Eva Rothschild Kunsthalle Zürich 2004

Wird Makrame bald salonfähig?

www.annelisezwez.ch   Annelise Zwez in Bieler Tagblatt vom 28. Januar 2004

Die Museen im Löwenbräu sind ins neue Jahr gestartet, mit Gianni Motti und Eva Rothschild. Es könnte sein, dass man des Schweizer Enfant terrible nach Zürich fährt, doch mit der jungen Irin im Erinnerungs-Gepäck zurückkehrt.

Die Kunsthallen-Direktorinnen haben es zur Zeit nicht einfach. Die 1990er-Jahre sind out, doch wo jetzt hin? Entdeckungen sind gefragt. Beatrix Ruf, Leiterin der Kunsthalle Zürich, setzt auf das Revival der 70er-Jahre und die neue Lust auf Handwerk. Die in London lebende, erst 31-jährige Eva Rothschild verkörpert beides. Und versetzt es zusätzlich mit einer Prise High-Culture in Form der klassischen Moderne und ebenso viel Low-Culture im Sinne von Lust auf Kitsch. Die Mischung, die lederne Fransen-Objekte mit konstruktiven Skulpturen und plastifizierten Vorhängen verbindet, ist keineswegs als ironische Paraphrase gemeint. Die Arbeiten vermitteln die Ernsthaftigkeit, mit der sie entworfen und „schamlos handwerklich“ (Beatrix Ruf) umgesetzt sind. Damit ist die Frage der Naivität natürlich nicht beantwortet. Darf man Räucherstäbchen zu einem Strahlenbündel schnüren und an der Wand befestigen? Darf man Esoterik-Plakate der 60er/70er-Jahre zerschneiden und in strenger vertikal-horizontal Anordnung neu weben? Darf man die Fransen der Lederjacken, die bei älteren Semestern noch im Estrich hängen, neu beleben, wenn man 1972 geboren ist und eine klassische Kunstausbildung in London durchlaufen hat?

Zunächst ist zu sagen, dass man speziell in England alles darf, somit auch das Gegenteil von „Sensations“, nämlich Dinge für den privaten (Kunst)-Gebrauch herstellen. Wenn Eva Rothschild zwei schwarz lackierte Kitsch-Katzen mit einer selbst gewobenen beige-schwarzen Lederkordel schlangenähnlich umgarnt, so ist das Verführung pure, doch die Künstlerin legt dem Objekt ein zweites hinzu, ein konstruktives, bewegliches System mit Linien und Zylindern. Gegenständlichkeit und Abstraktion als Parallelogramme. Oder sie verwebt eine Dreieck-Konstruktion mit kreisförmigen Lederkordeln, so dass sie unlösbar verbunden sind.

Es ist durchschaubar, was sie tut , wo sie Kandinsky bemüht, wo Picabia und wo die Subkultur bis hin zum Makramé, wo hybride Weltanschauungs-Utopien. Doch die Mischung ist neu, ist so erst heute möglich, antwortet aber vielleicht auf eine ähnliche Sehnsucht nach Sinn wie sie die ältere Generation einst nach Indien aufbrechen liess.

Dabei geht es freilich nicht um neue Utopien, sondern möglicherweise um das Gegenteil, um ein Verifizieren, ein Durchschauen von Systemen, angeheizt von einem Hunger nach Greifbarkeit, sowohl materieller wie inhaltlicher Natur. Und da ist die Künstlerin raffinierter Kontrapunkt zu den Immaterialiserungen der Neuen Medien der 90er-Jahre. Ob sie sich dessen bewusst ist, ist fraglich – Eva Rothschild ist gerade mal 31 – sie folgt wohl eher intuitiv dem, was sie selbst erfassen möchte. „Ich sehe etwas in meiner Vorstellung“ sagt sie, „dann versuche ich es zu zeichnen, modellhaft in den Raum zu stellen und schliesslich von Hand oder auch industriell zu fertigen“. Ältere Künstler und Künstlerinnen werden da sagen: Kalter Kaffee. Und sie haben nicht unrecht, nur ist der Kaffee nicht kalt, sondern neu gebraut mit den Ingredienzen heutiger Befindlichkeit.