach Künstlern wie Luginbühl, Gerstner, Roth usw. Im Zentrum stehen Skulpturen aus «Mehl», das sich in Säcken zu «Zement» verfestigt hat, und denen der Künstler Körperspuren einschreibt.
Hofkunst hat nie unterschieden zwischen Hochkunst und angewandtem Design, so lag auch die Idee der Bieler Swatch SA, den Künstler Ende der 80er-Jahre mit dem Entwurf für eine Uhrenkollektion zu beauftragen, quasi in der Luft. Tatsächlich werden «Gu(h)rke», «Verdu(h)ra» und Bonjou(h)r» zu aussergewöhnlichen Objekten.
Hofkunst ist, möglicherweise als Ausdruck erster Krankheitssymptome, nicht mehr so pflegeleicht. Hier und dort kommt es zu Zwistigkeiten, Sammler ziehen sich zurück und schliesslich distanzieren sich auch Freunde immer mehr. Worte, die vielleicht nicht meinten, was sie sagten, hatten sie verletzt. Eine schwierige Zeit für den erfolgsverwöhnten Künstler. Er muss insbesondere Frankreich aufgeben und wohnt nun wieder ganz in Cudrefin. Immer vereinzelter werden die Gänge ins Atelier und auch Ausstellungen selten.
Jetzt gibt der traurige, bittere, frühe Tod von Alfred Hofkunst der Familie und danach auch der Kunstgeschichte den Blick frei auf ein Gesamtschaffen, das speziell in den 70er- und 80er-Jahren von historischer Bedeutung ist.