Gianni Motti migros museum Zürich 2004

Agent aus dem Hinterhalt

www.annelisezwez.ch     Annelise Zwez in Bieler Tagblatt vom 30. Januar 2004

Gianni Motti (45) ist ein Spieler. Ein hinterhältiger. Wer fragt, den führt er in die Irre. Zum Beispiel im migros museum in Zürich.

Mit seiner Fast-Identifikation mit der Raëlianer-Sekte hat sich Gianni Motti (Genf) beinahe selbst verstrickt. Das Eis wurde dünn, kürzlich in der Galerie Ars futura in Zürich, als sich seine Fan-Gemeinde und die Raël-Anhänger gleichermassen über seine Ausstellung freuten. Jetzt hat er offensichtlich genug davon. „Ihr könnt mich …“ tönt es lautlos aus den labyrinthischen Gängen im migros museum in Zürich. Der Künstler hat, mit einem ganzen Tross von Schreinern, eine 600 Meter (!) lange Palisade aufgebaut, welche die Besuchenden – auf der Jagd nach Motti-Action – in einem schmalen Gang entlang weissen Mauern durch immer undefinierbarere Räume lotst, bis sie schliesslich im Hinterhof stehen. Ende. Basta. „Man soll Kunst nicht immer auf dem Serviertablett präsentieren“, meint er dazu und nennt die „Ausstellung“ „Plausible Deniability“ (plausible Verweigerung).

Fühlt man sich zum Narren gehalten? Wer Motti nicht kennt, vielleicht ja – analog damals, als er in Biel seinen (echten) Unfall-Renault als „Kunst“ auf einem Parkplatz deponierte bis es einem Unbeteiligten zuviel wurde und er den Wagen anzündete (im Rahmen der 10. Bieler Plastikausstellung, 2000). Wer Motti seit langem folgt, sieht in der von Securitas-Wächtern in Montur bewachten Anlage indes nicht Arroganz, sondern den Künstler, der emotional stärker in seinen Aktionen steckt, als das nach aussen sichtbar wäre. Und darum immer dann, wenn ihn das Publikum zum Clown macht, Rückzug bläst, selbstverständlich ebenso gnadenlos, wie er dasselbe Publikum bei anderer Gelegenheit verführt.

Eigentlich war die Show im migros museum als „Retrospektive“ angekündigt. Von Motti als „Verantwortlichem“ für das Erdbeben von Los Angeles, Motti als Redner im Uno-Plenarsaal, Motti, dessen „Assistenen“ um die Welt segeln usw. Doch das hat der Meister der subversiven Fiktion, der in zuweilen halsbrecherischer Art und Weise Systeme unterwandert und dadurch entlarvt, nicht geschafft. Vielleicht aus Angst, der Rückblick wäre zum eigenen Nachruf geworden. So ist er, wie damals als er sein eigenes Begräbnis inszenierte, im letzten Moment ausgebrochen und hat sich verschanzt. Den Fans bleibt die Erwartung auf die für Ende März angekündigte „nicht autorisierte“ Monografie.